„In der Elektromobilität werden noch zahlreiche Entwicklungen benötigt, um die Reichweite der Fahrzeuge zu verbessern. Engel sieht hierbei eine große Chance im Einsatz von Thermoplasten, da die Batterieproduktion skalierbar werden muss, um eine Massenproduktion zu ermöglichen“, so Franz Füreder, Vice President Automotive and Mobility bei Engel Austria, in seinen einleitenden Worten. Füreder hob außerdem die Bedeutung von Partnerschaften hervor, um nachhaltige Innovationen in der Automobilindustrie zu fördern. Dabei betonte er die entscheidende Rolle von Materialien und Fertigungsprozessen, die nicht nur effizient, sondern auch umweltschonend sein müssen.
Dr. Lina Prada, Global Technology Director bei Sabic, schloss sich dem an und ergänzte, dass die Batterie das Herzstück der E-Mobilität sei. Um die Batterie der Zukunft zu entwickeln, werden Materialkombinationen nötig, die sowohl Leistung als auch die Sicherheit erhöhen. Solch eine Entwicklung sei nicht von einem Unternehmen zu schultern, sondern könne nur mit Partnern gelingen. Dass sich die Automobilindustrie neu erfinden müsse, davon ist Venkatakrish Umamaheswaran, Automotive Marketing Director bei Sabic überzeugt. Die wichtigste Voraussetzung hierfür sieht er im Bilden von Netzwerken, die alle notwendigen Disziplinen abbilden. Die geschaffene Megamolding-Plattform könne eine solche Umgebung sein, um gemeinsam zu wachsen und schneller Ziele zu erreichen.
Die Reihe der Kurzvorträge zum Projekt Batteriegehäuse aus Thermoplast eröffnete Paul Zwicklhuber, Head of Application Engineer Composite Processing und Leiter des Projektes Batteriekasten bei Engel. Der Markt der E-Mobilität soll sich laut einer aktuellen Studie von Statistica bis 2030 mehr als verdoppeln. Entsprechend müssten alle Kapazitäten angepasst werden. Um Kosten und Gewicht im Vergleich zu den aktuellen Batteriekästen aus Stahl und Aluminium einzusparen, hat das Konsortium aus Engel, Sabic, Forward Engineering, Siebenwurst, Ensinger, Freudenberg und Dupont eine Batteriewanne mit Deckel aus Kunststoff entwickelt. Diese erfüllt die Anforderungen hinsichtlich Crashsicherheit, Thermomanagement, Gewichts- und Materialeffizienz, Dichtheit, Schutz vor Umwelteinflüssen und Thermischem Durchgehen. Die Bauteile sind laut Zwicklhuber einfach herstell- und ins Fahrzeug integrierbar, auf eine gute Zugänglichkeit bei der Wartung wurde ebenso geachtet, wie auf Nachhaltigkeit und Recycelbarkeit.
So werden Batteriewanne und -deckel hergestellt
Die Fertigung der beiden Kunststoffbauteile ist ein hochautomatisierter Prozess, bei dem von einem Easix 240 Roboter zwei Organoblechzuschnitte aufgenommen, in das 23,5 t schwere Spritzgießwerkzeug eingelegt und durch Haltestifte dort positioniert werden. Der Kunststoff wird zwischen die Organobleche gespritzt, sodass ein Sandwichaufbau einsteht. Der 1,8 x 1,4 m große Batteriedeckel wird über 19 Heißkanaldüsen von der Mitte aus kaskadiert gefüllt. Die Kaskadierung sorgt dafür, dass Druck und Temperatur der Polymerschmelze bis zum Fließwegende aufrechterhalten werden und ein haftfester Stoffschluss zwischen Organoblech und Thermoplast erzeugt wird. Die Verbundhaftung wurde mit dem 3-Punkt-Biegeversuch überprüft mit dem Ergebnis, dass die Fasermatrix am Polymer sehr gut angebunden ist.
Nach Prozessende wird der Deckel von einem Easix 120 entnommen und auf das Förderband abgelegt. Während des Spritzgießvorgangs hat der Easix 240 bereits zwei neue Sheets aufgenommen, sodass es zu keiner Verzögerung kommt. Der Zyklus dauert rund 2 Minuten.
Geht das in Kunststoff?
Stefan Weber, EMEA Automotive Leader – EV Batteries & Electricals bei Sabic, knüpfte an die Ausführungen an und erläuterte, dass sich das Entwicklungsprojekt über die vergangenen zwei Jahre erstreckte. Er beleuchtete die Bedeutung von flammhemmenden Materialien für die Sicherheit von Batteriemodulen. Es wurden neuartige Polymere wie das Stamax FR PP-LGF entwickelt, die auch unter extremen Bedingungen ihre strukturelle Integrität bewahren. Sein Kollege David Pelletier, Lead Scientist, Automotive T&I bei Sabic ging auf die Plattform Megamolding ein, die alle Disziplinen, die für solch ein Projekt nötig sind, zusammenführt. Einen wichtigen Punkt nehmen hierbei die erzeugten Daten ein, aus denen gemeinsam die nächsten Schritte abgeleitet oder Schlussfolgerungen gezogen werden. Um diese jedoch ziehen zu können, seien die richtigen Partner notwendig. Dann können, wie in diesem Projekt gezeigt, Lösungen generiert werden, die zuvor nicht denkbar waren – das Batteriegehäuse aus Metall durch ein Kunststoffgehäuse zu ersetzen.
Denn grundsätzlich sind die mechanischen Eigenschaften von Thermoplasten zunächst geringer als die von Stahl oder Aluminium. Wenn das Produkt richtig designed und der Werkstoff auf den Einsatz modifiziert wurde, wird er leistungsfähig. Eine Simulation mit Informationen wie beispielsweise dem auftretenden Druck beim Thermal Runaway sind wichtig, um im Vorfeld zahlreiche Fehlerquellen auszuschließen.
Engineering von der ersten Idee bis zum Crashtest
Den ersten Vortragsblock schlossen Adam Halsband, Managing Director bei Forward Engineering, und Dr. Sara Simon, Project Engineer, mit einem Blick auf die Zukunft der Fahrzeugentwicklung ab. Halsband zeigte, wie digitale Simulationen genutzt werden können, um mechanische Belastungen zu minimieren und die Lebensdauer von Bauteilen zu verlängern. Die Ansätze setzen auf Multimateriallösungen, die sowohl funktional als auch ästhetisch sind. Die Methodik berücksichtigt außerdem die Nachhaltigkeit schon in den frühen Designphasen. Sara Simon erläuterte das Vorgehen bei dem Batteriegehäuse. Der Verzug von beiden Bauteilen – Wanne und Deckel – wurde mit Moldflow simuliert, da beide Höhenunterschiede in Form von Schraubdomen und/oder Verrippungen besitzen. Deshalb wurden zunächst Demoplatten von 600 x 600 mm gefertigt und der berechnete Verzug überprüft – Simulation und Bauteil korrelierten. Außerdem wurden auf den Demonstrator Dichtungen appliziert sowie das Fügen und Verkleben von Elementen durchgeführt, sodass das Verhalten beim Crash ermittelt werden konnte. Anschließend wurde auf die Originalgröße skaliert. Das Projekt ist nun an dem Punkt, dass die komplettierte Batterie für die Tests im OEM-Labor vorbereitet werden kann. Diese werden 2025 erfolgen.
Deshalb sollte Wissen gemeinsam genutzt werden
Dass solch ein ambitioniertes Projekt nur im Netzwerk gehe, war für Maximilian Siebenwurst, Geschäftsführer Siebenwurst, klar, als sein Werkzeugbauunternehmen als Projektpartner angefragt wurde. Am Anfang gab es im Konsortium viele Fragen, offene Fragen und es war viel Erfahrung für das Engineering notwendig, um am Ende dieses „einfache“ Produkt zu erhalten. Siebenwurst sagte, dass das Werkzeug für die 17,2 kg schwere Batteriewanne sehr komplex ist, da es 42 Einlegeteile aufnehmen muss. Das Werkzeug des 9,2 kg schweren Deckels ist frei von Einlegeteilen und dadurch einfacher aufgebaut. Der Geschäftsführer ging auch darauf ein, dass Unternehmen ihre Rolle in der Lieferkette überdenken müssen. Bei solch komplexen Produkten reiche es nicht aus, der Spezifikation zu folgen und schneller als der Wettbewerb zu sein. Wichtig sei ein Netzwerkansatz und das Übernehmen von Verantwortlichkeiten, um das Projekt mit einem Technologievorsprung voranzutreiben.
Leicht und dennoch robust?
Einen Einblick in die Welt der Hochleistungskomposite gewährte Christan Braun, Leiter Forschung und Entwicklung bei Ensinger Composites. Seine Präsentation zeigte, wie diese Werkstoffe durch ihre Leichtigkeit und Robustheit ideale Lösungen für Batteriegehäuse darstellen. Doch warum wurden für diese Anwendung Organosheets mit Endlosfasern gewählt? Ein Grund ist, sie besitzen mechanische Vorteile gegenüber kurzen Glasfasern. Denn diese Sheets sind 2- bis 5-mal fester als die mit Kurzfaser verstärkten. Der weitere entscheidende Grund ist jedoch der Brandtest: Die Fasern besitzen auch nach einem Brand ihr Netzwerk, das weiterhin seine Eigenfestigkeit besitzt. Die Sheets werden den Bedürfnissen der Anwendung angepasst. Im vorliegenden Fall sind die Organosheets im Bereich der Heißkanaldüsen und der Rippen mit Durchbrüchen versehen, um die gleichmäßige Bauteilfüllung sowie die bereits erwähnte flächige Verbundhaftung zu erzielen.
Deshalb muss die Batterie atmen
Das Batteriegehäuse benötigt ein Entlüftungsventil, das im Normalbetrieb für den Druckausgleich mit der Umgebung sorgt und diese gleichzeitig abdichtet. Das Ventil ist aber auch für das Thermische Durchgehen der Batterie ausgelegt und lässt bei Bedarf sehr viel Gas unter hohem Druck von innen nach außen entweichen. Auf die Anforderungen, die an diese Ventile gestellt werden, ging Adrian Baur, Entwicklungsingenieur bei Freudenberg Sealing Technologie, in seinem Vortrag ein. Das Gemeinschaftsprojekt war für Freudenberg das erste, bei dem ein Ventil für einen Batteriekasten aus Kunststoff benötigt wurde. Bei allen zuvor umgesetzten Projekte war dieser aus Aluminium, sodass geprüft werden musste, ob die Ventiltechnik hier auch funktioniert. Die Drucktests wurden zusammen mit Forward Engineering zunächst an der Demoplatte durchgeführt und waren erfolgreich, sodass die Lösung übertragbar war.
Zum Abschluss der Vortragsreihe zeigte Diego Pérez, Marketing Automotive Adhesives bei Dupont, wie strategische Partnerschaften genutzt werden können, um Batteriematerialien und -designs zu optimieren. Innerhalb der Batterie kommen verschiedene Klebstofflösungen zum Einsatz, je nach Anforderung wird das Klebstoffsystem ausgewählt. Es werden beispielsweise Systeme zur Abdichtung, Fixierung und Wärmeleitung benötigt. Hier können die Fügepartner aus unterschiedlichen Werkstoffen wie Thermoplast und Aluminium bestehen.
Hier entsteht der Batteriewannendeckel
Das Nachmittagsprogramm hielt für die Teilnehmer im Großmaschinenwerk von Engel nach St. Valentin die Livedemonstration der Batteriedeckelherstellung bereit. Auf der derzeit weltweit größten Technikums-Spritzgießmaschine, einer Duo 5500 Combi M, wurden die Deckel produziert. Die 545 t Gewicht der Maschine verteilen sich auf eine Länge von 32 m, einer Höhe von 6,8 m und einer Breite von 13 m. Die maximale Schließkraft der Maschine beträgt 55.000 kN, bei der Produktion des Batteriedeckels kommen davon 40.000 kN im Einsatz.
Auch die weiteren Unternehmen des Projektkonsortiums waren vor Ort und standen den Teilnehmern in bilateralen Gesprächen oder bei Workshops zur Verfügung. Große Aufmerksamkeit auf sich zog der Flammtest, der in einer speziellen brandsicheren Kammer durchgeführt wurde. Zunächst wurden parallel ein Aluminiumblech mit 2 mm Wandstärke und eine 4 mm dicke unverstärkte Platte aus Stamax FR, wie es beim Kunststoffbatteriegehäuse eingesetzt wird, mit einer Flamme beaufschlagt. Die Oberflächentemperatur lag bei beiden Platten bei 1.250 °C. Das Aluminium wies nach 2 Minuten ein Loch auf, die Kunststoffplatte war nach 4 Minuten immer noch nicht durchgebrannt. Auch das Organoblech mit 70 % Glasfaseranteil und einer Dicke von 2,5 mm zeigt nach 4 Minuten noch keine Löcher, sondern lediglich leichte Schmelzeerscheinungen.
Franz Füreder war am Ende des Battery Innovation Day begeistert und sichtlich erleichtert zugleich. Begeistert, dass soviele interessierte Personen von Automobilherstellern sowie Tier 1 zu der Veranstaltung gekommen waren. Und erleichtert, dass die Technologie gut aufgenommen wurde und das unterschiedliche Brandverhalten erfolgreich gezeigt werden konnte. Er gab zu bedenken, dass Europa wieder Innovationen hervorbringen muss, um von den Mitbewerbern nicht abgehängt zu werden. „Es müssen die richtigen Partner zusammengebracht werden, um die Trends und Möglichkeiten mit Kunststoff aufzuzeigen“, ist Füreder überzeugt. „Wenn wir uns in Europa wieder unserer Stärken besinnen, so wird die Wirtschaft auch wieder Fuß fassen.“
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