Das von Arburg, GK Concept und Plastic Concept entwickelte Schäumverfahren ist besonders interessant für den Leichtbau und hier vor allem für die Automobilindustrie. Denn „Mantara“ ermöglicht bis zu 50 % leichtere Bauteile mit mikrozellulärer Schaumstruktur und beispielsweise das schonende Hinterspritzen von Textilien oder Folien.
Vergleich zu herkömmlichen Spritzgießverfahren
Vor dem Blick auf die Besonderheiten lohnt sich eine Differenzierung zu herkömmlichen Spritzgießprozessen (Bild 1). Beim klassischen Kompaktspritzgießen von Thermoplasten wird eine homogene Kunststoffschmelze unter hohem Druck in ein geschlossenes Werkzeug eingespritzt. Das vollständige Füllen und Ausformen des kompakten Bauteils erfolgen mithilfe eines ebenfalls hohen Nachdrucks in der Abkühlphase.
Im Gegenzug dazu arbeitet das Schaumspritzgießen meist im Niederdruckbereich. Ein Beispiel hierfür ist das Mucell-Verfahren. Hier reicht ein reduzierter Druck aus, um das Werkzeug zunächst nur teilweise zu füllen. Beim Thermoplast-Schaumspritzgießen (TSG) wird das Material vor dem Einspritzen chemisch oder physikalisch mit Gas (Stickstoff oder Kohlendioxid) angereichert. Durch den Druckabfall im Werkzeug expandiert die Kunststoffschmelze mit Treibfluid. Ergebnis ist ein Leichtbauteil, dessen Kern durch „luftige“ mikrozelluläre Strukturen ersetzt ist. Die Haut-Schaum-Haut-Struktur mit feinen Schaumzellen sorgt für geringes Gewicht, hohe Festigkeit und Wärmeisolierung. Weniger Material bedeutet aber nicht nur weniger Gewicht, sondern auch weniger Kühlzeit. Zudem kann auf Nachdruck verzichtet werden. Daher kann das Schäumen die Zykluszeit im Vergleich zum Kompaktspritzgießen deutlich reduzieren – vorausgesetzt, das Bauteil ist entsprechend konstruiert.
Eine Verfahrensalternative, die sich besonders für flächige Bauteile eignet, ist das Schäumen mit Hochdruck. Dabei wird das Werkzeug wie beim Kompaktspritzgießen komplett gefüllt. Durch einen Expansionshub kommt es zum Druckabfall und das Material schäumt auf. Entsprechend vergrößert sich die Wandstärke im Vergleich zum Kompaktspritzgießen. Das Bauteilgewicht bleibt gleich, die Biegesteifigkeit wird erhöht. Generell gilt für das Schäumen: Neben der passenden Technik ist eine verfahrensgerechte Optimierung des Bauteil- und Werkzeugdesigns entscheidend, um die Vorteile optimal zu nutzen und eine gute Teilequalität zu erhalten.
Der Clou: Spritzprägen mit Expansionshub
Das Mantara-Verfahren kombiniert Mucell-Niederdruckschäumen mit Spritzprägen und Expansionshub. Kennzeichnend für das Spritzprägen ist eine Änderung des Kavitätsvolumens während der Einspritz- und/oder der Nachdruckphase. Oder anders gesagt: Das Werkzeug bleibt zunächst einen Spalt breit offen. Die Kavität wird dabei zum Beispiel über eine Tauchkante des Werkzeugs abgedichtet. Sobald die vorgewählte Dosiermenge nahezu oder komplett eingespritzt ist, wird der Prägespalt mit eingestellter Prägekraft vollständig geschlossen. Durch den Prägevorgang wird die Kunststoffmasse homogen in der Form verteilt und es entstehen gleichmäßige Druckverhältnisse. Nun folgt zusätzlich der bereits erwähnte Expansionshub. Das heißt, nach definierter Haltezeit wird das Werkzeug wieder ein Stück aufgezogen. Dabei schäumt die Kunststoffmasse aufgrund der Dekompression auf die definierte Wanddicke auf und erhält seine endgültige Form (Bild 2).
Für präzise Bewegungen und Wiederholgenauigkeit werden der elektrische Formschluss der Spritzgießmaschine und das Werkzeug exakt aufeinander abgestimmt und die Abläufe über die flexible Gestica-Maschinensteuerung programmiert (Bild 3). Die ausgeklügelte Prozessabfolge sorgt für ein besonders gleichmäßiges Verteilen von Schmelze und Niederdruck in der Kavität sowie für eine sehr homogene Schaumschicht. Daraus resultieren zum einen spannungs- und verzugsarme Bauteile, zum anderen ist das Verfahren schonend für Werkzeug und Kunststoff.
Deshalb ist die Fertigung deutlich wirtschaftlicher
Gegenüber kompakten und herkömmlich geschäumten Spritzteilen wird bei „Mantara“ mit deutlich reduziertem Einspritzdruck und Schließkraft gearbeitet. Das macht sich auch positiv bemerkbar bei Instandhaltung von Spritzgießmaschine und Werkzeug. Je nach Anwendungsfall lässt sich das Teilegewicht um bis zu 50 % reduzieren, während die Schließkraft bis zu 70 % sinkt – und damit auch der Energiebedarf.
Ein typisches Anwendungsbeispiel, das der Partner GK Concept simulativ untersucht hat, sind A-Säulenverkleidungen. Während für das Kompaktspritzgießen dieses Demonstrator-Bauteils ein hybrider Allrounder 1120 H mit 6.500 kN Schließkraft die Maschine der Wahl ist, reichen beim Schäumen mit „Mantara“ zwei Nummern kleiner – vorausgesetzt die Werkzeuggröße und die Einbausituation passen mit der Spritzgießmaschine zusammen.
Die A-Säulenverkleidung aus PP T20 – gefertigt mit einem 1+1-fach-Werkzeug – wiegt kompakt knapp 700 g beziehungsweise 350 g pro Bauteil. Das Gewicht des geschäumten Bauteils beträgt rund 250 g, was einer Reduktion von rund 30 % entspricht. Als finale Wanddicke wurden 3,0 mm gewählt, was sich im Vergleich zum kompakten Bauteil mit 2,6 mm vorteilhaft auf die Biegesteifigkeit und den Verzug auswirkt. Für die Mantara-Variante genügt zudem eine Schließkraft von nur 2.400 kN. Das ermöglicht den Umstieg auf eine deutlich kleinere Maschine und entsprechend geringere Investitionskosten.
Bei der Maschinenwahl muss aber wie erwähnt auch die Werkzeuggröße berücksichtigt werden. Deshalb wurde hier ein Allrounder 820 S gewählt, der über eine maximale Schließkraft von 4.000 kN verfügt. Vorteilhaft ist bei diesem Verfahren eine Präge-Wandstärke von nur 1,7 mm, weshalb die Kunststoffmasse schneller abkühlt, eine bessere Wärmeübertragung zum Werkzeug stattfindet und keine Nachdruckzeit erforderlich ist. Das verkürzt die Zykluszeit von rund 40 auf 31 s. Eine Kalkulation mit dem Arburg-Wirtschaftlichkeitsrechner hat ergeben, dass sich die Herstellkosten pro Bauteil in diesem Fall um rund 30 % senken lassen, je nach Anwendung sogar noch deutlich mehr. Beim Mucell-Verfahren sind es rund 12 %, bei 35 s Zykluszeit sowie einem Bauteilgewicht von rund 315 g und 3.900 kN Schließkraft.
Deshalb ist der CO₂-Fußabdruck geringer
Ein Maßstab dafür, wie das neue Verfahren auch die Energiebilanz verbessern kann, ist der Product Carbon Footprint (PCF). Dieser produktbezogene CO2- Fußabdruck umfasst die emittierten und entzogenen Treib-hausgasmengen über die Lebensdauer eines Produkts hinweg. Angegeben als CO2-Äquivalent ist der PCF eine wichtige Kennzahl in der Ökobilanz. Aufgrund des geringeren Energie- und Materialbedarfs sind mit dem entwickelten Verfahren deutliche Einsparungen und eine Reduzierung des PCF möglich. Natürlich hängt das Ergebnis solcher Berechnungen auch stark vom jeweiligen Bauteil ab und muss für jeden Einzelfall betrachtet und spezifisch kalkuliert werden. Umwelt und Geldbeutel werden zusätzlich geschont, wenn gegebenenfalls mit kleineren Maschinen und geringerer Stellfläche gearbeitet werden kann.
Hier wurde die Technologie erstmals vorgestellt
Erstmals demonstriert wurde das Verfahren auf den Arburg Technologie-Tagen im März 2024. Zuvor waren mithilfe von Testplatten verschiedene Materialien und Prozessgrenzen getestet worden. Bei solchen flächigen Bauteilen treten die positiven Effekte sehr deutlich hervor. Dass sich aufgrund der konstanten Druckverhältnisse im Werkzeug über das gesamte Bauteil eine gleichmäßige Schaumstruktur ergab, konnte der Maschinenhersteller auch mittels Computertomografie (CT) bestätigen und visualisieren. Während des Events fertigte eine elektrische Spritzgießmaschine Allrounder 570 A Ultimate mit 2.000 kN Schließkraft und Mucell-Paket in rund 50 s Zykluszeit exemplarisch solche geschäumten Testplatten aus PP. Diese waren rund 20 % leichter im Vergleich zur kompakten Bauteilvariante.
Typische Anwendung: Flächige Bauteile im Automobil
Welche Bauteile sich mit der Technologie realisieren lassen, muss im Einzelfall geprüft werden. Genau hier liegt die Stärke des Partners GK Concept, dessen Fokus auf der Entwicklung von Produkten, Prozessen und Simulationen liegt. Weiterhin war der Partner Plastic Concept intensiv an Tests und Versuchen bei der Verfahrensentwicklung beteiligt und bietet über sein Schwesterunternehmen Pro Forma Concept die passende Werkzeugtechnik. Als Serienproduzent von Bauteilen für die Automobilindustrie, Medizintechnik und weitere Industriezweige setzt Plastic Concept das neue Verfahren aktuell bereits in Serienprojekten um.
Prozessbezogen beeinflussen Parameter wie Einspritzgeschwindigkeit, Prägespalt, Prägekraft, Dekompressionshub und Haltezeit die Bauteilqualität. Weitere Einflussgrößen sind die Wahl von Material, Treibmittel, Anspritzpunkt und das Fließweg-Wandstärken-Verhältnis. Generell ist das neue Verfahren umso besser geeignet, je flächiger und weniger komplex die Bauteilgeometrien sind. Also etwa Abdeckungen und Blenden im Pkw-Innenraum und die bereits erwähnte A-Säulenverkleidung. Auf Basis von TPE kann man zudem geschäumte Bauteile fertigen, die über einen Soft-Touch-Effekt verfügen und sich – anders als Zwei-Komponenten-Bauteile aus verschiedenen Materialien – einfach recyceln lassen.
So entstehen individuelle Sichtoberflächen
Das innovative Beschichtungsverfahren Ceratex von Eschmann Textures ermöglicht bei geschäumten Bauteilen zusätzlich das Realisieren besonders hochwertiger Sichtoberflächen. Mithilfe einer auf der Werkzeugoberfläche aufgebrachten Keramikschicht können auf diese Weise Kunststoffteile in verschiedensten Optiken und mit individuellen Oberflächenstrukturen erzeugt werden.
Auch das Hinterspritzen beispielsweise von Teppichen für den Pkw-Innenraum mit Funktions- oder Befestigungselementen aus PP lassen sich mit dieser Technologie realisieren (Bild 4). Denn durch den geringen Werkzeuginnendruck wird der Teppichflor im Werkzeug nicht zusammengedrückt, sodass sich das hinterspritzte Bauteil kaum vom unbearbeiteten restlichen Teppich unterscheidet.
Halle/Stand A3/3001
Quelle: Arburg