Felgenwerkzeug der Hochdruckanlage HP-RTM von Krauss Maffei

Das Felgenwerkzeug der Anlage im Detail: Bewegliche Zylinder ver- und entriegeln das Werkzeug und stellen so die Abdichtung sicher. (Bild: Krauss Maffei)

AIM aus Taiwan ist unter anderem für seine Produkte aus dem Golf-Sport bekannt. Im Bereich Carbon-Golfschläger verzeichnet das Unternehmen unter verschiedenen Markennamen einen Marktanteil von gut 80 %. Darüber ist man auch im Radsport vertreten. Verschiedene Composite-Technologien gehören dabei seit rund 30 Jahren zum Standard-Repertoire. Als AIM in den Automotivebereich einsteigen wollte, wandte sich das Unternehmen an den deutschen Technologiekonzern Krauss Maffei. Im Fokus stand dabei eine Hochdruckanlage HP-RTM / High Pressure Resin Transfer Molding. Im Vergleich zu Niederdruckverfahren verlangt HP-RTM nach aufwändigerer Dosiertechnik, liefert dann aber konstant gute Bauteile mit besonders präziser Oberflächenqualität – und das bei kürzeren Zykluszeiten. Besonders in der Automotive-Industrie ist letzteres wichtig.

Mit der Anlage wollte sich das AIM-Team zunächst an die neue Technologie herantasten, wie Tyson Hsiao (R&D-Manager) erklärt: „Fredrick Su, unser Vertriebspartner bei Krauss Maffei hat genau zugehört und dann ein Paket zusammengestellt, mit dem wir in einer HP-RTM-Zelle sowohl High Pressure Transfer Molding als auch Nasspressen und Compression-RTM für kleine Produktionsserien abbilden können. Das hat uns überzeugt.“

Die gesamte Fertigungszelle für die Carbonfelgen
Die gesamte Fertigungszelle für die Carbonfelgen misst inklusive Einhausung 16 x 12 m. (Bild: Krauss Maffei)

Schnell war ein konkretes Projekt gefunden: Carbon-Felgen, die im Automotive-Sektor eher eine Nische besetzen – allerdings eine äußerst lukrative, weil es sich um das Hochpreis-Segment handelt. Gebräuchlich ist hier der Materialmix: ein Felgenkörper aus CFK (carbonfaserverstärktem Kunststoff), auf dem der optikprägende Radstern aus Aluminium verschraubt wird. Diese Räder sind rund 20 bis 30 % leichter als solche aus reinem Alu und gleichzeitig etwa 20 % fester als Stahlfelgen. Sportlich ambitionierte Autofahrer können durch das reduzierte Gewicht schneller beschleunigen und da weniger ungefederte Masse den Unebenheiten der Fahrbahn folgt, ist auch das Fahrgefühl angenehmer. Aber wer sein Fahrzeug mit Carbon-Felgen schmücken will, muss ziemlich tief in die Tasche greifen: 10.000 bis 15.000 Euro pro Satz sind üblich.

Wie ist die Hochdruckanlage HP-RTM von Krauss Maffei aufgebaut?

Formenträger der MX-Presse mit über 10.000 kN Schließkraft.
Der Formenträger bildet das Herzstück der Anlage. Die MX-Presse verfügt über 10.000 kN Schließkraft. (Bild: Krauss Maffei)

Als es darum ging, das Projekt zu realisieren, spielte Krauss Maffei seine Gesamtkompetenz aus: Projektleiter Thomas Eilhammer koordinierte das umfassende Paket aus MX-Presse mit 10.000 kN Schließkraft, der Dosieranlage RIM-Star Compact 8/4 HP-RTM, zwei Robotern für Dosierung und Handling mit verschiedenen Greifern sowie einer komplexen Werkzeuglösung. „Die Anlage inklusive Einhausung ist mit 16 x 12 Meter sehr kompakt gebaut und alle Komponenten darin sind ideal aufeinander abgestimmt. Das ist einfach unsere Stärke als Komplettanbieter.“

Für die Werkzeugentwicklung war das Team um René Ring am Standort Georgsmarienhütte, Harderberg zuständig: „Wir arbeiten mit einer Stammform und nutzen für die verschiedenen Felgendurchmesser mehrere Werkzeugpakete. Dadurch ist der Kunde sehr flexibel.“ Der Ablauf sieht dann wie folgt aus: Ein anwenderseitig gefertigter Carbon-Preform wird über den Innenkern des Werkzeugs gestülpt und vier Schieber, welche die runde Außenkontur der Felge bilden, fahren zusammen. Die Presse schließt und über einen Verteilerstern wird das Matrixmaterial Epoxy zudosiert. Nach einer Härtezeit von rund 15 min. öffnet das Werkzeug, die Schieber öffnen sich und ein Auswerferring drückt den auf den Kern (Durchmesser 20 Zoll) geschwundenen Felgenkörper nach oben. Das Werkzeug ist für Felgendurchmesser von 18 bis 22 Zoll und eine Breite von acht bis 12 Zoll ausgelegt. Das Finish erfolgt über eine Reihe nachgelagerter Prozesse.

Wie wurde das Werkzeug für die Carbon-Felgen-Produktion angepasst?

Die vielen beweglichen Teile im Werkzeug brachten die größte Herausforderung mit sich: die Abdichtung des gesamten Systems bei einem hohen Innendruck von rund 60 bar. Normalerweise dichtet allein die Pressenkraft ein Werkzeug ab und die horizontale Dichtfläche befindet sich nur zwischen Ober- und Unterteil der Form. Beim Felgenprojekt benötigt man durch die hinterschnittige und C-förmige Teilekontur die vier Schieber, um überhaupt entformen zu können, hinzu kam der bewegliche Auswerferring. Um im Werkzeug das Vakuum halten zu können und so zu verhindern, dass das dünnflüssige Material austritt, setzte das Team auf größtmögliche Fertigungspräzision und auf ein gutes Konzept. Die Zuhaltekraft wird von vier Zylindern an der Stammformoberseite erzeugt, darunter angebrachte Verriegelungselemente fahren in Aussparungen an den Schiebern und blockieren diese. Durch die Werkzeugtemperatur von 120 bis 130 °C war es nötig, Pneumatik- und Elektronikkomponenten durch Dämmplatten zu schützen.

Insgesamt wiegt das Werkzeug 4,9 t. Es wurde 2023 in Harderberg fertig gestellt, danach im Krauss Maffei Technikum in München bemustert, noch einmal optimiert und schließlich mit der Gesamtanlage an den Anwender geliefert. Da eine Felge vor allem eines sein muss – nämlich rund – betont René Ring: „Wir haben beim Rundlauf eine Präzision von kleiner 2/100 Millimetern.“  Ein weiterer Fakt zum Projekt: Bereits der erste Schuss lieferte ein Gutteil.

Quelle: Krauss Maffei

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