Kleinserien in Spritzguss

Sobald es in den Bereich der Kleinserien geht, ist Spritzguss ein geeignetes und flexibles Verfahren. (Bild: Protolabs)

Hintergrundinformationen zu zentralen Bereichen des alltäglichen Lebens bleiben vielen Menschen verborgen. Wer würde sich schon Gedanken darüber machen, wie die einzelnen Teile des eigenen Autos hergestellt wurden, oder welche Entwicklungsverfahren hinter einer Smartwatch stecken. Umso erstaunlicher ist es daher, wenn man den Nebel der Unwissenheit von diesen und anderen alltäglichen Gegenständen lüftet und sich die Arbeit von der ersten Idee bis zum fertigen Serienprodukt genauer ansieht. Dabei wird bei dieser genaueren Betrachtung schnell klar, dass der Dreh- und Angelpunkt moderner Fertigung das Spritzgussverfahren ist. Kinderspielzeug, Verkleidungen von Technologieprodukten, Kopfhörer – kaum ein Gegenstand aus unserem Alltag ist im Zuge seiner Herstellung nicht mit dem Spritzgussverfahren in Berührung gekommen.
Damit ist der Spritzguss das Chamäleon unter den Fertigungsformen. Er bietet die notwendige Flexibilität und den technologischen Hintergrund, um eine zentrale Rolle bei Iterationsprozessen hin zu neuen Produkten einzunehmen. Dies gilt insbesondere für Kleinserienfertigungen und Versuchsmuster. Hier zeigt der Spritzguss vor allem auch durch die Möglichkeit zum Mehrkomponentenspritzguss und dabei insbesondere beim 2K-Spritzguss, welche Vorzüge er bei der Produktion von kleineren Serien, schlussendlich aber auch bei der endgültigen Serienproduktion bietet.

 

Grenzen des Verfahrens

Auch wenn sich der Spritzguss durch ein wandelbares und hochgradig ausdifferenziertes Erscheinungsbild als eine der essenziellen Stützen der Produktion etabliert hat, ist er nicht für alle Aspekte der Fertigung geeignet. Während naturgemäß Metalle und andere Werkstoffe, die nicht zu den thermoplastischen Kunststoffen gehören, nicht mittels der Spritzgussfertigung verarbeitet werden können, ist vor allem die Stückzahl ein limitierender Faktor dieses Verfahrens. Werden etwa nur einige wenige Bauteile benötigt, ergibt es meist Sinn, sich beispielsweise auf die additive Fertigung zu verlassen. Insbesondere bei der Entwicklung von Prototypen ist zunächst eine kleine Stückzahl entscheidend, die durch den 3D-Druck gefertigt wird und auf diese Weise eine erste grobe Einschätzung zu den geplanten Einsatzzwecken und der realen Funktionalität ermöglicht.

Da das Ziel einer Produktentwicklung schlussendlich die Serienfertigung ist, sollten im weiteren Designprozess auch immer die jeweiligen Bauteileigenschaften an das später genutzte Verfahren angepasst werden. Während sich bestimmte Produktdesigns etwa mit internen Kanälen oder Hohlräumen problemlos mittels 3D-Druck realisieren lassen, sind dem Spritzguss verfahrenstechnische Grenzen gesetzt.

Mit den nötigen Anpassungen lassen sich aber auch im Spritzgussverfahren schnell Kleinserien realisieren, um die weiteren Bauteileigenschaften final bewerten zu können und etwaige Anpassungen hinsichtlich des Materials oder möglicher Inlays vorzunehmen. Wichtig ist hierbei, dass Hinterschneidungen weitestgehend vermieden und Formschrägen in Ausformrichtung geplant werden. Außerdem sollte beim Design auf möglichst einheitliche Wandstärken geachtet werden. Insbesondere in einer frühen Iterationsphase sind solche Anpassungen an das Bauteil und das spätere Produkt entscheidend, um späteren Produktionsschritten nicht im Weg zu stehen.

 

Breites Einsatzspektrum

Während sich die additive Fertigung in frühen Phasen der Produktentwicklung oft als vorteilhaft erweist, ist die Spritzgussfertigung für die nachfolgende Serienfertigung und für damit verbundene Kleinserien in einem frühen Produktstadium oftmals das Mittel der Wahl.

Insbesondere, da sich im Zuge späterer Entwicklungsschritte auch der Einsatz mehrerer Komponenten innerhalb eines Bauteils anbieten kann, ist hierbei der Zwei-Komponenten-Spritzguss (kurz 2K-Spritzguss), wie ihn Protolabs anbietet, eine sinnvolle Ergänzung zu anderen Fertigungsverfahren. Vereinfacht gesagt, können durch den 2K-Spritzguss verschiedene Kunststoffe, die auch über unterschiedliche mechanische Eigenschaften verfügen, miteinander verarbeitet und so zu einem zusammenhängenden Bauteil geschmolzen werden. Dabei gilt es darauf zu achten, dass zunächst die härtere Komponente gefertigt wird und in einem zweiten Verfahren durch die weichere Komponente überspritzt wird.

Ein Maschinenführer mit einer Spritzgussmaschine
Mithilfe des 2K-Spritzguss entstehen aus zwei verschiedenen Kunststoffen zusammenhängende Bauteile. (Bild: Protolabs)

Entscheidend ist dabei, dass die Hartkomponente einen mindestens 20 °C höheren Schmelzpunkt hat als die Weichkomponente. Die Hartkomponente wird nach der erfolgreichen Fertigung und dem Vorgang zum Aushärten in ein weiteres Spritzgusswerkzeug gelegt, in dem sie von der Weichkomponente umspritzt wird. Bei diesem Vorgang alleine wird regulär bereits eine hinreichend stabile Verbindung erzeugt. Allerdings kann durch ein entsprechendes Design noch besser ermöglicht werden, dass die beiden Komponenten eine langfristige Verbindung eingehen. So lassen sich beispielsweise durch Hinterschneidungen innerhalb des Designs der Hartkomponente – an dem Punkt, an dem schlussendlich die Weichkomponente geplant ist – zusätzlich zur chemischen Verbindung auch mechanisch stabile Verbindungen erzielen.

Im Rahmen einer weiteren Verbesserung der physikalischen Eigenschaften und einer zusätzlichen Anpassung an das spätere Einsatzfeld kann im Mehrkomponentenspritzguss auch mit Inlays und Komponenten aus Metall gearbeitet werden. Wird beispielsweise ein Kunststoffteil benötigt, das später in besonders rauen Umgebungen eingesetzt werden soll und eine besondere Robustheit benötigt, etwa um die innenliegende Elektronik zu schützen, kann es sinnvoll sein, das Bauteil mit einem metallischen Skelett auszustatten. Dieses wird im Rahmen des Spritzgussverfahrens mit dem gewünschten Kunststoff umspritzt.

Darüber hinaus können auch metallische Gewinde integriert werden, die eine stabile Befestigung mit Schrauben ermöglichen. Auch hierbei kann eine entsprechende Anpassung der Gewinde – etwa durch eine Nut – für mehr Stabilität und eine bessere Verbindung zum Kunststoff sorgen. Dabei ist bei allen Arten von metallischen Einlegern wichtig, dass diese beim Spritzvorgang an einer bestimmten Stelle innerhalb des Werkzeugs gehalten werden und dadurch während des Prozesses nicht verrutschen können. Das verhindert eine abweichende Position im fertigen Bauteil.

 

Facettenreiches Verfahren

Die Spritzgussfertigung ist zu Recht der unsichtbare Held des Alltags. Neben den vielseitigen Einsatzmöglichkeiten für die Serienproduktion findet er mittlerweile auch immer häufiger Anwendung, wenn noch einige Details hinsichtlich des Endproduktes durch Iterationsphasen evaluiert werden müssen. Dabei sind vor allem auch die Möglichkeiten des 2K-Spritzgusses und der Einsatz mehrerer Komponenten bis hin zu metallischen Einlegern klare Vorteile dieser Fertigungsmethode. Damit ist der Spritzguss in all seinen Facetten so vielfältig wie die Produkte, die durch ihn entstehen und uns tagtäglich umgeben.

Autor

Daniel Muth

Daniel Muth, Application Engineer bei Protolabs

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