Schaubild der verwendeten Filamente und Probekörper zur Ermittlung der Wärmeleitfähigkeit und mechanischen Eigenschaften.

Bild 1: Schaubild der verwendeten Filamente und Probekörper zur Ermittlung der Wärmeleitfähigkeit und mechanischen Eigenschaften. (Bild: KTP)

Die additive Fertigung (AM) gewinnt durch stetig steigende Anforderungen an die Bauteilkomplexität und Fertigungsflexibilität nicht nur im Prototypenbau an Bedeutung [1]. Eines der am weitesten verbreiteten additiven Fertigungsverfahren ist dabei das Fused Filament Fabrication (FFF) Verfahren [2]. Bei diesem Verfahren wird ein Kunststofffilament in eine temperierte Düse gefördert, dort aufgeschmolzen und in einer charakteristischen, näherungsweise elliptischen Stranggeometrie ausgetragen. Durch die Verfahrbewegung der Plastifiziereinheit und der Bauplattform können dreidimensionale Strukturen gefertigt werden [3]. Das FFF-Verfahren zeichnet sich unter anderem durch die Verarbeitung einer großen Bandbreite an thermoplastischen Kunststoffen aus [4]. Dies ermöglicht eine anwendungsspezifische Materialauswahl. In diesem Zusammenhang stellt auch die Modifizierung mit Füllstoffen eine Möglichkeit dar, die Materialeigenschaften gezielt einzustellen. Die Füllstoffe können dabei nach dem jeweiligen Aspektverhältnis in Kugeln, Plättchen oder Fasern unterteilt werden [5]. Die Steigerung der Wärmeleitfähigkeit von im FFF-Verfahren hergestellten Strukturen ist aktuell Stand der Forschung, gewinnt jedoch vor dem Hintergrund der aktuellen Herausforderungen, z. B. in der Elektrotechnik, an Bedeutung [6].
Die Kunststofftechnik Paderborn (KTP) befasst sich am Direct Manufacturing Research Center (DMRC) – Academic derzeit mit der Entwicklung und Verarbeitung wärmeleitfähiger Kunststoffe für das FFF-Verfahren. Der Fokus liegt dabei auf den material- und prozessseitigen Einflüssen auf die Materialeigenschaften. Für die Erzielung hoher Wärmeleitfähigkeiten sind dabei die Wahl der Füllstoffart und des Füllstoffvolumenanteils hervorzuheben. Kenntnisse über die Auswirkungen der Füllstoffzugabe und dem Zusammenspiel zwischen den mechanischen Eigenschaften und der Wärmeleitfähigkeit sind für die anwendungsgerechte Bauteilauslegung essenziell.

Das Vorgehen

Zur Analyse der Wärmeleitfähigkeit wurde eine am DMRC – Academic entwickelte Methode verwendet. Diese basiert auf der Fertigung von zylindrischen Probekörpern, welche im FFF-Verfahren entlang der Längsachse parallel zu den drei Koordinatenrichtungen X, Y und Z orientiert gefertigt werden. Im Anschluss werden die Probekörper spanend auf das für die Messung erforderliche Maß nachbearbeitet. Dadurch können fertigungsbedingte Einflüsse auf die Geometrie und Oberflächengüte reduziert und damit die Messgenauigkeit erhöht werden (Bild 2). Durch die Fertigung von drei unterschiedlichen Orientierungen kann weiterhin eine resultierende Anisotropie bewertet werden. Die auf einem Doppelschneckenextruder (Thermo Fisher Process11) hergestellten Filamente wurden nachfolgend mit einem Gewo HTP260 (Gewo Feinmechanik) verarbeitet. Die entsprechenden FFF-Prozessparameter sind in Tabelle 1 dargestellt. Dabei ist anzumerken, dass eine Bauraumtemperierung im Allgemeinen und der auf 120 °C beheizte Bauraum für die Verarbeitung der betrachteten Materialien im Speziellen zur prozesssicheren FFF-Fertigung unerlässlich sind. Die Analyse der Wärmeleitfähigkeit erfolgte schließlich mittels der Laser-Flash-Analyse (LFA) (Netzsch LFA 467 HyperFlash) entsprechend der DIN EN ISO 22007-4 [7].

Schematische Darstellung der Methode zur Messung der Wärmeleitfähigkeit am Beispiel eines bei der Probenfertigung in Z-Orientierung platzierten Probekörpers.
Bild 2: Schematische Darstellung der Methode zur Messung der Wärmeleitfähigkeit am Beispiel eines bei der Probenfertigung in Z-Orientierung platzierten Probekörpers. (Bild: KTP)

Für die Bewertung der mechanischen Eigenschaften wurden Probekörper entsprechend der DIN EN ISO 527-2 Typ 1BA unter Verwendung einer Kolben-Spritzgussmaschine (Thermo Fisher Mini Jet Pro) gefertigt und mit einer Zugprüfmaschine (Zwick/Roell ProLine Z   010) geprüft, um den grundlegenden Füllstoffeinfluss bewerten zu können [8]. Für die Untersuchungen wurde ein Kunststoff-Compound basierend auf Polybutylenterephthalat (PBT) ohne (PBTx) und mit (PBTxa) Verarbeitungshilfe verwendet. Als Füllstoffe kamen zwei wärmeleitfähige plättchenförmige Füllstoffe (Bezeichnung: F1 und F2) zur Anwendung, welche einen mittleren Partikeldurchmesser (d50) für F1 von 5,0 µm und für F2 von 7,9 µm aufweisen.

Tabelle mit 3 Spalten und 8 Zeilen: Übersicht über die im FFF-Verfahren verwendeten Prozessparameter.
Tabelle 1: Übersicht über die im FFF-Verfahren verwendeten Prozessparameter. (Bild: KTP)

Ergebnisse der Zugversuche

Die Auswertung der mechanischen Eigenschaften zeigt den Einfluss des Füllstoffvolumenanteils anhand des Elastizitätsmoduls und der Bruchdehnung auf (Bild 3). Die resultierende Festigkeit wird durch die geringe Verstärkungswirkung der Plättchen hingegen nur geringfügig beeinflusst und ist folglich nicht gesondert aufgeführt. Im Gegensatz dazu erhöht sich die Steifigkeit mit steigendem Füllstoffvolumenanteil, was auf den erhöhten E-Modul der Füllstoffe gegenüber der Kunststoffmatrix zurückzuführen ist. So kann durch die Füllstoffzugabe mit einem Volumenanteil in Höhe von 22 % der E-Modul für das Material PBTxa-F1 gegenüber der reinen Kunststoffmatrix um den Faktor 2,7 gesteigert werden.
Hingegen nimmt die Bruchdehnung mit steigendem Füllstoffvolumenanteil ab. Diese mit dem Volumenanteil positiv korrelierende Versprödung stellt einen begrenzenden Faktor bei der Herstellung hochgefüllter Filamente dar. So neigen höher gefüllte Filamente eher zu einem Bruch bei der Herstellung und Verarbeitung. Dies resultiert in den vorliegenden maximalen Füllstoffvolumenanteilen, welche im Vergleich zu Spritzgussmaterialien deutlich reduziert sind. Eine weitere Erhöhung führt zu einer unzureichenden Prozessstabilität und damit zu einer unzureichenden Verarbeitungseignung für das FFF-Verfahren. Weiterhin zeigt sich, dass der Einfluss der verwendeten plättchenförmigen Füllstoffe für eine identische Kunststoffmatrix vergleichbar ist. Durch die Verwendung von Verarbeitungshilfen können die mechanischen Eigenschaften allerdings beeinflusst werden. Die Erhöhung des E-Moduls und der Bruchdehnung ist dabei auf die verbesserte Benetzung der Füllstoffpartikel und damit eine verbesserte Kunststoff-Füllstoff-Interaktion zurückzuführen.

Grafik: Einfluss des Füllstoffvolumenanteils auf den Elastizitätsmodul und die Bruchdehnung für die drei ausgewählten Materialien.
Bild 3: Einfluss des Füllstoffvolumenanteils auf den Elastizitätsmodul und die Bruchdehnung für die drei ausgewählten Materialien. (Bild: KTP)

Bewertung der Wärmeleitfähigkeit

Zur Darstellung der Ergebnisse der Wärmeleitfähigkeit wurden die Messergebnisse von je vier Probekörpern über die Prüftemperaturen zwischen 30 °C und 180 °C in 30 °C Inkrementen gemittelt (Bild 4). Die Ergebnisse zeigen eine positive Korrelation zwischen einem zunehmenden Füllstoffvolumenanteil und der Wärmeleitfähigkeit. Diese Steigerung ist wiederum abhängig von der jeweilig verwendeten Füllstoffart. Hierbei liefert das Material PBTx-F2-X eine vergleichbare Wärmeleitfähigkeit wie die Materialien PBTx-F1 und PBTxa-F1 in der jeweiligen Y-Orientierung. Die Unterschiede zwischen den beiden Materialien PBTx-F1 und PBTxa-F1 sind hingegen minimal und der Einfluss der Verarbeitungshilfe auf die Wärmeleitfähigkeit dementsprechend als vernachlässigbar anzusehen.
Weiterhin ist eine anisotrope Wärmeleitfähigkeit für die mit Plättchen gefüllten Kunststoffe ersichtlich. Während die X-Orientierung (entlang der abgelegten Stränge) eine erhöhte Wärmeleitfähigkeit für alle Materialien liefert, ist diese für die Z-Orientierung (zwischen den Schichten) am geringsten. Gründe hierfür sind der Strangverbund sowie die Füllstofforientierung innerhalb der abgelegten Stränge. Dabei ist die aufgezeigte Anisotropie für den Füllstoff F2 im Vergleich zu F1 leicht reduziert und bestätigt den spezifischen Einfluss der Füllstoffart. Auf Basis der Ergebnisse können allgemein drei charakteristische Orientierungen zur Bewertung der Wärmeleitfähigkeit erfasst werden. Für die Bauteilauslegung ist der aufgezeigte Einfluss plättchenförmiger Füllstoffe auf die sich einstellende Anisotropie von im FFF-Verfahren gefertigten Strukturen zwingend zu beachten.

Grafik: Einfluss des Füllstoffvolumenanteils auf die Wärmeleitfähigkeit in den drei Orientierungen X, Y und Z für die drei ausgewählten Materialien.
Bild 4: Einfluss des Füllstoffvolumenanteils auf die Wärmeleitfähigkeit in den drei Orientierungen X, Y und Z für die drei ausgewählten Materialien. (Bild: KTP)

Ausblick

Die angeführten Untersuchungen zeigen, dass die Verwendung von plättchenförmigen Füllstoffen in Abhängigkeit von dem Füllstoffvolumenanteil zu einer Beeinflussung der Materialeigenschaften führt. Die dargelegten Ergebnisse stellen in diesem Kontext eine Grundlage zur Bewertung des Zusammenhangs zwischen den mechanischen Eigenschaften und der Wärmeleitfähigkeit dar. Insbesondere die Limitierung des Füllstoffvolumenanteils durch die erhöhte Versprödung ist hierbei anzuführen. Aktuelle Untersuchungen an der Kunststofftechnik Paderborn befassen sich mit der Betrachtung weiterer material- und prozessseitiger Einflussgrößen auf die Wärmeleitfähigkeit. Die generierten Daten sollen schließlich für die Entwicklung eines Modells zur Vorhersage der Wärmeleitfähigkeit von im FFF-Verfahren gefertigten Strukturen zusammengeführt werden.

Dank

Dieses Forschungsprojekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen des „Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM)“ gefördert und wird in Kooperation mit dem Projektpartner Argus Additive Plastics GmbH durchgeführt. Wir danken dem BMWK und der Firma Argus Additive Plastics für die Unterstützung.

Quelle: KTP

Weitere Autoren:

Maximilian Salm, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Kunststofftechnik Paderborn (KTP) an der Universität Paderborn.
Prof. Dr.-Ing. Elmar Moritzer, Inhaber des Lehrstuhls für Kunststofftechnologie und Leiter der Kunststofftechnik Paderborn (KTP) an der Universität Paderborn.

Literatur

[1] Leopoldina – Nationale Akademie der Wissenschaften: Additive Fertigung – Entwicklungen, Möglichkeiten und Herausforderungen. Druckhaus Köthen, Köthen (2020).
[2] H. Richard, B. Schramm, T. Zipsner: Additive Fertigung von Bauteilen und Strukturen. 1. Aufl., Springer Verlag, Wiesbaden (2017).
[3] I. Gibson, D.W. Rosen, B. Stucker: Additive Manufacturing Technologies – Rapid Prototyping to Direct Digital Manufacturing. 3. Aufl., Springer Verlag, New York (2021).
[4] A. Fischer, S. Gebauer, E. Khavkin: 3D-Druck im Unternehmen – Entscheidungsmodelle, Best Practice und Anwendungsbeispiele am Beispiel des Fused Layer Modeling (FLM). 1. Aufl., Hanser Verlag, München (2018).
[5] Moneke, M: Kunststoffwerkstoffe – Fachbuch für Lehre und Praxis. 1. Aufl., Hanser Verlag, München (2022).
[6] Grundler, M.; Derieth, T.; Heinzel, A.: Polymer Compounds with High Thermal Conductivity. Proceedings of the Regional Conference Graz, Graz, Schweiz, S. 1-6 (2016).
[7] DIN EN ISO 22007-4: Kunststoffe – Bestimmung der Wärmeleitfähigkeit und der Temperaturleitfähigkeit – Teil 4: Laserblitzverfahren. Beuth Verlag, Berlin (2017).
[8] DIN EN ISO 527-2: Kunststoffe – Bestimmung der Zugeigenschaften – Teil 2: Prüfbedingungen für Form- und Extrusionsmassen. Beuth Verlag, Berlin (2012).

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