Für die Massenproduktion von spritzgegossenen Formteilen werden überwiegend Werkzeuge mit mehreren Kavitäten verwendet. Die Hochskalierung erfolgt wahlweise über die Erhöhung der Anzahl der Produktionsmaschinen bei relativ geringer Fachzahl der Werkzeuge oder durch Verwendung von hochfachigen Werkzeugen an wenigen großen Maschinen. Ersteres bietet eine höhere Prozesssicherheit und geringere Ausfallwahrscheinlichkeit. Dies geht aber mit einem höheren finanziellen und organisatorischen Aufwand einher, da mehr Maschinen und Werkzeuge höhere Kosten verursachen und mehr Zeit in die Validierung der Produktionseinheiten, in die Wartung und Planung investiert werden muss. In Europa wird tendenziell die zweite Option angestrebt, wobei die hochfachige Produktionsmethode bei gegebenen Lohnniveaus internationale Wettbewerbsfähigkeit gewährleisten soll.
Anforderungen an Spritzgießmaschinen beim Mikrospritzgießen
Das Mikrospritzgießen ermöglicht die effiziente Produktion vieler Einzelteile in der Größenordnung von einigen Kubikmillimetern in der Medizin- und Automobiltechnik oder der Elektronik. Die meisten speziell für das Mikrospritzgießen entwickelten Maschinen weisen eine eigenständige Werkzeugtechnik auf, zumeist im Stammwerkzeugaufbau. Der kleine Werkzeugaufbau, angepasst auf das kleine zur Verfügung stehende Schussvolumen der Mikrospritzgießmaschine, gerät jedoch schnell an seine Grenzen, wenn die Stückzahlanforderungen der Fertigung steigen. Hochfachige Werkzeugausführungen können nicht mit dem zur Verfügung stehenden Werkzeugraum realisiert werden und sind auch mit der zur Verfügung stehenden Schmelzemenge der Plastifiziereinheiten nicht zu vereinbaren. Selten kann ein Werkzeug mit acht Kavitäten ausgeführt werden.
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Im Gegensatz dazu lassen sich die herkömmlichen Spritzgießmaschinen auf Grund der kleinen benötigten Schussvolumina nicht optimal für das Mikrospritzgießen einsetzen. Lange Verweilzeiten des Kunststoffs im Plastifizieraggregat und im Heißkanalsystem des Werkzeugs führen zum Abbau des Materials. Zusätzlich ist die erforderliche Präzision und Reproduzierbarkeit bei der Vorfahrbewegung der Schnecke in der Einspritzphase nur schwer zu erreichen, und auch die Dosiergenauigkeit durch die Rückstromsperre fällt stärker ins Gewicht. Somit befindet man sich bei sehr hohen Stückzahlanforderungen in einem Dilemma. Auf der einen Seite möchte man nicht auf die Präzision des Einspritzens heutiger Mikrospritzgießmaschinen verzichten, auf der anderen Seite zur Realisierung hoher Ausbringraten im Mikrospritzgießen aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehrere Maschinen und Werkzeuge einsetzen.
Daher werden konventionelle Kleinmaschinen mit hochfachigen Werkzeugen für die Produktion ausgerüstet. Mit den zur Verfügung stehenden Spritzeinheiten bedeutet dies jedoch größtenteils einen Verzicht auf die direkte Beeinflussung der Formfüllung der Kavität und damit auf eine präzisere und reproduzierbare Abformung der Mikroformteile.
Unkonventioneller Lösungsansatz verbindet zwei Welten
Am Kunststoff-Zentrum in Leipzig (KUZ) wird das Verfahren des Mikrospritzgießens bereits seit mehr als 20 Jahren intensiv erforscht und angewendet. In den Technika können auf spezieller Mikrospritzgießtechnik sehr kleine Formteile mit entsprechend kleinen Schussvolumina präzise und reproduzierbar gefertigt werden. Idee des hier bearbeiteten und vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Forschungsvorhabens Scale-Mi (Förderkennzeichen 49VF190007) ist es, die Einspritzpräzision und -dynamik von Mikroplastifiziereinheiten für die Fertigung auf konventioneller Maschinentechnik nutzbar zu machen. Hierzu werden neue technische und technologische Lösungsansätze untersucht, die die Vorteile der Verwendung von hochfachigen Werkzeugen mit den Vorteilen des Einspritzens mit Mikrospritzgießeinheiten verknüpfen.
Dazu sollen aus einem Schmelzeverteiler, gespeist von der Plastifiziereinheit einer kleinen konventionellen Spritzgießmaschine als Dosierung, gekoppelte Mikroeinspritzeinheiten aktiv in ein hochfachiges Werkzeug einspritzen. Jeder Mikrospritzeinheit wird dabei eine bestimmte Zahl von Konturfächern im Werkzeug zugeordnet. Im Schmelzeverteiler wird die aufbereitete Schmelze auf diese Spritzstationen aufgeteilt. Damit werden die Vorteile der Schneckenkolbenplastifizierung zur Bereitstellung einer Schmelzemenge für höhere Schussvolumina mit den Vorteilen der Einspritzdynamik und Präzision von kleinen Kolbenspritzeinheiten kombiniert.
Die Ergebnisse von rheologischen, thermischen und konstruktiven Untersuchungen, teils an simulativen Modellen und teils an praktischen Versuchsaufbauten durchgeführt, mündeten in den konstruktiven Entwurf eines konzeptionellen Aufbaus. Er sieht eine düsenseitige Aufspannplatte einschließlich integriertem Schmelzeverteiler vor und vier außen angeordnete externe Kolbeneinspritzaggregate, die aktiv aus dem Verteiler in die einzelnen Formnester einspritzen können (Bild 1).
Schmelzeverteiler in kleinen Abmaßen
Schmelzeverteilerplatten werden traditionell segmentiert hergestellt. Sie können dadurch mit Einsatzelementen verrundete Kanalführungen realisieren und damit kritische herstellungsbedingte Kanalgeometrien vermeiden. Diese Aufbauweise lässt sich jedoch nicht beliebig verkleinern, da die Verbindungselemente zur Montage der einzelnen Baugruppen in der dimensionalen Ausführung begrenzt sind. Dieses Limit wird durch die Entwicklung einer kleinen Schmelzeverteilerplatte umgangen, die in einem Stück generativ erzeugt wird und demzufolge keine geometrisch aufbauenden Verbindungselemente benötigt.
Neuartige Poliertechniken mittels fluidischen Medien lassen eine feine Politur der kleinen Verteilerkanäle zu. In Kooperation mit Hasco und der zur Anwendung gebrachten Steamrunner-Technologie wurde diese kleine Schmelzeverteilerplatte für den speziellen Anwendungsfall realisiert und in den Werkzeugaufbau des Versuchsstandes integriert (Bild 2 und Bild 3).
Fazit nach den ersten Versuchen
Die Untersuchungen erbringen den Nachweis, dass ein aktives Einspritzen aus einem Schmelzeverteiler heraus technologisch möglich ist. Mit der neuen Technologie kann sinnvoll die Stückzahl im Mikrospritzgießen bei der Fertigung von kleinen Einmalgebrauchsteilen hochskaliert werden. Es ist dabei möglich, eine erhöhte Präzision der Formfüllung der einzelnen Konturfächer gegenüber dem Stand der Technik zu erzielen.
Dies wird in einem Testaufbau erfolgreich demonstriert. Der Aufbau mit vier aktiven Kolbeneinspritzantrieben zeigt mit einer Klemme als Demonstrationsformteil, dass eine Fertigung mit einem 16-fach Werkzeugaufbau unter Nutzung der neu entwickelten Technologie nachweisbare Vorteile hinsichtlich Reproduzierbarkeit und erreichbarer Präzision der Formfüllung gegenüber dem Spritzgießen mit kleiner konventioneller Maschinentechnik bietet (Bild 4 und Bild 5).
Ausbalancierung im Familienwerkzeug
Ein zusätzlicher positiver Aspekt der neuen Technologie ist die Möglichkeit des Ausgleichs von Balancierungsfehlern in der Schmelzekanalführung durch Anpassung der Einspritzparameter der Kolbeneinspritzeinheiten. Dies wird durch Spritzgießversuche deutlich, die die Kavitäten der einzelnen Demonstrationsformteile zu einem Familienwerkzeug kombinieren, sodass mit einem Schuss das Einfahrteil, die Fließspirale und die Klemme gleichzeitig gefertigt werden. In Bild 6 sind die Füllergebnisse beider Einspritzvarianten ersichtlich.
Das Einspritzen mit der Spritzgießmaschine zeigt eine ungleiche Formfüllung der beiden gleichen Konturfächer mit den Kavitäten des Einfahrteiles. Der 4-fach-Spritzling der Klemme ist bereits vollgefüllt. Hingegen konnte die Kavität der Fließspirale nur teilgefüllt werden; die Schmelzefront kam bereits im ersten Viertel der zur Verfügung stehenden Fließweglänge zum Stehen. Mit der Spritzeinheit der Spritzgießmaschine können die ungleichen Schussvolumina der Kavitäten nicht ausgeglichen werden. Die Scale-Mi-Einspritzvariante mit gleichen Einspritzparametern für alle vier Antriebe weist eine gleichmäßige Formfüllung der beiden Kavitäten des Einfahrteiles auf. Der 4-fach-Spritzling der Klemme ist vollgefüllt und die Fließspirale konnte fast bis zur Hälfte der zur Verfügung stehenden Fließweglänge gefüllt werden. Das Scale-Mi-Konzept bietet die formteilspezifische Anpassung der Einspritzparameter (Variation der Einspritzgeschwindigkeiten und der Umschaltpunkte) an die einzelnen Kavitäten. Stimmt man nun die Einstellparameter der einzelnen Kolbenantriebe auf die unterschiedlichen Kavitätsfächer und damit Schussvolumina ab, ergeben sich ideale Füllbilder. Alle Kavitäten werden vollständig gefüllt.
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Weiterführende Untersuchungen
Innerhalb des Vorlaufforschungsvorhabens Scale-Mi ist es gelungen, grundlegende Fragen zum angestrebten Lösungsansatz zu erforschen und mit einem Versuchsaufbau die vorgestellten Vorteile nachzuweisen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen werden sollen im Forschungsprojekt HiProMicro die nächsten Schritte zur industriellen Umsetzung realisiert werden. Geplant ist die Entwicklung eines Demonstrators für die Massenfertigung von Mikroformteilen, der folgenden Anforderungen gerecht wird: hohe Präzision und Prozessstabilität, Verarbeitung einer breiten Werkstoffpalette, praxisgerechte Bedienung sowie Einsatz in einem industriellen Umfeld. Interessierte Firmen sind zur Teilnahme an diesem Forschungsprojekt eingeladen.
Quelle: KUZ Leipzig
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