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Die Zahnräder für Ladesteckerverriegelungen von Elektrofahrzeugen stellen höchste Anforderungen an die Präzision der Spritzgießmaschine. (Bild: Manuel Thomé)

Im sauerländischen Kierspe kommt es in der Fertigung von technischen Zahnrädern aus Polyamid mit Glasfaseranteil, verbaut in einer aufwendigen Baugruppe einer Ladesteckerverriegelung für Elektrofahrzeuge, auf ein Maximum an Präzision an. Die Zahnräder mit einer Abmessung von 25 x 30 mm weisen eine anspruchsvolle Zahngeometrie mit Toleranzen bis zu 0,03 mm auf, schließlich muss ein Rädchen passgenau in das andere greifen. Es kommt insbesondere auf die Rundlaufgenauigkeit in Verbindung mit den Profil- und Flankenlinien der Zahnräder an. Gerade wegen dieser dieser hohen technischen Anforderungen sind die Teile mit Schussgewichten zwischen 0,6 und 4 g in der Produktionswelt von Grote + Brocksieper technisch keine Leichtgewichte. „Unser Anspruch ist es, die komplexe Formgebung prozesssicher abzubilden“, erklärt Geschäftsführer Jörg Becker.

Die optimale Abstimmung der Prozesskette ist an dieser Stelle entscheidend, wie der technische Leiter Fabian Crummenerl betont: „Die Präzision und Wiederholgenauigkeit der Spritzgießmaschinen hat es uns ermöglicht, im Zuge der Bemusterungen zielgerichtet Korrekturen, der im eigenen Werkzeugbau hergestellten Spritzgießwerkzeuge einzuleiten und mittels Computer tomographie im eigenen Hause ohne Zeitverluste messtechnisch zu verifizieren.“ Für den Fertigungsprozess mit einem Werkzeug, das vier Kavitäten aufweist, wurde seitens Grote + Brocksieper nach einem passenden Maschinenkonzept gesucht, das gleich mehrere Anforderungen erfüllen sollte.

Die hohe Leistung in Verbindung mit Effizienz waren laut Becker die ausschlaggebenden Attribute.

„Wir haben den Prozessversuch professionell abgesichert und dafür Musterungen auf einer Spritzgießmaschine mit 50 t Schließkraft im Technikum der Firma Engel im österreichischen Schwertberg durchgeführt“, berichtet Becker. Der erste Eindruck von der Prozessstabilität sowie der Performance der Maschine haben den Anwender überzeugt. Investiert wurde dann in zwei vollelektrische und holmlose E-Motion 50/30 TL mit je 30 t Schließkraft.
Letztlich gaben neben der Präzision und Wiederholgenauigkeit zwei Gründe den Ausschlag für diese Wahl: Zum einen die hohe Energieeffizienz der vollelektrischen Antriebstechnik von Engel, und zum anderen die kompakte Bauweise der holmlosen E-Motion TL Maschinen. Zudem das Plus an Flexibilität. Da aufgrund der holmlosen Schließeinheit die Werkzeugaufspannplatten bis an den Rand vollständig genutzt werden können, passen vergleichsweise große Werkzeuge auf kleinere Maschinen. Im Hauptwerk in Kierspe-Grünenbaum war die Aufstellung der Maschinen nur auf einer sehr begrenzten Stellfläche möglich.

Energieeinsparungen von 65 Prozent

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Die E-Motion TL Spritzgießmaschine mit vollelektrischer Antriebstechnik und holmloser Schließeinheit. (Bild: Manuel Thomé)

Spritzgießmaschinen der Serie E-Motion TL sind durchgehend mit elektrischen Antrieben ausgestattet, die in der Praxis sehr sauber ihren Dienst verrichten; ein Ölnebel ist ausgeschlossen. Die hohe Leistung in Verbindung mit Effizienz waren laut Becker aber die ausschlaggebenden Attribute: „Wir haben den Stromverbrauch der neuen E-Motion TL mit unseren alten hydraulischen Maschinen verglichen und kamen auf Energieeinsparungen von 65 Prozent.“ Diese Einsparungen, die letztlich dazu führten, dass die gesamte Investition durch die BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) als förderwürdig eingestuft wurde, bestätigen auch die Umweltpolitik des Unternehmens.

„Der Anwender hat in die Zukunft investiert“, betont Dominik Cordes vom Engel Vertrieb. Und das trifft nicht nur auf die Spritzgießmaschine zu. Zur Qualitätskontrolle wird eine Vielzahl von Produkten mithilfe des hauseigenen Computertomographen und einer zahnradspezifischen Software vermessen und ausgewertet. „Wir investieren in Maschinen und Anlagen, die dazu beitragen, die gewünschten Anforderungen sowohl in technischer als auch ökonomischer Hinsicht optimal umzusetzen. In Deutschland gibt es nach Aussage von Grote + Brocksieper nur wenige akkreditierte Institute, die eine Vermessung dieser filigranen Zahnräder überhaupt abbilden können. Darüber hinaus ging es den Entscheidern im Haus darum, die gesamte Prozesskette von der Erstellung des Spritzgießwerkzeugs, über den Einsatz der effizienten Hochleistungsspritzgießmaschine, bis hin zur Vermessung und Auswertung der komplexen Geometrien autark abbilden zu können. „Letztlich gelingt es uns dadurch, die Phase zwischen Erstbemusterung, Werkzeugkorrekturschleife und Serienstand zu verkürzen“, so Becker.
Die vollelektrischen Parallelbewegungen der Maschine ermöglichen noch einmal eine gesteigerte Ausbringung an Teilen, die jährlich in millionenfacher Auflage ausgeliefert werden. Ohne die Maschinenparameter gegenüber der ursprünglichen Fertigungsweise geändert zu haben, ergaben sich allein durch die Nutzung der neuen E-Motion TL Maschinen Zyklusreduzierungen und damit einhergehende Produktivitätssteigerungen.

Einheitliche Bedienphilosophie

Bestätigt wird das auch von Jan Marczinkowski, der als Verfahrensmechaniker die jüngsten Sprößlinge im Maschinenpark bedient. „Der Komfort dieser Maschinen, die Vielzahl an Auswertungen, die ich nutzen kann, übertreffen alles, was ich bislang kannte.“ Seit Jahren bietet Engel mit der CC300 Maschinensteuerung eine einheitliche Bedienphilosophie produktübergreifend für sämtliche Spritzgießmaschinen- und Roboterbaureihen an. „Der Maschinenbediener findet sich so sehr schnell auf den unterschiedlichsten Produkten aus unserem Haus zurecht. Prozesse zu überwachen und zu dokumentieren ist an dieser Stelle denkbar einfach gestaltet“, versichert Cordes. Die Maschinenabnahme erfolgte aufgrund von Corona übrigens rein virtuell.

Schließvorgang ohne Rückfluss

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Ein eigener Computertomograph in Verbindung mit einer zahnradspezifischen Software ermöglicht Grote + Brocksieper eine schnelle, zuverlässige und berührungslose Messung der Bauteile. (Bild: Manuel Thomé)

Immer dann, wenn es um sehr geringe Schussgewichte und sehr filigrane Artikel geht, ist der Umschaltzeitpunkt ein Faktor, der über die resultierende Produktqualität entscheidet. „Das Schließverhalten der Rückstromsperre ist für den gesicherten Prozess ein elementarer Bestandteil“, erklärt Cordes. Die von Engel entwickelte zwangsschließende Rückstromsperre Smart-Shut ist mittlerweile auch für sehr kleine Schneckendurchmesser ab 15 mm erhältlich. Sie arbeitet bis zu einem Durchmesser von 80 mm funktional.
Diese Entwicklung ist auch Bestandteil der an Grote + Brocksieper gelieferten E-Motion 50/30 TL. Smart-Shut beeinflusst die Wiederholgenauigkeit in der Serienproduktion mit einem kontrollierten Einspritzvorgang, der eine definierte Schmelzezufuhr zu den vier Kavitäten ermöglicht, gleichzeitig aber einen unkontrollierten Rückfluss der Schmelze in die ersten Schneckengänge verhindert. Dafür wird der Sperrring vor dem jeweiligen Einspritzvorgang kontrolliert in die hinterste Position bewegt. Nach dem Dosiervorgang wird die Plastifizierschnecke zurückgedreht und mit Kulissensteuerung verschlossen. Die Spitze überträgt dann die Kraft auf den Sperrring und verschiebt diesen axial in die Dichtposition. Kontrolliert wird der Vorgang über ein eigens von Engel entwickeltes Steuerungselement. Entscheidender Vorteil: dass Rückdrehen der Schnecke um einen optimierten Drehwinkel in Gegenrichtung der Dosierung sorgt bereits vor dem Beginn der Einspritzbewegung für das Schließen der Rückstromsperre. Das vermeidet einen undefinierten Verlust der Schmelze, ausgelöst durch eine Leckageströmung. Damit wirkt sich Smart-Shut positiv auf die Schussgewichtkonstanz für sämtliche Kavitäten in der Serienproduktion aus.
Bereits die Testversuche in Schwertberg wurden mit Smart-Shut gefahren. Bei den Versuchen für den Anwendungsfall wurde der Füllgrad untersucht und die Ergebnisse in einer Füllstudie dokumentiert, in der auch die Teilegewichte nachvollziehbar waren. Smart-Shut lieferte zuverlässig die gewünschte Sicherheit.

Becker und Crummenerl ziehen ein positives Fazit für die Investition. „Das Gesamtpaket war ausschlaggebend“, versichern beide unisono. Neben den technischen Anforderungen, die von den vollelektrischen Maschinen komplett erfüllt werden, waren die kompakte Bauweise, der hohe Grad an Energieeffizienz und die vielfältige Einsetzbarkeit der Maschine ausschlaggebend. Insbesondere die lösungsorientierte Zusammenarbeit mit Engel, angefangen bei den Testversuchen in Österreich über die virtuelle Maschinenabnahme bis hin zur Inbetriebnahme und Schulung der Mitarbeiter von Grote + Brocksieper vor Ort in Kierspe.

Susanne Zinckgraf ist Manager Public Relations, Engel, Austria

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