Christoph Ehrlich leitet seit 2007 die Geschicke von Hasco. Mann mit kurzen braunen Haaren, orangenem Pullover und schwarzer Hose lehnt mit einer Hand auf einer Fensterbank.

Christoph Ehrlich leitet seit 2007 die Geschicke von Hasco. (Bild: Hasco)

Hugo Hasenclever, ein Goldschmied und Graveur, gründete 1924 das Unternehmen und erkannte schon sehr früh das Potenzial, das im Werkstoff Bakelite steckt und begann mit der Werkzeugfertigung, damit Kunststoffprodukte hergestellt werden konnten. Diese Werkzeuge waren aus Stahl gefertigte Unikate. 1957 übergab der Firmengründer den Betrieb an seinen Sohn Rolf, der mit seiner Idee die Firma vom Unikat- zum Normalienhersteller umformte. 1960 wurde das modulare Normalien-Baukastensystem patentiert. Herr Ehrlich, was können wir unter diesem Baukasten verstehen?
Christoph Ehrlich: Der Baukasten war eine echte Revolution in der Werkzeugbauindustrie. Bis dahin wurde jedes Werkzeug individuell von Grund auf neu gefertigt, was nicht nur zeitaufwendig, sondern auch teuer war. Rolf Hasenclever hatte die Vision, durch Standardisierung sowohl das Herstellen als auch die Nutzung der Werkzeuge deutlich zu vereinfachen. Der Baukasten bestand aus normierten Stahlplatten, abgestimmten Führungselementen und Verschraubungen, die erstmals austauschbar waren. Dieses Konzept ermöglichte es, die Produktionsprozesse effizienter zu gestalten und gleichzeitig die Präzision zu gewährleisten sowie Einzelteile auszutauschen. Der Werkzeugbau wurde nachhaltiger. Es war ein Meilenstein, der bis heute die Grundlage für die Normalienbranche bildet.

Gibt es heute noch etwas Vergleichbares?
Ehrlich: Ja, der Grundgedanke des Baukastens ist nach wie vor der Kern unserer Arbeit. Auch wenn neue Technologien wie der 3D-Druck für bestimmte Anwendungen, insbesondere bei Prototypen und Kleinserien, eine Rolle spielen, bleibt der Baukasten bei großen Stückzahlen und komplexen Anforderungen unersetzlich. Normalien sind hochspezialisierte Standardteile, die in verschiedenen Kombinationen verwendet werden können, um maßgeschneiderte Lösungen zu schaffen.

Welche Normalie wurde in der Firmengeschichte am häufigsten nachgefragt?
Ehrlich: Wenn wir nach der Menge gehen, dann sind es sicherlich kleinere Zubehörteile wie Schrauben, Dichtringe und Auswerferstifte. Diese Teile werden in Millionenstückzahlen produziert, da sie in nahezu jedem Werkzeugbau Verwendung finden. Gleichzeitig sind sie essenzieller Bestandteil unseres Baukastensystems. Was jedoch besonders bemerkenswert ist, ist die Vielfalt und Präzision, mit der diese Teile gefertigt werden. Sie sind nicht nur exakt aufeinander abgestimmt, sondern können jederzeit unabhängig voneinander ausgetauscht werden, was die Flexibilität und Effizienz im Werkzeugbau erheblich steigert.

1967 wurde der erste Normalienkatalog herausgegeben und 1983 das CAD-Normalienmodul vorgestellt. Hat das CAD-Modul den analogen Katalog zwischenzeitlich vollständig abgelöst?
Ehrlich: Das CAD-Modul war ein entscheidender Schritt, um den Formenbau weiter zu modernisieren. Es hat die Arbeit der Konstrukteure enorm erleichtert, indem es ihnen die Möglichkeit gab, Standardteile direkt in ihre Entwürfe zu integrieren. Der analoge Normalienkatalog bleibt jedoch weiterhin ein wichtiges Werkzeug, insbesondere für diejenigen, die gerne mit physischen Referenzen arbeiten. Die digitale Version, unser Webportal, hat in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. In skandinavischen Märkten werden heute schon bis zu 50 % der Aufträge online abgewickelt. Diese Entwicklung zeigt, dass beide Ansätze – digital und analog – ihren Platz haben und je nach Vorlieben der Nutzer parallel existieren können.

Seit 1983 erleichtert das CAD-Modul die Arbeit der Werkzeugkonstrukteure.  Ein Mann mit kurzen grauen Haaren sitzt vor einem älteren Monitor.
Seit 1983 erleichtert das CAD-Modul die Arbeit der Werkzeugkonstrukteure. (Bild: Hasco)

Welches ist die aufwendigste Normalie im Sortiment?
Ehrlich: In unserem Sortiment gibt es einige Normalien, die besonders aufwendig in der Herstellung sind. Dazu zählen zum Beispiel Zweistufenauswerfer oder Steilgewindespindeln. Diese Produkte erfordern nicht nur höchste Präzision, sondern auch spezielle Beschichtungen und unterschiedliche Härtegrade, um ihre Langlebigkeit und Funktionalität zu gewährleisten. Sie sind das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung und Entwicklung.

Was hat Hasco bewogen, 1974 in die Entwicklung von Heißkanaltechnik einzusteigen?
Ehrlich: Die Entscheidung, in die Heißkanaltechnik einzusteigen, war eine logische Weiterentwicklung unserer Philosophie der Standardisierung und Prozessoptimierung. In den 1970er-Jahren gewann die Heißkanaltechnologie an Bedeutung, da sie effizientere und materialschonendere Produktionsprozesse ermöglichte. Heißkanäle halten den Kunststoff flüssig und reduzieren den Ausschuss, der durch Angüsse entsteht. Rolf Hasenclever erkannte früh, dass die Industrie eine Lösung benötigte, die nicht nur technologisch fortschrittlich, sondern auch standardisierbar war. Mit unserem Einstieg in dieses Segment haben wir es geschafft, unsere Expertise aus dem Normalienbereich auch in der Heißkanaltechnik zu etablieren.

Zeichnung: Dieser Klinkenzug wurde 1977 zum Patent angemeldet.
Dieser Klinkenzug wurde 1977 zum Patent angemeldet. (Bild: Hasco)

Wie hat sich der Geschäftsbereich Heißkanal in den letzten 50 Jahren entwickelt?
Ehrlich: Die Heißkanaltechnik hat sich zu einem eigenständigen Bereich entwickelt, der individuelle Lösungen für unterschiedlichste Anwendungen bietet. Während Normalien standardisiert sind, erfordert die Heißkanaltechnik oft projektbezogene Ansätze. Diese Ergänzung zeigt, wie vielseitig die Anforderungen in unserer Branche geworden sind. Trotz dieser Unterschiede arbeiten beide Bereiche eng zusammen, was eine nahtlose Kundenbetreuung ermöglicht.

Weshalb werden die Heißkanäle ausschließlich in Österreich hergestellt?
Ehrlich: Die Entscheidung, die Produktion der Heißkanäle in Österreich zu konzentrieren, hat sowohl praktische als auch strategische Gründe. Österreich bietet eine starke industrielle Infrastruktur und eine lange Tradition im Bereich der Fertigungstechnik. Zudem ermöglicht uns die geografische Nähe zu unseren Entwicklungs- und Produktionsteams, hohe Qualitätsstandards einzuhalten und flexibel auf neue Anforderungen zu  reagieren. Diese Kombination macht Österreich zum idealen Standort für diesen Bereich.

2007 wurde die Berndorf AG Mehrheitseigner und Sie übernahmen die Geschäftsführung. Welche Veränderungen ergaben sich dadurch für das Unternehmen?
Ehrlich: Der Übergang von einem familiengeführten Unternehmen zu einem mehrheitlich von der Berndorf AG getragenen Unternehmen war ein bedeutender Schritt. Es war ein Moment des Neuanfangs, in dem wir die Gelegenheit hatten, strategisch und organisatorisch neue Akzente zu setzen. Ein zentraler Punkt war die Fokussierung auf unser Kerngeschäft: die Unterstützung von Werkzeugbauern, Spritzgießern und Konstrukteuren. Gleichzeitig haben wir die Unternehmenskultur modernisiert, indem wir mehr Eigenverantwortung und Teamarbeit gefördert haben. Hasco ist heute ein Unternehmen, das auf Vertrauen und Zusammenarbeit setzt – sowohl intern als auch in der Beziehung zu unseren Kunden. Wir müssen vital bleiben und uns immer wieder neu erfinden.

Was ist für Sie persönlich die wichtigste Entwicklung des Unternehmens?
Ehrlich: Für mich liegt die wichtigste Entwicklung in der Art und Weise, wie wir als Team zusammenarbeiten. Ein Unternehmen ist mehr als seine Produkte – es ist ein Ort, an dem Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Perspektiven zusammenkommen, um gemeinsam etwas zu schaffen. Diese Zusammenarbeit ist das Fundament unseres Erfolgs. Wenn wir es schaffen, dass unsere Mitarbeiter eine positive Verbindung zu ihrer Arbeit und zu Hasco haben, dann haben wir viel erreicht. Das ist es, was mich antreibt und was ich als unser wichtigstes Kapital sehe.

Agilität ist neben Innovation, Einfachheit und Leistung einer Ihrer Unternehmenswerte. Weshalb hat die Agilität bei Hasco einen so hohen Stellenwert?
Ehrlich: Agilität ist für uns zentral, weil sie aus Kundensicht oft das entscheidende Kriterium darstellt. Unsere Kunden erwarten nicht nur hochwertige Produkte, sondern auch schnelle und zuverlässige Lieferungen, innerhalb von 24 oder 48 Stunden, sowie Flexibilität bei individuellen Anforderungen. Diese Agilität bedeutet für uns, dass wir nicht nur extern, sondern auch intern schnell und effizient agieren müssen. Sei es in der Kommunikation, der Entscheidungsfindung oder den Produktionsprozessen – wir müssen in der Lage sein, flexibel und reaktionsschnell zu sein, um den Anforderungen des Marktes gerecht zu werden.

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Hasco begann 1937 mit der Ausbildung von jungen Menschen in der eigenen Lehrwerkstatt, die 1981 modernisiert und erweitert wurde. Wie viele Personen bilden Sie derzeit aus, und welche Berufe decken Sie ab?
Ehrlich: Derzeit bilden wir insgesamt zwölf Auszubildende an unseren Standorten aus. Dabei decken wir sowohl technische als auch kaufmännische Berufe ab. Die genaue Verteilung variiert je nach Jahrgang und den spezifischen Anforderungen des Unternehmens. Die Ausbildung junger Menschen hat bei uns einen hohen Stellenwert, denn sie sichert nicht nur den Wissenstransfer, sondern bereichert auch unsere Unternehmenskultur. Frischer Wind und neue Perspektiven sind essenziell, um als Unternehmen innovativ und zukunftsorientiert zu handeln.

Kommen die Ideen für neue Produkte aus dem Markt oder werden diese hauptsächlich intern generiert?
Ehrlich: Es ist ein Zusammenspiel aus beidem. Wir beobachten die Anforderungen des Marktes sehr genau und nehmen die Anregungen unserer Kunden ernst. Viele Innovationen entstehen aber auch durch unsere eigenen Teams, die aktiv nach Verbesserungen suchen oder neue Konzepte entwickeln. Der Austausch mit unseren Kunden ist dabei ein entscheidender Faktor, denn er gibt uns wertvolle Einblicke in die Praxis. Am Ende profitieren beide Seiten von dieser engen Zusammenarbeit.

Ein Klinkenzug aus  dem aktuellen  Normalienkatalog.
Klinkenzug aus dem aktuellen Normalienkatalog. (Bild: Hasco)

Wie wird sich aus Ihrer Sicht die Werkzeugkonstruktion unter dem Einfluss der Künstlichen Intelligenz in den kommenden Jahren verändern?
Ehrlich: Die Werkzeugkonstruktion wird durch Künstliche Intelligenz (KI) deutlich effizienter werden. Aktuell sehen wir erste Ansätze, etwa bei der Automatisierung von Konstruktionsprozessen oder dem Optimieren von Produktionsabläufen. Künftig werden selbstlernende Algorithmen eine größere Rolle spielen. Sie könnten beispielsweise dabei helfen, Konstruktionen schneller zu validieren, bessere Materialeinsätze zu bestimmen oder Wartungszyklen präziser zu planen. KI wird die Rolle des Menschen nicht ersetzen, aber sie wird ein wertvolles Werkzeug sein, um komplexe Aufgaben zu vereinfachen und Innovationen zu beschleunigen.

Im Jubiläumsjahr 2024 wurde viel zurückgeblickt. Wenn Sie nach vorne schauen: Was werden in den nächsten 10 bis 20 Jahren die prägenden Themen bei Hasco sein?
Ehrlich: In den nächsten Jahrzehnten wird die Digitalisierung unsere Prozesse und Produkte noch stärker prägen. Effizienzsteigerung, Automatisierung und der Ausbau digitaler Plattformen werden entscheidend sein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Gleichzeitig setzen wir auf Innovation – sowohl bei Produkten als auch in unseren Abläufen. Ein weiterer Schwerpunkt wird die Nachhaltigkeit sein. Wir müssen Lösungen finden, die ökologische und wirtschaftliche Anforderungen gleichermaßen erfüllen. Unser Ziel ist es, diese Themen strategisch zu kombinieren und so den Kunststoffverarbeitern weiterhin bestmögliche Unterstützung zu bieten.

Quelle: Hasco

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