Ende 2015 wurde der lange geplante Reinraum des Unternehmens 1zu1 Prototypen in Dornbirn, Österreich, fertiggestellt − gerade rechtzeitig für einen Auftrag der Schweizer Weidmann Medical Technology. Ein Dutzend verschiedene Teile sollte der österreichische Spezialist mit seinen Alu-Werkzeugen im Reinraum fertigen, jeweils bis zu 20.000 Stück. Der Auftrag bildete den Abschluss eines mehr als zweijährigen Entwicklungsprojekts für ein international tätiges Medizintechnik-Unternehmen. Das Ziel: ein Gerät zur In-Vitro-Diagnostik, mit dem Proben, beispielsweise aus Blut, Speichel, Plasma oder Gewebe, direkt beim Arzt oder im Krankenhaus auf Viren und Bakterien untersucht werden können.
Bisher mussten Ärzte solche Proben häufig in Zentrallabore einschicken und tagelang auf das Ergebnis warten. Das neue Analysegerät liefert die Diagnose für bis zu 22 Krankheitserreger binnen Minuten. „Eine schnelle und präzise Diagnose von Krankheiten wie Meningitis oder Influenza wird damit direkt am Point of Care möglich“, erklärt Daniel Quidiello, Projektleiter bei Weidmann.
Diagnose auf engstem Raum
Im Sommer 2013 beauftragte das Medizintechnik-Unternehmen die Weidmann Medical Technology mit der Entwicklung der Cartridge, die das Herzstück des neuen Geräts bildet. Sie besteht aus zwölf Einzelteilen, ist etwa 15 Zentimeter lang und enthält mehrere Kammern mit Flüssigkeiten, um die Proben mikrobiologisch zu untersuchen. Für den Bau der Prototypen wandte sich Weidmann noch im Sommer 2013 an 1zu1 Prototypen. Die beiden Unternehmen verbindet eine mehr als zehn Jahre dauernde, enge Zusammenarbeit. Ende September erteilte Weidmann den Auftrag für die ersten neun Spritzguss-Werkzeuge. Sechs Wochen später lagen die Spritzgussteile beim Kunden am Zürichsee auf dem Tisch.
„Neun Werkzeuge auf einmal sind schon ein außergewöhnlicher Auftrag“, sagt Wolfgang Spiegel, Produktmanager für Rapid-Tooling bei 1zu1 Prototypen. Das Vorarlberger Unternehmen fertigt die Werkzeuge für Prototypen und Kleinserien im Spritzguss aus Aluminium. Sie sind modular aufgebaut. Ihre Einzelteile lassen sich auf modernen Dreh- und Fräsmaschinen rasch und präzise fertigen und bei Bedarf später anpassen oder wechseln. Eine Herausforderung war nicht nur der Umfang des Projekts, sondern auch viele Spezifikationen. „Das war ein High-end-Projekt. Alle Anforderungen lagen einen Tick höher als üblich“, erinnert sich Produktmanager Spiegel. Auch Weidmann-Projektleiter Quidiello gesteht offen: „Wir waren anfangs skeptisch bezüglich einer nachhaltigen Machbarkeit. Die große Frage für uns war: Schaffen wir diese benötigte Qualität auch für große Stückzahlen in der Serienproduktion?“
Sehr hohe Qualitätsansprüche stellten zunächst die feinen Strukturen der Teile: Für die verschiedenen mikrobiologischen Analysen werden die Flüssigkeiten in der Cartridge transportiert und gemischt. Mehr als 20 Varianten gibt es dafür, die Kanäle weisen teilweise Querschnitte von unter einem Millimeter auf. Die sehr kleinen Ventile dafür müssen bei guter Beweglichkeit absolut dicht sein.
Auch sonst ist Dichtheit bei diesem Gerät besonders wichtig. „Stellen Sie sich vor, beim Arzt würde die Patientenprobe mit Krankheitserregern austreten. Die Auswirkungen können fatal sein“, schildert Quidiello. Die Verschlussscharniere in einigen Bereichen der Cartridge müssen deshalb ebenso dicht schließen wie die Kammern mit den Analyse-Flüssigkeiten. Diese werden nach dem Befüllen mit einem speziellen Verfahren verschlossen, das eine hohe Oberflächenqualität der Spritzgussteile erfordert. Grate oder Schwimmhäute sind hier allenfalls im Bereich von einem Hundertstel Millimeter zulässig.
Gemeinsam erfolgreich
Um die Anforderungen zu erfüllen, arbeiteten beide Unternehmen bei der Konstruktion der Werkzeuge eng zusammen. „Wir haben jede Konstruktion auf Kosteneffizienz und Sicherheit hinterfragt, haben uns gegenseitig motiviert, auch werkzeugtechnische Innovationen umzusetzen“, erinnert sich Rapid-Tooling-Experte Wolfgang Spiegel. Immer wieder erfolgte die Rückkopplung mit dem Endkunden. Der Erfolg gibt beiden Unternehmen recht: Die Aluminium-Werkzeuge lieferten nicht nur im Erstschuss sehr gute Ergebnisse, sondern erwiesen sich als extrem langlebig. 1zu1 Prototypen hatte ursprünglich 2.500 Stück pro Werkzeug garantiert. Letztendlich lieferten die Werkzeuge bis zu 20.000 Stück in der geforderten hohen Qualität.
Umstieg in den Reinraum
Bei zwei Prototypen-Phasen im Standard-Spritzguss wurden die Teile in den ersten beiden Entwicklungsjahren 2013 und 2014 auf technische Funktion getestet. Dank des modularen Aufbaus waren Änderungen an bestehenden Werkzeugen mit geringem Aufwand möglich. In der dritten Phase ab Anfang 2016 erfolgten die Tests unter medizintechnischen Gesichtspunkten. Die Produktion wurde deshalb in den neuen Reinraum von 1zu1 Prototypen verlegt. Er entspricht Reinraum-Klasse 8, die Abklatschtests liefern freilich oft noch deutlich bessere Ergebnisse. Die Teile werden mit Rohmaterial hergestellt, das für medizinische Anwendungen zugelassen ist. „Die mikrobiologischen Untersuchungen brauchen absolute Sauberkeit. Fremde DNA in den Kammern mit den Analyse-Flüssigkeiten würde die Ergebnisse verfälschen“, macht Spiegel deutlich.
Eine Herausforderung im Reinraum waren die Teile im 2-Komponenten-Spritzguss. Sie müssen von Hand zwischen beiden Maschinen umgelegt werden. „Im Reinraum birgt jeder manuelle Eingriff ein Risiko für Verunreinigungen“, sagt der Rapid-Tooling-Leiter des Unternehmens. „Mit besonderer Sorgfalt haben wir aber auch diese Hürde gemeistert.“
Vorserie eingespart
Wegen der hohen Standfestigkeit der Werkzeuge konnten im Projektverlauf sogar die Vorserien-Werkzeuge eingespart werden, die Weidmann Medical Technology üblicherweise nach der Prototypen-Phase fertigt. „Die partnerschaftliche Zusammenarbeit in diesem Projekt war wirklich außergewöhnlich“, lobt Wolfgang Spiegel. Auch sein Gegenüber, Daniel Quidiello, lobt die offene Kommunikation: „Wir haben beide großen Nutzen daraus gezogen und viel gelernt.“ Im Projekt hatten die beiden Partner verschiedene Materialfarben und Oberflächenstrukturen getestet, um die Ästhetik des neuen High-Tech-Geräts auch nach außen sichtbar zu machen. Das hat sich ausgezahlt, findet Quidiello: „Das benutzerfreundliche, schlicht-elegante Design macht den Analyzer zu einem echten Hingucker.“
Hersteller im Detail
1zu1 Prototypen
Das Unternehmen mit Sitz in Dornbirn/Vorarlberg gehört europaweit zu den führenden Anbietern von 3D-Druck, Rapid Prototyping und Rapid Tooling. Für Kunden wie Daimler, MTU Aero Engines, Playmobil oder Roche Diagnostics werden Modelle und Kleinserien aus Kunststoff und Metall gefertigt. Das Unternehmen ist nach ISO 9001:2015 zertifiziert. Seit Herbst 2015 bietet 1zu1 Prototypen auch die Produktion in einem Reinraum mit ISO-Klasse 8 an. Das 1996 von Wolfgang Humml und Hannes Hämmerle gegründete Unternehmen erzielt heute mit mehr als 150 Fachkräften und 30 Lehrlingen einen Umsatz von rund 17 Mio. EUR pro Jahr.
Fakuma Halle/Stand A5/5112
Anwender im Detail
Weidmann Medical Technology
Das Unternehmen ist einer der führenden, unabhängigen Schweizer Spritzguss-Systemlieferanten für die Medizintechnik und -industrie. Zu den Kernkompetenzen von Weidmann Medical Technology zählt die Umsetzung von Produktideen, deren Industrialisierung und internationale Fertigung. Weidmann beschäftigt derzeit 140 Mitarbeitende. Die Produktionsstätten mit Reinräumen ISO-Klasse 7/8 befinden sich in der Schweiz und Mexiko. Das Unternehmen ist Teil der weltweit tätigen Wicor-Gruppe, die 2016 mit knapp 3200 Mitarbeitenden 380 Mio. Schweizer Franken umsetzte.