Bei einem der beiden Verfahren zum Schaum-Spritzgießen wird das Granulat vor dem Aufschmelzen mit Treibmittel beaufschlagt. So wird die Schaumstruktur verbessert.

Bei einem der beiden Verfahren zum Schaum-Spritzgießen wird das Granulat vor dem Aufschmelzen mit Treibmittel beaufschlagt. So wird die Schaumstruktur verbessert. (Bild: Redaktion Plastverarbeiter, CK)

Die Formteilqualität wird beim Thermoplast-Schaumspritzgießen im Wesentlichen von den Spritzgieß-Parametern Einspritzgeschwindigkeit, Gasbeladung sowie von der Schmelze- und der Werkzeugtemperatur bestimmt. Den weitaus größten Einfluss üben dabei die thermischen Bedingungen beim Abformen und Erstarren des Kunststoffes aus [Gri08, Hof08, JM04, Ste03]. Hohe Werkzeugwandtemperaturen während der Einspritzphase beeinflussen dabei die erzielbare Bauteilqualität positiv. Den Zielkonflikt zwischen hoher Werkzeugtemperatur während der Abformung und niedriger Werkzeugtemperatur zur sicheren Entformung bei möglichst kurzen Zykluszeiten löst die dynamische Werkzeugtemperierung. Während sich beim Spritzgießen mit konventioneller, niedriger Temperierung in der Füllphase eine erstarrte Randschicht unmittelbar ausbildet, wird dies bei dynamischer Temperierung verzögert [BW14, Mül14].
Hierdurch können Oberflächendefekte vermieden, Oberflächenstrukturen präzise abgeformt und das Ausbilden sichtbarer Bindenähte reduziert werden [CS06, Hin08, Hof10, NN07]. Vorteile, die vor allem beim Nachbearbeiten, zum Beispiel beim Lackieren, in Bezug auf Qualität und Kosten bemerkbar machen [Hof08].

Eingesetzte Werkzeugeinsätze mit konturnaher Temperierung, thermischer Entkopplung und integrierten Strukturen (Bildquelle: alle weiteren IKV)

Eingesetzte Werkzeugeinsätze mit konturnaher Temperierung, thermischer Entkopplung und integrierten Strukturen (Bildquelle: alle weiteren IKV)

Effekte der dynamischen Temperierung

Um die Effekte der dynamischen Temperierung im Schaumspritzgießprozess zu untersuchen, wird derzeit ein öffentlich gefördertes Forschungsprojekt (AiF; IGF Nr. 18133 N) am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV), Aachen, durchgeführt. Untersucht werden der Einfluss auf die Oberflächenqualität und die Schaumstruktur entsprechender Spritzgießbauteile sowie die Wirtschaftlichkeit der Verfahrenskombinationen. Um die treibfluidbeladene Schmelze zu erzeugen, wird zum einen das Profoam-Verfahren und zum anderen das Mucell-Verfahren genutzt. Ersteres wurde in einem Gemeinschaftsforschungsprojekt mit dem IKV und weiteren Partnern entwickelt. Auf ein Plastifizieraggregat von Trexel, Siegen, mit einem Schneckendurchmesser von 40 mm für das zweite Verfahren kann das Institut seit Anfang 2014 zurückgreifen. Die dynamische Temperierung wird mit einer 2-Kreis Fluidtemperieranlage von HB-Therm, St. Gallen, Schweiz, realisiert. Im weiteren Projektverlauf wird zudem eine Induktionstemperierung der Firma Emag Eldec Induction, Dornstetten, zur dynamischen Werkzeugtemperierung eingesetzt. Die Bauteil-Untersuchungen selbst werden an einem plattenförmigen Probekörper (170 x 145 x 2,5 mm3) durchgeführt, welcher vier unterschiedliche Oberflächenstrukturen (Hochglanzpolitur, Gehäusestruktur, Ledernarbung, Strichpolitur) besitzt.#

Spezielle Anlagen- und Werkzeugtechnik notwendig

Erzielbare Bauteiloberflächen in Abhängigkeit der Gasbeladung und Werkzeugtemperierung (1: Kompakt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C), 2: Geschäumt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C, 3: Geschäumt Dynamisch mit einer Werkzeugtemperatur von 80 auf 155 °C)

Erzielbare Bauteiloberflächen in Abhängigkeit der Gasbeladung und Werkzeugtemperierung (1: Kompakt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C), 2: Geschäumt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C, 3: Geschäumt Dynamisch mit einer Werkzeugtemperatur von 80 auf 155 °C)

Sowohl das Thermoplast-Schaumspritzgießen als auch die dynamische Temperierung begründen eine spezielle Anlagen- und Werkzeugtechnik. Dazu gehört eine 2-Kreis-Fluidtemperieranlage oder ein Nadelverschlusssystem im Spritzgießwerkzeug. Um die dynamische Temperierung auch wirtschaftlich nutzen zu können, müssen außerdem besondere Aspekte bei der Werkzeugauslegung berücksichtigt werden. Hier gilt es in erster Linie, die zu temperierende Masse zu reduzieren. Dies wird durch thermisches Entkoppeln der Kavität vom Rest des Spritzgießwerkzeugs und einer kavitätsnahen Temperierung ermöglicht. Der Anschnitt der Platte erfolgt über einen Filmanguss, sodass von einer eindimensionalen Strömungsrichtung der Kunststoffschmelze über die unterschiedlichen Oberflächenstrukturen ausgegangen werden kann. Auf diese Weise kann der Einfluss der treibmittelbeladenen Kunststoffschmelze auf die Oberflächenqualität in Abhängigkeit des Fließwegs analysiert werden.

Steigerung der Oberflächenqualität mit dynamischer Temperierung

Oberflächenrauheiten bei hochglanzpolierter und strichpolierter Kavitätsoberfläche (1: Kompakt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C), 2: Geschäumt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C, 3: Geschäumt Dynamisch mit einer Werkzeugtemperatur von 80 auf 155 °C)

Oberflächenrauheiten bei hochglanzpolierter und strichpolierter Kavitätsoberfläche (1: Kompakt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C), 2: Geschäumt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C, 3: Geschäumt Dynamisch mit einer Werkzeugtemperatur von 80 auf 155 °C)

In bisherigen Untersuchungen wurden die Einflussgrößen Einspritzgeschwindigkeit, Gasbeladung, Schmelzetemperatur sowie Werk-zeugtemperatur variiert. Als Material wurde ein Polycarbonat/Acrylnitril-Butadien-Styrol Blend (PC/ABS, Bayblend T85 HG, Bayer Material Science, Leverkusen) genutzt. Die geschäumten Bauteile weisen dabei eine Gewichtsreduktion von 17 Prozent gegenüber der kompakten Referenzprobe auf. Im Vergleich zu den kompakt hergestellten Probekörpern zeigen sich bei den geschäumten Probekörpern die typischen Silberschlieren. Durch den Einsatz einer dynamischen Werkzeugtemperierung verschwinden diese Silberschlieren und es werden qualitativ vergleichbare Oberflä-chenqualitäten der kompakt hergestellten Probekörper erreicht.

Mit einem Konfokal-Lasermikroskops des Typs VK-X200 von Keyence Corporation, Osaka, Japan, wurden Topografieaufnahmen erstellt, womit sich die Oberflächenbeschaffenheit quantitativ erfassen lässt. Dabei ist zu erkennen, dass die dynamische Temperierung nicht nur qualitativ sondern auch quantitativ erfassbar zu einer verbesserten Oberflächenqualität im Vergleich zu geschäumten Probekörpern unter Nutzung einer konventionellen Werkzeugtemperierung führt. Dieser Einfluss kann zusätzlich durch die Glanzwerte, die mit einem Spektralphotometer des Typs Spectro-Guide Sphere Gloss von BYK Chemie AG, Wesel, bestimmt wurden, statistisch bestätigt werden. Bei den Auswertungen der Konfokal-Lasermikroskopieaufnahmen für die hochglanzpolierte und strichpolierte Oberfläche bestätigt sich der Effekt der verstärkten Oberflächenrauheiten bei der Abformung von hochglanzpolierten Oberflächen im Schaumspritzgießprozess. Hier wirkt sich die strichpolierte Oberfläche positiv auf die zugrundeliegenden Defekte aus. Austretende Bläschen werden in der Struktur eingebettet und führen zu keiner weiteren Oberflächen-beeinflussung. Darüber hinaus kann die signifikante Oberflächenverbesserung mittels dynamischer Temperierung auf das Niveau von Kompaktspritzgießbauteilen festgestellt werden.

Mechanische Eigenschaften geschäumter Bauteile verbessern

Vergleich der Topografie bei hochglanzpolierter Oberfläche mittels Konfokal-Lasermikroskopie (1: Kompakt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C), 2: Geschäumt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C, 3: Geschäumt Dynamisch mit einer Werkzeugtemperatur von 80 auf 155 °C)

Vergleich der Topografie bei hochglanzpolierter Oberfläche mittels Konfokal-Lasermikroskopie (1: Kompakt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C), 2: Geschäumt Konventionell mit einer Werkzeugtemperatur von 80 °C, 3: Geschäumt Dynamisch mit einer Werkzeugtemperatur von 80 auf 155 °C)

Um die mechanischen Eigenschaften bei gleicher Gewichtsreduktion zu steigern, können geschäumte Thermoplast-Bauteile mit Glasfasern verstärkt werden. Die verstärkende Wirkung kann sowohl durch einen höheren Faservolumenanteil verbes-sert werden, als auch durch längere Fasern. Voraussetzung für die Verwendung von Langglasfaserverstärkten Kunststoffen ist jedoch eine schonende Plastifzierung, um eine möglichst hohe Restfaserlänge im gefertigten Bauteil zu erreichen.

Verfahren zur faserschonenden Verarbeitung

Ein Verfahren, mit dem sich Langglasfasern schonend verarbeiten lassen, ist das Profoam-Verfahren. Dabei wird der Kunst-stoff mithilfe einer Treibfluidatmosphäre über den gesamten Plastifizierzylinder mit einem Treibmittel beladen. Hierzu wird zwischen der Einzugszone des Plastifizierzylinders und dem Materialtrichter die Schleuse installiert, welche sowohl die Ma-terial- als auch die Treibmittelzufuhr regelt. Da keine modifizierte Plastifzierschnecke verwendet werden muss, kann die herkömmliche Plastifiziereinheit verwendet werden, sodass die Langglasfasern schonend verarbeitet werden können. Durch den konstant anliegenden Treibmitteldruck reduzieren sich zudem die Viskosität und der Druckabfall von der Einzugszone bis zum Schneckenvorraum, was sich wiederum positiv auf die Restfaserlänge im Kunststoffformteil auswirkt. Aufgrund der reduzierten Viskosität kann im Vergleich zum Kompaktspritzgießen eine höhere Restfaserlänge erzielt werden.

Genaues Betrachten von Aufwand und Kosten

 

Schleuse zum Regeln der Material- und Treibmittelzufuhr

Schleuse zum Regeln der Material- und Treibmittelzufuhr

Es konnte gezeigt werden, dass die dynamische Temperierung eine deutliche Verbesserung der Oberflächenqualitäten ge-schäumter Bauteile bewirken kann. Im weiteren Verlauf des Projektes werden nun die Einflüsse auf die mechanischen Bau-teileigenschaften untersucht und mit den erzielten Oberflächenqualitäten korreliert. Zusätzlich wird ein Wirtschaftlich-keitsvergleich zwischen Kompaktspritzgießen, Schaumspritzgießen und dem Schaumspritzgießen in Kombination mit der dynamischen Werkzeugtemperierung durchgeführt. Dadurch kann der Nutzen des erhöhten anlagentechnischen Aufwandes mit den anfallenden Kosten ins Verhältnis gesetzt werden.

Technik im Detail

Thermoplast-Schaumspritzgießen

Typische Oberflächendefekte beim Thermoplast-Schaum-Spritzgießen [Das03]

Typische Oberflächendefekte beim Thermoplast-Schaum-Spritzgießen [Das03]

Das Thermoplast-Schaumspritzgießen bietet viele Vorteile, wie beispielsweise Materialersparnis, Zykluszeitverkürzung, geringe Ver-zugsneigung der Bauteile oder geringe Einspritzdrücke. Geschäumte Bauteile haben aufgrund der Schaumstruktur und der sich daraus ergebenden lokalen Dichtereduktion etwas schlechtere mechanische Eigenschaften als kompakten Kunststoffformteile. Zusätzlich stellen die meist mit sogenannten Silberschlieren, Schmelzeeruptionen oder kaltverschobenen Bereichen behafteten Oberflächen der Bauteile das größte Hemmnis für eine Marktdurchdringung, gerade im Sichtbereich, dar.

 

Das IGF-Forschungsvorhaben 18133 N der Forschungsvereinigung Kunststoffverarbeitung wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Allen Institutionen gilt unser Dank.

Literatur

[BW14] BÜRKLE, E.; WOBBE, H.: Die bessere Alternative zum Kompaktspritzgießen?. Kunststoffe 104  (2014) 2, S. 44-46
[CS06] CRONAU, T.; SCHMIDT, H.: Spiegeloptik ohne sichtbare Bindenähte. Kunststoffe 96 (2006) 11, S. 49-51
[Das03] DASSOW, J.: Geschäumte Formteile mit exzellenter Oberfläche. Kunststoffe 93 (2003) 9, S. 64-69
[Gri08] GRIES, H.: Dynamische Formnesttemperierung für perfekte Hochglanz-Oberflächen. Kunststoffberater 53 (2008) 9, S.  50-54
[Hin08] HINZPETER, U.: Induktives Erwärmen von Spritzgießwerkzeugen. Kunststoffe 98 (2008) 1, S. 21-23
[Hof08] HOFFMANNS, W.: Dynamisches Temperieren steigert die Formteilqualität. Plastverarbeiter 59 (2008) 6, S. 43-47
[Hof10] HOFMANN, S.: Matt oder Hochglanz – ohne Lack. Plastverarbeiter 61 (2010) 5, S. 50-51
[JM04] JOHANNABER, F.; MICHAELI, W.: Handbuch Spritzgießen. München, Wien: Carl Hanser Verlag, 2004
[Kla10] KLAIBER, F.: Entwicklung einer Anlagen- und Prozesstechnik für die Herstellung superhydrophober Oberflächen im Spritzgießverfahren. RWTH Aachen, Dissertation, 2010 – ISBN: 3861309726
[Mül14] MÜLLER, N.: Leichte und schlierenfreie Sichtbauteile. Kunststoffe 104 (2014) 2, S. 42-43
[NN07] N.N.: Dynamische Werkzeugtemperierung neu entdeckt. Kunststoffe 97 (2007) 7, S. 64-65
[Obe12] OBELOER, D.T.: Thermoplast-Schaumspritzgießen mit gemeinsamer Granulat- und Gaszuführung. RWTH Aachen, Dissertation, 2012 – ISBN: 3861309491
[Ste03] STEINKO, W.: Einfluss der Werkzeugtemperierung auf die Qualität und Stückkosten von Spritzgussteilen. Umdruck zur internationalen Jahrestagung Spritzgießen. Baden-Baden, 2003

Weitere Autoren
Prof. Dr.-Ing. Christian Hopmann ist Leiter des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV),
Daniel Sander ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Schaumspritzgießen.
Die Autoren arbeiten am Institut für Kunststoffverarbeitung IKV an der RWTH Aachen, Aachen.

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Spritzgießwerkzeugtechnologie am Institut für Kunststoffverarbeitung IKV an der RWTH Aachen, Aachen. nicolai.lammert@ikv.rwth-aachen.de

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Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV)an der RWTH Aachen

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