Unidirektionale Tapes (UD-Tapes) werden als technischer Werkstoff für mechanisch hochbelastete Leichtbaubauteile geschätzt. Dass diese Halbzeugklasse auch bei typischen technischen Spritzgussbauteilen einen ökonomischen Vorteil bieten kann, ist bisher nur selten demonstriert und bei den Verarbeitern weitestgehend unbekannt. In Kooperation mit einem Konsortium aus 20 Industriepartnern wurde im Jahr 2019 erfolgreich eine Studie zum Thema „Potenziale und Herausforderungen von Thermoplastischen UD-Tapes für Hersteller von Spritzgießbauteilen“ abgeschlossen. Über einen Zeitraum von acht Monaten haben das Institut für Kunststoffverarbeitung Aachen (IKV) und das Aachener Zentrum für Integrativen Leichtbau (AZL) in Experteninterviews bestehende Hindernisse und Risiken für den Einsatz von Tapeeinlegern in bestehende Spritzgießbauteile identifiziert und analysiert. Ein identifiziertes Markthemmnis stellt das fehlende Bewusstsein für die Technologie und das jeweils anwendungsspezifisch zu bewertende Potenzial zur Kostenreduzierung bei Herstellern technischer Spritzgussteile dar.
Die im weiteren Verlauf der Studie detaillierte Aufarbeitung des Stands der Technik hinsichtlich Prozesstechnik, Handling, Heizstrategien und Werkzeugtechnologien sowie der Simulation und Auslegung bietet die Grundlage, die Marktreife der Technologie zu demonstrieren und Interesse für die Technologie zu wecken.
Initiiert durch die Ergebnisse der Umfrage werden AZL und IKV verschiedene Initiativen starten, deren Ziel in der Identifikation und Umsetzung von Materialeinsparung durch Integration von Tapeeinlegern und damit einhergehender Kosteneinsparung besteht. Um die technologischen Hürden zu überwinden, existiert im Konsortium eine breite Spanne an Technologien, die einen hohen technologischen Reifegrad für die Umsetzung in der Entwicklung und Produktion aufweisen. Stellvertretend werden hier einige Beispiele vorgestellt.
Anwendungsszenarien entlang eines breiten Branchenspektrums
Für die Verarbeitung von Tapes existieren unterschiedliche Routen, die Mitsui Chemicals, Düsseldorf, anschaulich dargestellt hat (Abb. 1). Mitsui Chemicals bietet carbonfaserverstärkte Tapes mit Polypropylen-Matrix an, als eine Hauptanwendung wird die Integration in Spritzgießbauteile verfolgt.
Performante Produktivität
Um eine Kostensenkung zu erzielen, ist es wichtig, den hochproduktiven Spritzgussprozesses mit der hohen mechanischen Performance der UD-Tapes synergetisch zu kombinieren. Die UD-Tapes übernehmen, wenn richtig im Bauteil platziert, die mechanischen Anforderungen, wodurch sich gerade bei Bauteilen mit großen Flächen lokal Wanddicken reduzieren lassen.
Ein Anwendungsszenario wurde auf der K-Messe 2019 von Engel Austria, Schwertberg, Österreich, demonstriert. Mithilfe der Organomelt-Technologie wurde die Herstellung von Pkw-Tür-Strukturbauteilen mit drei unidirektional verstärkten thermoplastischen Einlegern in üblichen Spritzguss-Zykluszeiten umgesetzt. Durch die verstärkenden Einleger konnten flächige Bereiche durch dünnwandige Verstärkungselemente ausgeführt werden, was zu einer Masse-, Kühlzeit und somit Kostensenkung des Bauteils bei gleichzeitiger Gewichtsreduktion führt. In einer vollautomatisierten Fertigungszelle inklusive Handlingseinheiten und Peripherie wurden die Einleger mit IR-Strahlung aufgeheizt, umgeformt und im selben Prozessschritt durch den Spritzgießprozess funktionalisiert. (Abb. 2 a bis c)
Das Verfahren spart nicht nur Material, was bei hohen Stückzahlen entscheidender Kostentreiber ist, sondern kann bei entsprechenden Wanddicken auch zu signifikanten Reduktionen der Kühlzeit und somit der Prozesskosten beitragen. Darüber hinaus kann ein Spritzgussmaterial mit geringerer mechanischer Belastbarkeit eingesetzt werden, sofern dies die Bauteilanforderungen erlauben.
Für die Wirtschaftlichkeit ist die übergreifende Betrachtung des Zusammenspiels von Materialkosten und Maschinenproduktivität wichtig. Neben den ökonomischen Potenzialen bietet diese Art von Hybridbauteilen auch das Potenzial, ökologischen Nutzen zu erschließen. Bei korrekter Auslegung weisen diese Bauteile, neben der Reduktion des Materialaufwandes, eine sortenreine Recyclingfähigkeit sowie Einsparungen von CO2 bei Anwendungen im Fahrzeug auf, weil sie leichter sind.
Materialien bilden die Grundlage
Durch die in den vergangenen Jahren stark gestiegene Vielfalt an verarbeitbaren Materialien in Kombination mit der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Halbzeugherstellungsprozesse hat sich die Tapetechnologie von kostenintensiven Nischenanwendungen zu einer konkurrenzfähigen Option für Großserienbauteile weiterentwickelt. Die Materialvielfalt spiegelt sich in den Entwicklungen der Rohstoffhersteller wieder. Um aus dieser neugewonnen Materialvielfalt das, in Bezug auf spezifische Anwendungen, optimale Material zu identifizieren, hat sich das Unternehmen BÜFA Thermoplastic Composites, Oldenburg, auf die Beratung bei der Materialauswahl und Bereitstellung dieser Materialien spezialisiert. Somit können an dieser Schnittstelle die Marktkapazitäten mit den entsprechenden Anforderungen bei der Produktauslegung gegenübergestellt werden. Neben der Stärkung der Supply Chain als Distributor bietet BÜFA zudem auf den spezifischen Anwendungsfall abgestimmte Verbundlaminate an.
Verarbeitungstechnologie auf dem Vormarsch
Parallel zu den Entwicklungen in der Halbzeugherstellung entwickeln sich die Verarbeitungsprozesse von UD-Tapes zur Herstellung von Einlegern weiter. Für großflächige Verstärkungen können UD-Tapes von der Firma Huesker Synthetics, Gescher, zu Geweben verarbeitet und anschließend kontinuierlich zu Platten gepresst werden. Dies ermöglicht unterschiedliche Routen der Weiterverarbeitung in flächigen Bauteilen (Abb. 3, li.). Für die Herstellung von Laminaten und Einlegern mit sehr hoher Variabilität der Tapemenge und der Orientierung setzt das Unternehmen eine 2D-Ablegetechnologie ein (Abb. 3, re.).
Ein weiterer Ansatz zur direkten Tapeverarbeitung wird von Toray Industries Europe, Neu-Isenburg, entwickelt. Durch die direkte Zuführung des Tapes als Rollenware in das Spritzgießwerkzeug entfällt das Handling. Von der Zuführung des Tapes von der Rolle entstammt die Prozessbezeichnung „Tape Injection“, wobei der Spritzgießprozess sequenziell abläuft. In einem ersten Prozessschritt wird das Tape zugeführt und um einen Kern durch lokales Anspritzen fixiert. Unmittelbar nach der Fixierung erfolgt die Funktionalisierung durch das vollständige Anspritzen. Diese neuartige Prozessführung ermöglicht die Integration von Tapes in Spritzgießbauteile, ohne dass in bestehenden Produktionszellen zusätzliche Handlingsysteme nachgerüstet werden müssen. Weiterhin soll die Prozesszeit nicht signifikant durch den Zuführungsprozess beeinflusst werden.
Auslegung und Simulation
Die erfolgreiche Auslegung und die damit verbundene Performance von mit UD-Tapes verstärkten Bauteilen demonstriert der Rohstoffanbieter Sabic. Die lastgerechte Kombination von Stamax PP-langfaserverstärker Spritzgießmasse und UD-Tape kann zu einer verbesserten Crashperformance im Gegensatz zu Kunststoff-Metallblech-Hybriden genutzt werden. Die Anforderungen des Bauteiles konnten bei dieser Materialkombination mit einem reduzierten Gewicht von 38 Prozent im Vergleich zu Stahleinlegern realisiert werden. Neben der Performanceverbesserung stehen Kosteneinsparungen im Vordergrund, welche durch weitere Materialeinsparungen erreicht werden könnten. (Abb. 4) .
Neben der strukturmechanischen Auslegung ist ein ganzheitliches Prozessverständnis der Verarbeitung notwendig. Insbesondere der Temperatur- und Druck-Zeitverlauf der Prozesszone ist bei dünnen Tapes von hoher Bedeutung für die optimale Anbindung von Tape und Spritzgießmasse. Die integrale Spritgießsimulation und die Entwicklung von Simulationsschnittstellen ist daher elementarer Bestandteil der Wertschöpfungskette. Simcon kunststofftechnische Software, Würselen, bietet mit der Software Cadmould einen Baustein für die integrative Prozesssimulation an. Es wurden Module entwickelt, welche die thermische Prozessmodellierung des endlosfaserverstärkten Tapes mit der Spritzgießmasse umsetzen und über Softwarebausteine mit der Spritzgießsimulation zusammenführen.
Das durch Materialkombinationen nicht nur Gewicht, sondern auch Kosten eingespart werden können, wird auch durch LG Hausys R&D Center, Frankfurt, bestätigt. In zahlreichen automobilen Komponenten, mit nicht zwangsläufig hoher mechanischer Performance, konnte das Gewicht der Einzelkomponenten durch die geschickte Materialkombination um bis zu 50 Prozent gesenkt werden. Die Gewichtsreduktion wirkt sich positiv auf die Emissionsbilanz des Fahrzeugs aus und kann darüber hinaus auch wirtschaftliche Vorteile bieten. Durch den gezielten Einsatz von Verstärkungsstrukturen lassen sich Materialkosten und gegebenenfalls Zykluszeiten reduzieren.
Die Substitution von Metall durch Spritzgusskomponenten wird bereits in Schiebedachrahmen in Serie umgesetzt. Um die Herausforderungen der nächsten Generation dieser Anwendung zu erfüllen, sind neben der Kosten- und Gewichtsreduktion gesteigerter Kopfraum und erhöhte Designfreiheit durch lokale Tapeverstärkung möglich.
Fazit und Einladung zum „Tech-Talk Tapeintegration into Injection Molded Parts“
Durch zahlreiche Entwicklungen auf Seiten der Materialherstellung und Verarbeitung hat sich die Tapetechnologie in ihrem Reifegrad, der Verfügbarkeit von Materialien und den Tapekosten über die letzten Jahre stark verbessert. Sie lässt bei dem aktuellen Trend der Technologieentwicklung auch zukünftig große Entwicklungsschritte erwarten. Die Wertschöpfungskette für eine breite Umsetzung entlang aller Absatzmärkte für spritzgegossene Bauteile ist gegeben. Ganzheitliche Prozessbetrachtungen, abseits reiner Halbzeugkosten hin zu Prozesskostenrechnungen mit Berücksichtigung möglicher Materialeinsparungen und Kühlzeitreduktionen sind notwendig. So ist es möglich, derzeit ungenutzter Kosteneinsparpotenziale auszuschöpfen.
Dazu ist eine breite Kenntnis der Einzeltechnologien sowie die Möglichkeit zur Bewertung des Potenzials für konkrete Anwendungen notwendig. Um diese Technologiebasis zu legen und ein Netzwerk auf allen relevanten Positionen der Wertschöpfungskette zu etablieren, lädt das Konsortium zusammen mit dem Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH und dem Aachener Zentrum für integrativen Leichtbau (AZL) zu einem „Tech-Talk Tapeintegration into Injection Molded Parts“ am 13.08.2020 ein. Die Teilnahme ist kostenlos. Informationen zur Veranstaltung und Teilnahme finden Sie unter folgender Adresse: https://azl-aachen-gmbh.de/termine/tape-information-meeting/
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