Teppichoberflächen für Kofferraumbauteile, foliendekorierte Lehnenabdeckungen, Alcantaraeinleger für A-, B- oder C-Säulen, Organobleche für Strukturleichtbauteile oder ganz andere dekorierte Interieur- und Exterieur-Teile – mit der ins Spritzgusswerkzeug integrierten In-Mould-Wrapping-Technologie lässt sich all das in einem Schritt herstellen. Und das heißt: ein einziges Werkzeug für ein fertiges Bauteil. „Vorausdenken gehört für uns einfach mit dazu“, sagt Christian Götze, Leiter Vertrieb und Innovation bei GK Tool. „Was uns antreibt, ist die Frage nach Effizienz: Wenn beim Spritzgießen Lösungen integriert und so Fertigungs-zeiten verkürzt werden können, bin ich glücklich.“
Das Tüfteln an neuen Technologien steht in dem 55-Mann-Unternehmen deshalb an der Tagesordnung. Werkzeuglösungen wie In Mould Wrapping (IMW), In Mould Cutting (IMC), In Mould Graining (IMG) oder In Mould Thermoforming (IMT) machen einen festen Bestandteil des Portfolios aus.
Gegründet wurde der Georg Kaufmann Formenbau – kurz GK Tool – 1972 in Busslingen im Kanton Aargau in der Schweiz. Heute ist das Unternehmen spezialisiert auf die Fertigung von Spritzgusswerkzeugen von 3 bis 20 t für die Automobilindustrie. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Entwicklung von Technologien, die alle Prozessschritte bei Bauteilen mit zu hinterspritzenden biegeschlaffen Einlegern als One-Step-Lösungen direkt ins Werkzeug verlagern.
So werden Waschmaschinen-Blenden folienhinterspritzt
Wie Textilhinterspritzen, Umbugen und Beschnitt in einem Schritt erfolgen
Die Werkzeugtechnologie des Hinterspritzens wurde bereits Ende der 1980er-Jahre vom Unternehmen entwickelt. Hierbei wurde erstmals der bis dato gesonderte Prozessschritt des Folierens beziehungsweise des Kaschierens direkt ins Werkzeug integriert, sodass die Oberflächen von Kunststoffteilen bereits während des Spritzgießprozesses dekoriert werden können. Die Materialien sind dabei vielseitig und mittlerweile bestens erprobt. Von PVC-Folien, TPO-Schaumfolien, Textilien, Kunstleder, Teppichen, Faserverbundstoffen bis hin zu Naturfasern ist alles möglich. Ein besonderer Vorteil: Die Verbundbauteile sind über den Spritzgussprozess per se stabil und wiederholgenau gefügt. Das Verwenden von Klebstoffen kann also komplett entfallen.
„Den Prozess dann noch weiter zu optimieren war eine naheliegende Folgeentwicklung“, so Götze. In Mould Cutting vereinfacht das Herstellen textilhinterspritzter Bauteile, indem der Konturbeschnitt direkt im Werkzeug stattfindet, und per In Mould Wrapping lässt sich hier sogar zusätzlich der Umbug des Dekors umsetzen. Rund 2.000 Hinterspritzwerkzeuge des Werkzeugbauers sind weltweit im Einsatz, über 20 davon enthalten inzwischen die Beschnitt- und Umbugtechnologien, die die Schweizer Werkzeughersteller seit einigen Jahren vertreiben. 2018 kam das erste derart hergestellte Bauteil auf den Markt, eine Lehnenabdeckung für den Fahrer- und Beifahrersitz des Audi A6. Ein Jahr später wurde die Technologie erstmals öffentlich auf der K 2019 in Düsseldorf präsentiert, wobei ein A-Säulen-Demonstrator mit integriertem Umbug gezeigt wurde. Inzwischen sind die Fachkenntnisse weiter gewachsen und eine Vielfalt an Geometrien und Dimensionen bei textil- und folienhinterspritzten Bauteilen einschließlich Umbug und Beschnitt sind umsetzbar.
Wann die Prozessintegration interessant ist
„Durch diese Prozessintegration ergibt sich eine Vielfalt von Vorteilen“, erklärt Christian Götze. Neue Einbau-situationen werden möglich, beispielsweise können die Stirnseiten des gespritzten Teils kaschiert werden – übri-gens auch mit Narbung – und so „Trauerkanten“, bei denen der Kunststoffträger unter der Folie hervorblitzt, nicht mehr entstehen. „Uns ist aber auch klar, dass längere Verweildauern auf der Spritzgießmaschine zu vermeiden sind“, sagt der Maschinenbauingenieur. „Für unsere Kunden ist Zykluszeit gleich Cash! Bei uns entstehen aber keine wesentlichen Verzögerungen durch die Einbeziehung von Beschnitt und Umbug in den herkömmlichen Spritzgussprozess.“ Eine A-Säule mit einem entsprechenden Werkzeug des Schweizer Herstellers lässt sich beispielsweise in weniger als 60 s fertigen, erklärt Götze stolz. Auch eine Integration in 1+1- oder in Familienwerkzeuge ist gut möglich.
Vielseitige Spritzgießtechnologie für neues Technikum
Doch die Vorzüge der Technologie reichen über diese Aspekte weit hinaus: Indem verschiedene Prozesse in einem Werkzeug parallelisiert werden, steigt die Effizienz in der Fertigung. „Durch In Mould Wrapping kann in der Serienproduktion schnell eine Kostenreduktion von über 1.500.000 Euro pro Bauteil gegenüber herkömmlichen Verfahren erreicht werden, da zusätzliche nachträgliche Arbeitsschritte entfallen“, berichtet Götze von seinen Projekterfahrungen. Die Logistik wird entlastet, das Anschaffen von Umbug- oder Beschnittanlagen entfällt und die Standfläche der Gesamtanlage verkleinert sich. Zudem reduziere die erhöhte Prozesssicherheit einer One-Step-Lösung den Ausschuss, was die Kosten weiter entlastet und eine genauere Planbarkeit des Produktionssystems mit sich bringt.
Dabei ist der Wartungsaufwand der All-in-one-Werkzeuge vergleichbar mit herkömmlichen Verfahren: „Wir haben nur robuste Elemente verbaut, es fährt im Werkzeug weder ein Laser noch ein Rollmesser mit. Wir setzen hier auf ganz klassische Werkzeugtechnologien“, so Götze. Die müsse man allerdings gezielt sowie mit Bedacht und Erfahrung zum Einsatz bringen. Daher stellt auch die Inbetriebnahme weder für die Werkzeugmacher noch für die Teilefertiger eine Hürde dar: „Rein auf das Werkzeug bezogen ist die Abmusterung natürlich aufwendiger – dafür entfallen aber zusätzliche Abnahmen für die Umbug- und Beschnittwerkzeuge“, erläutert Götze. „Und sollte tatsächlich einmal etwas geändert werden müssen, haben unsere Kunden den Vorteil, dass man nur an einer Stelle Hand anlegen muss und nicht an drei Werkzeugen.“
Welche gestalterischen Möglichkeiten umsetzbar sind
Der Vergleich von Bauteilen, die per In-Mould-Wrapping-Verfahren gefertigt wurden mit herkömmlich hergestellten zeigt, dass der Umbug deutlich kürzer ist. „Im klassischen Prozess wird eine Länge von etwa 10 bis 12 mm benötigt, um das Textil beziehungsweise die Folie auf der Rückseite zu halten“, führt Götze aus. „Beim In Mould Wrapping ist dieses Maß aber nicht nötig, wir können ganz einfach kürzen – auch konturnah nur die Stirnkante eines Bauteils belegen. Dadurch ergibt sich mehr Bauraum auf der Rückseite.“ Vor allem für gekrümmte Bauteile eröffneten sich so neue gestalterische Möglichkeiten, da bei der Beschnitt- und Umbugintegration ins Werkzeug der Prozess vollkommen ohne das Festschweißen von Textilüberhängen abläuft. Auf die „üblichen“ Schweißrippen auf der Rückseite des Bauteils, die nachträglich zum Befestigen des Textils erhitzt und verflüssigt werden müssen, kann verzichtet werden – es entsteht eine homogene Auflagefläche. „Dabei entfallen auch einige potenzielle Fehlerquellen: Dass vorstehende Ecken entstehen, weil eine solche Schweißrippe vielleicht mal nicht ganz aufschmilzt, kann beim In Mould Wrapping also gar nicht mehr vorkommen“, erklärt Götze. Ebenso ergibt sich durch den homogenen Übergang auch ein konstantes Spaltmaß, was die spätere Montage der Teile vereinfacht.
Warum erste Erfahrungen hilfreich sind
Kunststoffverarbeiter, die bereits Erfahrung beim Textilhinterspritzen besitzen und Prozesse reduzieren und damit Kosten einsparen möchten, finden hier die passenden Werkzeuge. Versuchswerkzeuge zum Testen der richtigen Geometrien und des Verhaltens der verschiedenen Textilien und Dekore stellt der Werkzeugbauer nach eingehender Beratung zur Verfügung. Aber auch für Unternehmen, die auf diesem Feld bisher keine Erfahrung haben, sind diese Spritzgusswerkzeuge mit integrierten Prozesslösungen ein guter Einstieg in das Fertigen folien- oder textilbeschichteter Bauteile, da kein zusätzliches Know-how für Umbug und Beschnitt erworben werden muss. Also eigentlich alles ganz einfach.
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Georg Kaufmann AG Formen- und Modellbau
Industrie im Rugghölzli
5453 Busslingen
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