Nachhaltigkeitskreislauf

Kunststoffe als Regranulat oder Mahlgut werden beim Spritzgießen zu neuen Produkten verarbeitet. (Bild: Engel)

Portraitfoto Martin Weger
Martin Weger (Bild: Redaktion)

Herr Weger, das nachhaltige Verhalten von Unternehmen wird immer wichtiger. Engel wurde kürzlich mit Ecovadis Gold ausgezeichnet. Welche Ihrer Maßnahmen war entscheidend für die Auszeichnung?

Martin Weger: Hinter einer Ecovadis-Auszeichnung steckt immer ein Bündel von Maßnahmen. Ecovadis baut auf dem ESG-Ansatz Umwelt, Soziales, verantwortungsvolle Unternehmensführung auf. Unsere größte Stärke als Engel ist derzeit sicherlich der Umweltbereich, denn wir gehören hier zu den Top 1 % der bei Ecovadis gelisteten Unternehmen. Wir haben in den vergangenen beiden Jahren geschaut, was waren die wesentlichen Themen für unsere Nachhaltigkeit, haben eine Stakeholder Analyse durchgeführt und darauf eine Strategie aufgesetzt. Weiterhin haben wir uns überlegt, wie kann dies von der Struktur her im Unternehmen aussehen, und ich glaube, das ist entsprechend honoriert worden. Außerdem haben wir einen Corporate Carbon Footprint, in dem Scope 1, 2 und 3 vollumfänglich berücksichtigt sind.

Fließen in das Rating auch zukünftige Schritte ein?

Weger: Bei Ecovadis gilt der Grundsatz, Stillstand ist Rückschritt. Bewertet werden die drei Dimensionen Unternehmenspolitik, Maßnahmen und Ergebnis. Wenn Sie zum Beispiel für die Zukunft keine Maßnahmen haben, dann fallen Sie deutlich ab. Der Fokus liegt sehr stark auf der kontinuierlichen Verbesserung des Unternehmens.

Was sind die nächsten Ziele, um Platin zu erreichen?

Weger: Da wir einen gesamtheitlichen Ansatz verfolgen, haben wir in allen Dimensionen unterschiedliche Maßnahmen zu treffen. Beim Thema Nachhaltigkeit ist die interne und die externe Sicht wichtig. Wir beschäftigen uns intern sehr stark mit dem Thema Dekarbonisierung. Das heißt, wie können wir unsere Standorte CO2-neutral oder CO2-neutraler gestalten? Wir haben hier zahlreiche Hebel, das heißt, ermöglichen beispielsweise nachhaltig zu fertigen, mehr Rezyklat prozessstabil zu verarbeiten, weniger Ausschuss zu produzieren, energieeffizientere Maschinen einzusetzen. Ohne Energie ist keine Kunststoffverarbeitung möglich, auch keine Dünnwandverpackungen oder Verbunde mit Rezyklatken. Ein weiterer Fokus liegt auf den Mitarbeitern: Mitarbeitermobilität, Employer Branding, Mitarbeiterrekrutierung, Aus- und Weiterbildung und ganz wichtig – Mitarbeiter halten.
Beim Thema Governance geht es um Compliance und Gesetzesanforderungen, die uns sehr beschäftigen: das Thema CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) der Europäischen Union, die Taxonomie-Verordnung, das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz. Bei der nachhaltigen Beschaffung stehen wir noch ziemlich am Anfang. Wie können wir unsere Lieferketten nachhaltig managen? Denn erst dann können wir auch Verantwortung dafür übernehmen, was unsere Lieferanten tun.

Portraitfoto Alexander Hell
Alexander Hell (Bild: Redaktion)

Sie haben in verschiedenen Regionen der Welt Werke. Sind Ihre Aktivitäten überall gleich?

Weger: Ja, grundsätzlich sind wir von der Zielrichtung überall gleich unterwegs, das heißt, wir folgen dem gleichen Ziel. Aber natürlich muss man schon sagen, dass es lokale Gegebenheiten gibt. In Europa können Sie sich Ihren Strommix zu einem guten Teil am Beschaffungsmarkt aussuchen und Grünstrom kaufen. Das geht so in China beispielsweise nicht, denn dort gibt es Strommonopolisten, sodass sie Strom bekommen oder eben nicht. Das heißt, die Strategien müssen andere sein, aber das Grundziel Dekarbonisierung ist das Gleiche.

In Europa installieren Unternehmen Photovoltaikanlagen oder errichten ein eigenes Windrad. Wäre dies in China möglich, um zumindest die Grundlast zu sichern?

Weger: Auf unserem chinesischen Werk ist noch keine Photovoltaikanlage installiert, sie ist jedoch in Planung beziehungsweise der Beschaffung. Wir haben dort derzeit Geothermie im Einsatz. In China können sie auf dem eigenen Grundstück ihren Grundstrom erzeugen. Ein Windrad dezentral aufzustellen, wird jedoch nicht möglich sein, denn dafür ist der chinesische Strommarkt zu stark reguliert.

Wie entscheidend ist Ihr nachhaltiges Handeln als Maschinenbauer für die Kaufentscheidung der Kunststoffverarbeiter?

Alexander Hell: Mehr entscheidend werdend. Also man merkt schon einen gewissen Trend. Die Zahl der Kunden, die in ihre Anfrage eine Ecovadis Mindestpunktanzahl aufgenommen haben, nimmt zu. Wobei diese Punktzahl momentan noch kein Hard Fact auf einer Stufe mit dem Preis ist. Sie fließt jedoch immer stärker in die Kaufentscheidung ein. Die Kunststoffverarbeiter bereiten sich darauf vor, denn sie müssen nachhaltiges Wirtschaften nachweisen, um Zugang zu guten Finanzierungen zu bekommen und um Regularien zu erfüllen. Dementsprechend müssen sie Sorge tragen, dass die Lieferkette nachhaltig aufgestellt ist.

Ist auch beim Thema Nachhaltigkeit die Automobilindustrie der Treiber?

Hell: Meiner Meinung nach kommt der Haupttrend aus der Automotive-Branche und hier hauptsächlich aus Frankreich und Deutschland, weil dort entsprechende nationale Gesetzgebungen vorliegen. Es gibt aber auch zum Beispiel Consumer Goods-Hersteller, die sehr stark im öffentlichen Fokus stehen, weil sie Produkte für Kinder herstellen oder der Markt ein nachhaltiges Auftreten erwartet und sie deshalb ihre Ziele hochstecken.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Wir haben jetzt über Europa gesprochen. Welchen Stellenwert hat das Ziel CO2-Neutralität am chinesischen Markt?

Weger: China hat sich als Ziel für die CO2-Neutralität das Jahr 2060 gesetzt, also 10 Jahre später als Europa. Wenn jedoch ein europäischer OEM sagt, er möchte CO2-neutral agieren, dann setzt sich dies über die Tier 1 und 2 bis nach China fort, sodass auch dort nachhaltig produziert werden muss. Es gibt zwischenzeitlich erste Interessensbekundungen von chinesischen Unternehmen, die stark an die europäische Autoindustrie gekoppelt sind.

Eine immer wichtiger werdende Kenngröße für Produkte ist deren Product Carbon Footprint (PCF). An diesem hat auch eine Spritzgießmaschine ihren Anteil. Können Sie diesen dem Kunststoffverarbeiter bei Auslieferung der Maschine nennen?

Weger: Ja, die Maschine trägt zur Lebenszyklusanalyse eines Produktes bei. Jedoch entfällt der größte Anteil wie bei allen Maschinen auf den Stromverbrauch im Betrieb. Dennoch ist es wichtig, den PCF der Maschine zu kennen. Wir haben zum einen den gesamtunternehmerischen Fußabdruck nach ISO 14064-3 validieren lassen und zum anderen intern über verschiedene Kennwerte und einen betriebswirtschaftlichen Faktor, den Fußabdruck unserer Maschinen bestimmt.

Hell: Wir arbeiten aktuell mit externen Spezialisten am Erstellen des PCF, der bei einer kundenspezifischen Spritzgießmaschine aufgrund der Teilevielzahl sehr komplex ist. Wir wollen einen Ansatz finden, der es ermöglicht, mit einem Berechnungsmodell, das die Hauptbaugruppen der Spritzgussmaschine abbildet, auf die spezifische Maschine hochzuskalieren, und zwar so, dass der Wert einen hohen Grad an Genauigkeit besitzt. Das ist sehr komplex. Das finale Ziel ist ein Peer-Review von unabhängigen Stellen, um diesen Wert abzusichern.

Könnten Sie aus eigener Kraft eine nachhaltige Maschine herstellen oder ist es wie bei der Kreislaufwirtschaft, dass alle Mitglieder der Wertschöpfungskette an einem Strang ziehen müssen?

Weger: Nachhaltigkeit heißt hochgradige Vernetzung, als Einzelkämpfer funktioniert sie nicht. Wir brauchen die Lieferanten ebenso wie die Kunden dazu, jeder hat daran seinen Beitrag zu leisten.

Zertifizierungen werden immer wichtiger, denn darüber wird letztendlich das nachhaltige Wirtschaften nachgewiesen. Was hat sich dadurch denn für Engel verändert?

Weger: Als Familienunternehmen sind wir schon immer in Richtung Nachhaltigkeit und nicht Quartalsergebnis orientiert, denn der Eigentümer möchte das Unternehmen solide an die nachfolgende Generation übergeben. Entscheidungszyklen sind längerfristig ausgelegt, und deshalb war keine grundsätzliche Veränderung in der Denkweise notwendig. Es wurde und wird in Personal investiert, um unser Handeln und das geplante Tun transparent darzustellen, damit es für einen externen Prüfer gut nachvollziehbar ist. Hierfür werden neue Strukturen und Prozesse notwendig, um das Handeln durch einen standardisierten Nachweis aufzuzeigen.

Hell: Ich glaube, dass derzeit gerade die Unternehmen profitieren, die schon seit vielen Jahren wirklich sehr faktenbasiert diese Themen angehen. Es hilft, dass es nun einen Standard gibt, sodass gewisse Aspekte nicht mehr unter den Tisch gekehrt werden können. Mit der geschaffenen Basis können wir faktenbasiert argumentieren und die Potenziale gut ausschöpfen.

Sind neue Verordnungen wie die EU-Taxonomie Treiber für Ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten?

Weger: Ja, und wir müssen als Investitionsgüterhersteller das Thema EU-Taxonomie von zwei Seiten beleuchten. Zum einen was sind taxonomiekonforme Tätigkeiten der Firma Engel. Hier liegt der Schwerpunkt ganz klar auf der Dekarbonisierung, indem wir weltweit die Grünstromerzeugung ausbauen. Zum anderen ertüchtigen wir als Industriegüterhersteller unsere Kunden, die Aspekte Kreislaufwirtschaft und Energieeffizienz zu erfüllen, um so weiterhin Investitionen finanziert zu bekommen. Durch die Taxonomie-Verordnung werden künftig die Zahlungs- und die Finanzierungsströme maßgeblich gelenkt werden.

Wie könnte sich aus Ihrer Sicht die EU-Taxonomie für die Kunststoffindustrie im Allgemeinen auswirken?

Weger: Klimaschutz und Energieeffizienz sind Themen, die uns in der Kunststoffindustrie weiterhin beschäftigen werden. Eine Dekarbonisierung wird jedoch ohne Kunststoff nicht gehen. Wenn Sie heute im Auto alle Kunststoff- durch Metallteile ersetzen würden, dann würden die CO2-Emissionen steigen. Stichworte hierzu: Substitution von energieintensiven Bauteilen und Gewichtsreduktion. Die Kunststoffindustrie muss es schaffen, den Werk- oder besser Wertstoffkreislauf gut zu schließen, denn der Kunststoff ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung.

Wie gläsern werden Unternehmen durch das Erfüllen der immer neuen EU-Verordnungen?

Weger: Grundsätzlich ist das Schaffen eines EU-weit gültigen Standards zu begrüßen. Diese Faktenbasis sorgt für Überprüf- und Vergleichbarkeit sowie Rückschlüsse über Branchengrenzen hinweg, sodass Maßnahmen besser fokussiert werden können. Gleichzeitig sehen wir auch den damit verbundenen Risikoaufwand und Bürokratismus. Wenn die Basis gelegt ist, dann wird sich der Aufwand reduzieren. Auf unserer Homepage finden sie den ersten Nachhaltigkeitsbericht, den wir im Sommer 2022 veröffentlicht haben. Dieser wurde nach den internationalen Richtlinien zur Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten (Global Reporting Initiative, GRI) verfasst. Er ist sicherlich noch nicht perfekt, stellt allerdings eine gute Grundlage dar, um den Reporting-Anforderungen gerecht zu werden, die auf uns zukommen.

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