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Polymere Werkstoffe und lackierte Oberflächen werden heutzutage für zahlreiche technische Anwendungen untereinander oder auch mit artfremden Materialien als Hybridbauteile klebtechnisch gefügt [1]. Die Klebtechnik ermöglicht dabei eine flächige Krafteinleitung und -übertragung innerhalb des Klebverbundes und somit eine hohe statische und dynamische Belastbarkeit der gefügten Konstruktionen.

Jedoch weisen viele technische Polymeroberflächen oft fertigungsbedingte Verunreinigungen und vor allem eine niedrige Oberflächenenergie auf und erfordern daher eine geeignete Vorbehandlung zum Verbessern ihrer Klebbarkeit [2–4]. In diesem Zusammenhang werden je nach Anwendung unterschiedliche Vorbehandlungsverfahren, wie beispielsweise Schleifen, Strahlprozesse (inklusive Vakuumsaug-, CO2-Schneestrahlen) und wässrige oder lösemittelbasierte Prozesse, eingesetzt [3–8].

Obwohl diese Methoden störende Verunreinigungen sowie undefinierte Randschichten von der Substratoberfläche entfernen können, bewirken sie kaum eine chemische Oberflächenmodifizierung. Daher müssen bei vielen niederenergetischen (unpolaren) Polymeren sogenannte aktivierende Vorbehandlungsverfahren herangezogen werden, welche polare funktionelle Gruppen in der Oberfläche gezielt erzeugen, mit denen applizierte Klebstoffe eine bessere Benetzung und zum Teil reaktive Wechselwirkungen eingehen können [8]. Hierfür werden häufig umweltfreundliche, trockenchemische Verfahren wie Plasmaverfahren im Niederdruck(ND)- und Atmosphärendruck(AD)-Bereich eingesetzt [8–12]. Durch ihre Reinigungswirkung (Abtrag der Kontaminationen) bei gleichzeitigem Aktivieren der Fügeteiloberfläche können dabei die Benetzbarkeit und Klebbarkeit der ursprünglich unpolaren Polymere deutlich erhöht werden.

Die ND-Plasmaverfahren bieten den Vorteil einer homogenen, großflächigen Funktionalisierung von komplex geformten Bauteiloberflächen oder sogar Schüttgut im Batch-Prozess. Außerdem können ND-Plasmaentladungen mit niedrigen Prozesstemperaturen (typische Arbeitstemperatur: 30 °C bis 80 °C) betrieben werden, sodass auch temperatursensitive Polymerwerkstoffe mit derartigen Plasmen behandelt werden können. Die AD-Plasmatechniken eignen sich perfekt für eine lokale, inline-fähige Aktivierung von Bauteilen. Die im Vergleich zu den ND-Plasmen höheren Energieflüsse lassen sich dabei durch eine geeignete Wahl der Entladungsanregung und der Prozessparameter auf die Temperaturbeständigkeit der zu behandelnden Polymere gezielt anpassen [13].

Jedoch zeigen die mittels Plasmaverfahren erzielbaren Aktivierungseffekte oft eine begrenzte Langzeitstabilität (zum Beispiel [13–16]). Ein Grund dafür liegt im Umorientieren der Polymerketten mit den erzeugten funktionellen Gruppen [17] und/oder dem Anlagern von chemischen Verbindungen (Adsorbaten) aus der Luft an den plasmainduzierten hydrophilen Zentren [14]. In diesem Zusammenhang ist der potentielle Rückgang der Plasmaaktivierung nicht nur von der Offenzeit nach der Vorbehandlung, sondern vielmehr den Umgebungsbedingungen (Temperatur, Luftfeuchtigkeit) sowie der Polymerart (Vernetzungsgrad und Bewegungsfreiheit der Polymerketten) abhängig [18–20]. Als ein weiterer wichtiger Grund für mögliche Degradation der erzielten Plasmaaktivierungseffekte sind verschiedene Additive/Füllstoffe zu nennen, welche nach aktuellem Stand der Technik nahezu allen technischen Polymeren zugesetzt werden. Diese Substanzen können aus dem Bulkmaterial an die behandelte Oberfläche migrieren [18, 21] und ihre Benetzbarkeit und Klebbarkeit negativ beeinflussen [22]. Zudem sind die reaktiven Plasmaspezies, ihre Wechselwirkungsmechanismen mit dem Polymer oder Lack und folglich auch der Grad und die Stabilität der Oberflächenfunktionalisierung von der Art der verwendeten Plasmaquelle und der gewählten Behandlungsintensität abhängig [23, 24].

Materialien und Methoden

Abkürzung Basis Additivierung Klebstoff
PA6-GF30 Polyamid 6 30 % Glasfasern 2K-PU
PBT-GF30 Polybutylenterephthalat 30 % Glasfasern 1K-PU
PBT-GB30 Polybutylenterephthalat 30 % Glaskugeln 1K-PU
PP-GF30 Polypropylen 30 % Glasfasern 1K-PU
PP-TD40 Polypropylen 40 % Talkfüllstoff 1K-PU
Lack (I) hydroxylgruppenhaltiges Acrylharz Lichtschutz-, Verlaufsmittel Haftklebstoff
Lack (II) Haftklebstoff
Lack (III) Verlaufsmittel Haftklebstoff
Lack (IV) hochkratzfester Autolack Haftklebstoff

Tabelle 1: Werkstoffauswahl mit zugehörigem eingesetzten Klebstoffsystem. (Bildquelle: LWF)

Als Polymersubstrate wurden für eine branchenübergreifende Nutzbarkeit der Forschungsergebnisse unterschiedlich additivierte Polymer- und Klarlack-Systeme untersucht und unter Berücksichtigung von gängigen Anwendungsfällen mittels eines 1K- und 2K-Polyurethanklebstoffes sowie mittels zweier Haftklebebänder auf Acrylat-Basis zu Klebverbunden gefügt (Tabelle 1). Alle ausgewählten Substrate zeigen im unbehandelten Zustand eine schlechte Benetzbarkeit und Klebbarkeit.

Um die erzielbaren Aktivierungseffekte auf ihre Beständigkeit systematisch zu untersuchen, wurden die plasmabehandelten Polymersubstrate sowie die unbehandelten Referenzproben unter variierenden äußeren Einflussgrößen wie der Offenzeit ausgelagert und anschließend oberflächenanalytisch und klebtechnisch charakterisiert. Als Offenzeit wird die Dauer zwischen Plasmaaktivierung und Klebprozess definiert, in der das behandelte Substrat unterschiedlichen klimatischen Bedingungen (A: 23 °C, 50 % rel.F., B: 40 °C, 80 % rel.F.) ausgesetzt ist.

Zum oberflächenanalytischen Bewerten der Plasmaaktivierung wurden vornehmlich die aus den Kontaktwinkelmessungen ermittelten Oberflächenenergiewerte sowie deren polarer Anteil betrachtet. Zur quantitativen Charakterisierung der Klebverbunde mit pastösem Klebstoff wurden Rollenschälversuche in Anlehnung an DIN EN 1464 [25] und zur Adhäsionsbewertung der Klebebänder auf den gewählten Klarlacksystemen 90°-Schälversuche nach DIN EN 1939 [26] durchgeführt. Mittels der in den Normen beschriebenen Verfahren lässt sich der Schälwiderstand als Mittelwert der aufgezeichneten Schälkraft bestimmen, welche zur Trennung zweier geklebter Fügeteile erforderlich ist.

Untersuchungsergebnisse

Bild1

Mittlere Schälfestigkeiten (DIN EN 1939) der Klebebänder für Lacksystem (I) in unbehandeltem Referenzzustand sowie bei Variation der AD-Plasmabehandlungsintensität in Korrelation zu Oberflächenenergie und Polarität. (Bildquelle: IFAM)

Zur Prozessparameterfindung für die Hauptversuche wurde die Plasmabehandlungsintensität zunächst über die Auswahl der maßgebenden prozesstechnischen Parameter in einem breiten Fenster systematisch variiert und hinsichtlich des Einflusses auf die Aktivierungseffekte anlagen- und werkstoffabhängig evaluiert. Dabei wurden im AD-Bereich der Abstand zwischen dem Plasmadüsenaustritt und der Substratoberfläche, die Prozessgeschwindigkeit sowie die Anzahl der Prozesszyklen differiert. Im ND-Bereich wurden schwerpunktmäßig Versuche zum Einfluss der Plasmaleistung und der Prozesszeit vorgenommen. Zur Bewertung wurde die Änderung der Oberflächenenergie (Polarität) der Substrate direkt nach der Vorbehandlung ermittelt und anschließend mit dem Ergebnis der klebtechnischen Prüfungen korreliert.

Bild2

Mittlere Schälfestigkeiten (DIN EN 1464) der PP-1K-PU-Verbunde in unbehandeltem Referenzzustand sowie bei Variation der ND-Plasmaparameter in Korrelation zu Oberflächenenergie und Polarität. (Bildquelle: LWF)

Bild 1 und Bild 2 stellen die an den untersuchten Lacksystemen und PP-Substraten ermittelten mittleren Schälfestigkeiten im Vergleich zu den erzielten Oberflächenenergiewerten dar. Alle durchgeführten Plasmaprozesse zeigen eine deutliche Steigerung der Oberflächenenergiewerte, vor allem des polaren Anteils, im Vergleich zum unbehandelten (UB) Zustand. Der Aktivierungsgrad korreliert dabei mit der Intensität der Plasmabehandlung. Bei den klebtechnischen Untersuchungen versagen die unbehandelten PP-Substrate über die gesamte Klebschichtlänge bereits beim Einspannen in die Schälvorrichtung adhäsiv (AF). Während die unbehandelten Substrate eine schlechte bis nahezu keine Adhäsionsbildung des Klebstoffes ermöglichen, weisen die stark behandelten Proben zwar eine deutliche Erhöhung der mittleren Schälfestigkeit im Vergleich zur unbehandelten Referenz auf, jedoch lassen die Parameter einer schwächeren Behandlung die jeweils höchsten Klebfestigkeiten erzielen. Der Anteil des kohäsiven Versagens im Klebstoff (CF) erhöht sich mit der Abnahme der Behandlungsintensität. Selbst eine geringe Aktivierung lässt ein nahezu 100 % kohäsives Klebstoffversagen direkt nach der Plasmabehandlung der Oberflächen erzielen. Dies zeigt deutlich, dass eine oft postulierte einfache Korrelation zwischen Oberflächenenergie und Adhäsion so nicht besteht.

Bild3

Mittlere Schälfestigkeiten (DIN EN 1464) der PP-1K-PU-Verbunde in unbehandeltem Referenzzustand sowie nach ND-Plasmabehandlung (PP-GF30: 12W12s; PP-TD40: 15W15s) in Abhängigkeit der Offenzeit bei Auslagerung A (links) bzw. Auslagerung B (rechts) in Korrelation zu Oberflächenenergie und Polarität. (Bildquelle: LWF)

Bild 3 zeigt, dass eine zunehmende Offenzeit zu einem Rückgang der Benetzbarkeit der PP-Substrate durch die Abnahme des polaren Anteils führt. Diese schreitet bei Auslagerung B verstärkt voran, wobei selbst nach 28 d Offenzeit die Werte oberhalb des unbehandelten Referenzzustandes liegen. Auch bei den klebtechnischen Untersuchungen zeigt sich bei beiden PP-Systemen bereits nach 1 d ein Rückgang der mittleren Schälfestigkeit, wobei auch hier nach 28 d und unabhängig von der Additivierung und Auslagerung eine deutlich bessere Adhäsionsbildung des Klebstoffes im Vergleich zur unbehandelten Referenz erreicht wird.

Bild4

Mittlere Schälfestigkeiten (DIN EN 1939) der Klebebänder für Lacksystem (I) in unbehandeltem Referenzzustand sowie nach AD-Plasmabehandlung (Prozessparameter #E) in Abhängigkeit der Offenzeit bei Auslagerung A (links) bzw. Auslagerung B (rechts) in Korrelation zu Oberflächenenergie und Polarität. (Bildquelle: IFAM)

Bild 4 stellt die Entwicklung der mittleren Schälfestigkeiten der Klebebänder exemplarisch am Lacksystem (I) in Abhängigkeit der Offenzeit dar. In den beiden Auslagerungsreihen zeigen die ermittelten Festigkeiten eine starke Korrelation mit den gemessenen Oberflächenenergie- und Polaritätswerten. Auch hier findet jedoch kein Absinken der Werte auf den unbehandelten Referenzzustand statt. So weisen beide Klebebänder nach 28 d Offenzeit bei Auslagerung A noch etwa 78 % und bei Auslagerung B etwa 65 % der direkt nach der Plasmabehandlung gemessenen Schälfestigkeit auf.

Insgesamt lässt sich sowohl bei den Lack- als auch bei den PP-Systemen auf eine hohe Langzeitstabilität der mittels Plasma erzielbaren Aktivierungseffekte bei beiden klimatischen Auslagerungsbedingungen schließen.

Bild5

Mittlere Schälfestigkeiten (DIN EN 1939) und Oberflächenenergien für Lacksystem (I) in Rahmen der Untersuchungen zu AD-Plasmareaktivierung (Plasmaprozessparameter #E). (Bildquelle: IFAM)

Zur Untersuchung einer möglichen Wiederherstellung der über die Offenzeit abgenommenen Plasmaaktivierungseffekte wurden exemplarische Versuche am Lacksystem (I) durchgeführt. Dabei wurden die plasmabehandelten Proben nach 1 d Offenzeit bei Auslagerung B mit dem gleichen Prozessparameter erneut behandelt (reaktiviert) und anschließend wieder der Auslagerung B unterzogen. Wie in Bild 5 dargestellt, konnten die zunächst abgenommenen Oberflächenenergie- und Schälfestigkeitswerte (1d-B) durch die Reaktivierung auf ein Niveau gesteigert werden, welches mit dem Aktivierungsgrad direkt nach der ersten Plasmabehandlung vergleichbar ist (vgl. 0d und 1d-B reakt). Der erneut erreichte Aktivierungsgrad sinkt jedoch wieder über die Offenzeit, in einem ähnlichen Maß, wie nach der ersten Plasmabehandlung (vgl. 1d-B reakt. 1d-B).

Zusammenfassung

Forschungsgegenstand war eine umfassende wissenschaftliche Betrachtung der Aktivierungsmechanismen an klebtechnisch plasmavorbehandelten Polymeroberflächen sowie die Charakterisierung der Langzeitstabilität der erzielbaren Aktivierungseffekte. In diesem Zusammenhang wurden unterschiedlich additivierte bzw. mit Füllstoffen versehene Polymere sowie Lacksysteme mittels ND- sowie AD-Plasmen vorbehandelt und anschließend unter definierten klimatischen Bedingungen ausgelagert und zu definierten Zeitpunkten mit Hilfe von zerstörungsfreien sowie zerstörenden Prüfverfahren charakterisiert. Hierbei konnten die Benetzungseigenschaften sowie die Adhäsionsbildung der eingesetzten Klebstoffe in Abhängigkeit von der Polymerart, Behandlungsintensität sowie von der Offenzeit und den Lagerbedingungen vor der Durchführung des Klebprozesses systematisch untersucht und analysiert werden.

In einem ersten Schritt wurden die eingesetzten Prozessparameter in einem breiten, anwendungsrelevanten Bereich variiert und der resultierende Aktivierungsgrad beschrieben. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Plasmabehandlung zu einer Erhöhung der Oberflächenenergiewerte und der Festigkeit des resultierenden Klebverbundes führt, wobei eine geringe Behandlungsintensität eine ausreichende Aktivierung der Oberflächen erzielte.

Mit fortschreitender Offenzeit wurde ein Rückgang der durch Plasma erzielten Aktivierungseffekte beobachtet und charakterisiert, der erwartungsgemäß eine entsprechende Abnahme der Benetzungseigenschaften der Kunststoffe zufolge hatte. Jedoch konnte im Rahmen der durchgeführten Versuche keine, oft postulierte, einfache Korrelation zwischen der Oberflächenenergie und Adhäsion der Klebstoffe beziehungsweise Festigkeit der resultierenden Klebverbunde festgestellt werden.

Insgesamt wiesen die untersuchten Substrate auch nach 28 d Offenzeit einen signifikanten restlichen Aktivierungsgrad auf, der immer noch im Vergleich zur unbehandelten Referenz eine deutlich verbesserte Benetzbarkeit und Klebbarkeit der Polymeroberfläche bewirkt.

Förderhinweis

Das IGF-Forschungsvorhaben „OffPlas“ (IGF-Nr.: 19661 N) der Forschungsvereinigung Dechema e.V., Theodor-Heuss-Allee 25, 60486 Frankfurt am Main, wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Für die finanzielle Förderung und die organisatorische Betreuung der Forschungsvereinigung sei an dieser Stelle gedankt. Weiterer Dank gilt allen kooperierenden Industriepartnern für die gute Zusammenarbeit im Rahmen des Projektes.

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wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe Atmosphärendruck-Plasmatechnik, Abteilung Plasmatechnik und Oberflächen (Plato) am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen.

ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Fachgruppe Klebtechnik am Laboratorium für Werkstoff- und Fügetechnik (LWF) der Universität Paderborn in Paderborn.

leitet die Arbeitsgruppe Atmosphärendruck-Plasmatechnik, Abteilung Plasmatechnik und Oberflächen (Plato) am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen.

ist Institutsleiter, Bereich Klebtechnik und Oberflächen des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen.

ist Oberingenieur am Laboratorium für Werkstoff- und Fügetechnik (LWF) an der Universität Paderborn in Paderborn.

ist Lehrstuhlverantwortlicher des Laboratoriums für Werkstoff- und Fügetechnik (LWF) an der Universität Paderborn in Paderborn.

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