Kunststoffe, vor allem in Form von Verpackungen, werden oftmals in die Umwelt eingetragen. Die beiden Kunststoffe Polyurethan (PUR) und Polyvinylalkohol (PVA) machen rund 8 % der Kunststoffproduktion in Europa aus. Seit einigen Jahren wird intensiv an Methoden geforscht, die ein umweltfreundliches Recycling von Kunststoffen ermöglichen.
Polyurethane werden zur Herstellung von Matratzen, Dämmstoffen, Thermoplasten (etwa Sportschuhe) und für Beschichtungen (Dichtungsmittel, Farben und Klebstoffe) verwendet. Für diese Stoffe gibt es bereits grundlegende chemische Verfahren, um diese abzubauen. Sie erfordern jedoch einen erheblichen Energieeinsatz, da hohe Temperaturen und Drücke nötig sind. Biotechnologische Verfahren unter Einsatz von Mikroorganismen oder Enzymen als natürliche Biokatalysatoren sind eine Alternative, da diese bei moderaten Temperaturen bis circa 40 °C und ohne Einsatz chemischer Reagenzien den Abbau der Kunststoffmoleküle und vor allem ein Recycling, also die Gewinnung der Bausteine zur Herstellung neuer Kunststoffe ermöglichen.
Warum Enzyme für das industrielle Recycling von Kunststoffen wichtig sind
Das Team von Prof. Dr. Uwe Bornscheuer vom Institut für Biochemie der Universität Greifswald hat nun zusammen mit Wissenschaftlern von Covestro genau die Enzyme identifiziert, die nach einer chemischen Vorbehandlung in der Lage sind, Polyurethane in seine Bausteine zu zerlegen.
„Die Suche nach diesen speziellen Biokatalysatoren war sehr aufwendig und wir mussten ca. zwei Millionen Kandidaten durchmustern, um die ersten drei Enzyme zu finden, die nachweislich in der Lage sind, die spezielle Bindung in Polyurethan aufzubrechen“, beschreibt Doktorand Yannick Branson, Universität Greifswald, die Herausforderung dieses Projekts. „Mit dieser bahnbrechenden Entdeckung haben wir nun die Voraussetzung geschaffen, diese Biokatalysatoren durch Methoden des Protein-Engineerings weiter zu verbessern, um sie für ein industrielles Recycling von Polyurethan maßschneidern zu können“, ergänzt Prof. Dr. Uwe Bornscheuer, Universität Greifswald.
Dr. Gernot Jäger, der das Kompetenzzentrum für Biotechnologie der Covestro (Leverkusen) leitet, sagt: „Mit Hilfe der neu identifizierten Enzyme kommen wir unserem Ziel einer vollständigen Kreislaufwirtschaft in der Kunststoffindustrie ein Stück näher.“
Wo werden Polyvinylalkohole eingesetzt?
Polyvinylalkohole haben vielseitige Eigenschaften und werden ebenfalls breit eingesetzt, beispielsweise zum Beschichten von Fasern und als Folien für Verpackungen. Für den Abbau von PVA gab es bislang ebenfalls keine ausgereiften Verfahren. Hier konnten das Forscherteam um Professor Bornscheuer zusammen mit einem Polymerexperten des University College Dublin, Irland, und Wissenschaftlern aus Leipzig ebenfalls die Grundlagen für ein biotechnologisches Verfahren entwickeln. Der Abbau von PVA konnte hier durch die geschickte Kombination von drei verschiedenen Enzymen erzielt werden, die nach und nach das Polymer so verändern, bis Bruchstücke entstehen, die stofflich verwertet werden können.
Auch wenn die jetzt veröffentlichten Erkenntnisse einen wichtigen Durchbruch darstellen, wird es voraussichtlich noch einige Jahre dauern, bis ein Industrieverfahren ausgereift ist, mit dem ein großtechnisches Recycling dieses Plastikmülls möglich sein wird.
Die Ergebnisse der Arbeiten wurde in der Fachzeitschrift Angew. Chem. Int. Ed. in zwei Publikationen (DOI: 10.1002/anie.202216220 und DOI: 10.1002/anie.202216962) veröffentlicht.
Quelle: Uni Greifswald
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