Die additive Fertigung mittels 3D-Druck eignet sich als Ergänzungstechnologie für das Herstellen individueller Greifer oder Werkzeugaufnahmen. Hilfsmittel wie diese End-of-Arm-Tools lassen sich im 3D-Druck deutlich günstiger, schneller und flexibler herstellen als mit den bislang üblicherweise genutzten Verfahren, etwa das CNC-Fräsen. Technisch voll funktionsfähige Bauteile erfordern oft faserverstärkte Hochleistungspolymere, die unter konstanter Temperatur in einem über mehrere Stunden andauernden Druckprozess hergestellt werden. Industrielle 3D-Drucker wie der TIQ2 von Innovatiq sind auf diese Anforderungen zugeschnitten. Sie bieten eine hohe Materialfreiheit und sind technisch so konstruiert, dass sie diese Materialien zu hochwertigen und leistungsfähigen Endprodukten verarbeiten.
Wie sehr die unterschiedlichen Polymere die Qualität des Endergebnisses beeinflussen, lässt sich am Beispiel der Entwicklung eines luftdichten, u-förmigen Sauggreifers für einen Roboterarm darstellen. Der Greifer dient zur Aufnahme von Werkstücken mittels Vakuumtechnik an der Unterseite, wobei die maximale Last 2,7 kg betragen sollte. Pneumatische Sauggreifer stellen im 3D-Druck hohe Anforderungen an Materialauswahl und Design. Luftdichtigkeit muss dauerhaft gegeben sein. Im FLM-Verfahren, das in Schichten arbeitet, keine leichte Aufgabe. Die Verbindung zwischen den einzelnen Schichten sind die Schwachpunkte. Dass es machbar ist, zeigt die Entwicklung eines pneumatischen Sauggreifers in U-Form, der die Werkstücke mit unten angebrachten Sauggreifern entnimmt. Die Tragkraft eines Sauggreifers im Dauerbetrieb wird von verschiedenen Kriterien bestimmt. Am Ende der Entwicklung stand ein Greifer, der mit einem Gewicht von 1,9 kg eine Haltekraft von 10 kg erreichte. Im Test überstand er eine Dauerbelastung über 5 h und 1.000 Entnahme- und Bestückungszyklen. Luftdichtigkeit war bis 8 bar gegeben.
Herausforderungen der Luftdichtigkeit im FLM-Verfahren
Wie wurden diese Werte erreicht? Maßgeblich ist die Luftdichtigkeit des Greifers. Neben dem Design tragen dazu die Auswahl des Kunststoffs und die Einstellungen des 3D-Druckers bei. Eine Version wurde mit schräg laufenden, eine andere mit vertikalen Pneumatik-Kanälen entworfen. Die komplexe Konstruktion, bedingt durch die Hinterschnitte im innen liegenden Luftkanal, erfordern einen Druck mit wasserlöslichem Stützmaterial. Getestet wurden ABS und PA-CF, ein kohlefaserverstärktes Polyamid. ABS ist der am meisten verwendete Werkstoff zur Herstellung von Kunststoffteilen. Es ist besonders widerstandsfähig gegen hohe Temperaturen und zeichnet sich durch eine hohe Steifigkeit, Schlag- und Kratzfestigkeit aus. Mit ABS lassen sich also sehr widerstandsfähige Teile herstellen. Auch PA-CF ist sehr widerstandsfähig und lässt sich einfacher drucken als ABS und gilt als das stärkste Filament im 3D-Druck.
Luftdichtigkeit lässt sich mit ABS besser erzeugen. Das Material ist deutlich weicher, weswegen es sich besser und dichter verarbeiten lässt. PA-CF ist durch die enthaltene Carbonfaser rau, die Linien sind deshalb nicht zu 100 % dicht. Die größte Stellschraube nach der Materialauswahl ist die Einstellung des Extrusion Multipliers. Sie bestimmt, wie viel Material der 3D-Drucker beim Drucken einer Linie verarbeitet. Die Standardein-stellung beim FLM-Druckprozess liegt normal bei 1,0. Durch Hochsetzen wird mehr Material aufgetragen und die Dichte erhöht sich. In PA-CF mit einer Extruder-Temperatur von 275 °C und einer sukzessiven Erhöhung der extrudierten Materialmenge erwies sich der Greifer als luftdicht. Oftmals wird TPU als Druckmaterial für diese Anforderungen empfohlen. Es hat sich im Test nicht bewährt, da das Formteil zu beweglich war.
Formstabilität als kritischer Faktor
3D-Druck hat den Ruf, eher was für die Kürze zu produzieren und nicht unbedingt dauerhaft einsatzfähig und robust. Aber genau diese Eigenschaften werden in der Industrie benötigt. Formstabilität ist deshalb ein wichtiger Punkt. Verformt sich das Bauteil, verliert sich die Positioniergenauigkeit – ohne Last wird ein anderer Punkt angefahren als mit Last. Der Greifer muss die Werkstücke richtig aufgreifen. Verbiegt er sich so, dass die Sauggreifer keinen Kontakt haben, wird kein Vakuum erzeugt. Mit der ersten, instabilen Version aus ABS hat sich der Greifer noch um 5 mm verbogen, während er sich durch eine Weiterentwicklung, der Verwendung von PA-CF sowie besseren Druckeinstellungen nur 0,8 mm verbog. Diese Biegung ergab sich aus einem Biegeversuch, der weit entfernt vom Roboterflansch eine Last anlegt. Vier große Sauggreifer haben sich im Vergleich zu sechs kleineren als bessere Alternative erwiesen. Größere Saugknöpfe haben mehr Leistung und einen größeren Faltbalg aus flexiblem Silikon. Ein größerer Faltbalg kompensiert Unebenheiten und saugt sich fest und bündig an. Bei kleinen Saugknöpfen ist dieser Effekt deutlich kleiner. Das Werkstück hält deutlich schlechter.
Wo liegen die Vorteile des 3D-Drucks?
Was spricht generell für einen 3D-gedruckten Sauggreifer? Die meisten der Werkstückaufnahmen sind heute immer noch aus Aluminium gefräst oder als Baugruppe zusammengefügt. Ein Argument ist die hohe Tragkraft im Verhältnis zum geringen Eigengewicht. 3D-gedruckte Kunststoffgreifer sind deutlich leichter. So wiegen zwei vergleichbare Greifer in Alu 4 kg und in 3D-Druck 800 g. In Stahl liegt das gleiche Teil bei 12 kg. Es gibt zwar auch andere Fertigungsverfahren wie den Spritzguss. Da Greifer meist nur in kleinen Stückzahlen (bis zu zehn) hergestellt werden, ist dieses Verfahren ungeeignet. Für derart kleine Stückzahlen eignet sich 3D-Druck am besten. Den Preis eines Roboterarms spezifiziert die Tragkraft. Wenn ein Roboter mehr tragen soll, ist er deutlich größer und teurer. Mit 3D-gedruckten Greifern benötigt man eine geringere Tragkraft, man kann also einen günstigeren Roboter kaufen. Ein weiterer Punkt sind die Herstellungskosten des Greifers. Das Thema Produktionsschnelligkeit im 3D-Druck zeigt sich in der Lieferzeit. Optimiert und selbst gedruckt, steht der Greifer trotz seiner Größe von 300 x 350 x 70 mm in vier Tagen zum Einsatz bereit – von der ersten Zeichnung bis zum fertigen Teil. Gefräst dauert das Vergleichsstück 22 Tage. In Konsequenz lagen die Kosten bei den Testobjekten zwischen 550 und 750 Euro im 3D-Druck FLM-Verfahren, verglichen mit 2.000 Euro als herkömmlich hergestelltes CNC-gefrästes Teil.
Allerdings erfordert es ein Umdenken in der Konstruktion. Der 3D-Druck ist sehr flexibel, was die Fertigungsgerechtigkeit angeht. Nachdem der Greifer für den Dauerbetrieb ausgelegt ist, wurde er erfolgreich auf über 1.000 Zyklen getestet. Statt der anvisierten 2,7 kg Traglast wurden durch die Verwendung von T-förmigen Venturi-Düsen aus Kunststoff als Vakuumerzeuger eine Tragkraft von bis zu 25 kg erreicht. Schwenken, Schütten und Ähnliches konnte die Platte nicht lösen. Das Werkstück wurde testweise länger als zwei Minuten angesogen und gehalten. Für die Kunststoff-Düse sprach das geringere Gewicht und das höhere Vakuum, verglichen mit metallenen Venturi-Düsen in T-Form. Das starke Filament lässt den Greifer kaum elastisch durchbiegen und zeigt auch nach Dauertests bewiesenermaßen keine Schwächen. Im Praxiseinsatz hält der Greifer selbst bei schnellen Bewegungen und Beschleunigungen eines Roboters mit einer Reichweite von 1,6 m sein Werkstück positionsgenau. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass das 3D-gedruckte Teil herkömmlich hergestellten ebenbürtig, wenn nicht sogar aufgrund des niedrigeren Gewichts, dem günstigeren Preis und der schnelleren Verfügbarkeit überlegen ist.
Halle/Stand A3/3101
Quelle: Innovatiq
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