
Der Aufnehmer der Kehrgarnitur Jumbo wird im 2K-Verfahren gefertigt. Im ersten Schritt wird der hier transparente Behälter gespritzt, das Formteil dann im Werkzeug gedreht, um die farbige Gummilippe passgenau einzuspritzen. (Bild: Koch-Technik)
Besen, Bürsten, Kehrgarnituren und mehr werden gekauft, wenn man sie braucht oder mitgenommen, wenn man glaubt sie zu brauchen. Dafür liefert die Bümag ein Komplettprogramm an Bürstenwaren und dazugehörigen Haushaltshelfern in die Sortimente von Bau- und Drogeriemärkten, aber auch als Aktionswaren in große Discounter. Standen Bürsten und Kehrbleche lange Zeit für eine Fertigung aus Metall und Holz, werden sie heute mehrheitlich aus Kunststoff gefertigt. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Bürstenmacher ihre Kunststoffverarbeitung übernahmen. Dafür plante und baute das Unternehmen eine neue Halle, modernisierte die Spritzgießproduktion und stattete sie mit einer zentralen Materialversorgung aus. Die Anforderungen dafür waren dem erzgebirgischen Traditionsunternehmen von vornherein klar: Im Gegensatz zur bisherigen Lösung mit Einzelfördergeräten sollen alle der insgesamt 17 Spritzgießmaschinen mit Schließkräften von 25 bis 5.000 kN in der neuen Halle vollautomatisch mit Verarbeitungsmaterial versorgt werden. Das schlüssige Konzept hierfür liefert der in Ispringen beheimatete Peripheriespezialist Werner Koch Maschinentechnik.

Maschinenbezogen Material zuführen
Materialien, wie PP FC 110 und PPMA 230, kommen am Standort in Schönheide in großen Mengen zum Einsatz. Sie werden in Außensilos mit Anschluss an einen zentralen Materialverteiler gelagert. Die weiteren zwei Dutzend zur Verarbeitung bestimmten Thermoplaste sollten, ausgehend vom Materiallager, über den gleichen Materialverteiler variabel auf die Spritzgießmaschinen verteilt werden können. Die Planung sah dafür eine maschinenbezogene Saugförderanlage vor. Konkret bedeutet das: Das Material wird mittels erzeugten Unterdrucks zugeführt. Jeder Maschine, ausgehend vom Materialverteiler, wird dabei eine eigene Materialleitung zugeteilt. Materialbezogene Förderanlagen eignen sich insbesondere dann, wenn eine Vielfalt an thermoplastischem Material verarbeitet wird. Der weitergehende technische Wartungsaufwand ist minimal. In Schönheide arbeiten vier Spritzgießmaschinen im 2k-Verfahren, weshalb die Materialversorgung auf 21 Bedarfsstellen ausgelegt wurde. Für Flexibilität sorgt dabei der Materialverteiler beziehungsweise Umsteckbahnhof: An jedem vom Materiallager kommenden Eingang können gleich mehrere Maschinen angeschlossen werden
Playmobil – ein Pionier der Mehrkomponententechnik

Die 7,5 cm große Playmobil-Figur ist das zentrale und qualitätsgebende Präzisionsteil und besteht aus 7 Einzelteilen: Kopf, Haare, Rumpf, zwei Armen, einem Beinpaar und das Innenteil, das alles zusammenhält. Bis auf Rumpf und Innenteil handelt es sich um 2K-Teile. (Bild: Geobra Brandstätter)

Die Polymerschmelze für die Baggerkette wird über ein Kaltkanalangusssystem den Kavitäten zugeführt. An die Lauffläche aus einem haftungsmodifizierten TPE werden die 49 Kettenglieder aus glasfaserverstärktem PE über einen Haupt- und 6 Unterverteiler angespritzt. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Am Kühlergrill des Feuerwehrfahrzeuges werden die Scheinwerferabdeckungen direkt angespritzt. 150 Schuss mit 300 Teilen pro Stunde. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Alle 22 Sekunden entformt das Werkzeug 2 Eierkartons. Der durchschnittliche Bedarf an 6er-Eierkartons liegt im Jahres bei 200.000 Stück. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Nach dem Abkühlen des mehrkomponentigen Van-Dachs wird vor dem Verpacken automatisch eine statisch haftende Schutzfolie aufgebracht, damit die Scheibe bis zur Montage nicht zerkratzt wird. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Für das Dachmodul werden 3 Werkstoffe verarbeitet: ein transluszentes PC sowie ein ABS in grau und blau. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Frontansicht der 2K-Porsche Macan S Karosserie, ABS rot und und PC glasklar. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Die Taschenlampe von Playmobil kennt jedes Kind. Im Jahr werden rund 1.500.000 davon hergestellt und als Zubehör in verschiedene Sets gepackt. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

In einem Indexwerkzeug mit Kaltkanal werden an 4 Positionen die 6 Materialien zu einem Babyoberkörper zusammengeführt. Die Zykluszeit beträgt rund 40 Sekunden. (Bild: Geobra Brandstätter)

Aufbau des Babyoberkörpers: Körper aus PA6GF15 (0,68 g), Kopf aus ABS (0,36 g), Mund/Augen aus ABS (0,06 g), Arme aus POM (0,26 g), Haare aus ABS (0,34 g) und Hände aus POM (0,10 g). Durch das Fertigen des 1,8 g „schweren“ Oberkörpers im Montagespritzguss sind beide Arme sowie der Kopf beweglich. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Das Schussgewicht beim Babyoberkörper aller Materialien beträgt 105 g. Davon entfallen 7,2 g auf die 4 Oberkörper und nahezu 98 g auf das Angusssystem. Die Angüsse werden nach Materialart und Farbe sortiert, mechanisch aufbereitet, compoundiert und in den Prozess zurückgeführt. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Die 3K-Dachmodule werden durch einen Handlingsroboter aus dem einkavitätigen Werkzeug entnommen und auf das Förderband abgelegt. Von dem Weltraumfahrzeug sind 50.000 Stück pro Jahr geplant. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Mit einem offenen Heißkanal werden sowohl der Grundkörper des Leitkegels als auch die weißen Ringe angespritzt. (Bild: Geobra Brandstätter)

Leitkegel, der aus 2 unterschiedlichen TPE Materialien angespritzt wird. Die Maschine produziert in einer Zykluszeit von 22 Sekunden 8 Kegel. Die Kegel werden für 150 Sets des Spielwarenherstellers benötigt. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Pilot, bei dem gleich vier Teile zweikomponentig ausgeführt sind: Gesicht, Arme, Beine und die Rettungsweste. (Bild: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)
Rund um die Uhr im Einsatz
Seitdem die neue Zentralförderanlage installiert wurde, läuft die Materialversorgung prozesssicher, mit maximaler Verfügbarkeit im Dreischichtbetrieb. Rund um die Uhr werden die Spritzgießmaschinen mit Material versorgt und so circa zwei Millionen Teile im Monat in Gewichten von 5 bis 500 g gefertigt. Um das Material entlang der Hallen-Peripherie transportieren zu können, mussten mehrere Kilometer Rohrleitungen und Bögen aus Edelstahl verlegt werden. Ausgehend von den drei neuen Außensilos und der zum Materiallager umfunktionierten alten Halle werden heute täglich um die zweieinhalb Tonnen thermoplastisches Material bewegt. Der Materialverteiler ordnet das Granulat direkt den Bedarfsstellen an den entsprechenden Spritzgießmaschinen zu. Das Material lässt sich hier innerhalb kürzester Zeit wechseln, da die gewünschten Leitungen über Schnellkupplungen am Umsteckbahnhof verbunden werden. Diese Kupplungen sind absolut dicht, ohne Übergänge und Hinterschneidungen. Granulatablagerungen sind ausgeschlossen, was eine hohe Materialreinheit und Produktionssicherheit garantiert.
Wider dem Engelshaar
Zur direkten Materialversorgung sind auf den Spritzgießmaschinen TMA8-Förderabscheider installiert. Diese Abscheider können während eines Fördervorgangs zwei Materialien, wie Neuware und Mahlgut, in zuvor definierten Prozentanteilen fördern. Verriegelungen an den Einsaugstutzen verhindern Falschförderungen durch ein prozesssicheres Abtrennen der Materialströme. Den zur Saugförderung nötigen Unterdruck in der Anlage erzeugen zwei Drehkolbenvakuumpumpen mit je 4,5 kW, wobei die Pumpen sich im täglichen Betrieb abwechseln. Ein vorgeschalteter SA3-Sicherheitsfilter filtert Fremdpartikel bis zu 2 µm aus der Förderluft, um die Pumpen zu schützen. An der Zentralsteuerung befindet sich ein großes Touch-Panel. Sämtliche Parameter können hier aufgerufen und bei Bedarf angepasst werden. Die Zentralsteuerung basiert auf der Siemens SPS 7. Um das Verarbeitungsmaterial schonend zu transportieren, wird die Fließgeschwindigkeit des Materials so angepasst, dass es zu keinen Ablagerungen innerhalb des Leitungssystems kommt. Würde das Granulat mit zu hoher Geschwindigkeit durch die Umlenkungen im Materialstrang gesaugt werden, könnte dies beispielsweise die Engelshaar-Bildung begünstigen. Das wiederum blockiert unter Umständen den Materialfluss
Material einfärben leicht gemacht
Bürstenwaren unterliegen Modetrends. Insbesondere Discounter ordern für ihre Angebote gern farblich herausragende Artikel in den aktuellen Modefarben. Zur Einfärbung des Verarbeitungsmaterials setzt der Hersteller auf die bewährten volumetrischen Dosierstationen aus Ispringen. Dosierrollen mit genau festgelegtem Kammervolumen erlauben hier die exakte volumetrische Zugabe von Masterbatch, UV-Stabilisatoren oder Flammschutzmitteln in den Mischtrichter eines Vormischers. Je nach Materialausführung werden so Dosiergenauigkeiten von ± 0,1 % erreicht. Die variable Laufzeit einer Dosierrolle definiert dabei die Menge, die zugegeben wird. Falls mehr oder weniger Masterbatch hinzugegeben werden soll, als die Rolle in der vorgegebenen Zeit dosiert, kann diese schnell, einfach und ohne Werkzeug gegen eine andere Dosierrolle getauscht werden. Die Dosierstationen sind an Vormischern befestigt, die wiederum direkt über der Einzugszone der Spritzgießmaschinen installiert sind. Die Mischer selbst werden durch die TMA8-Förderabscheider über einen Zulauf mit dem Rohmaterial versorgt. Im Mischtrichter wird die Charge aus Rohmaterial und zudosierten Stoffen mit einem Vertikal-Rührwerk homogen vermischt, was einen gleichbleibenden Farbton am Formteil garantiert und, ganz nebenbei, Masterbatch spart.
Vom Anfang bis zum Ende
Die Bürstenmacher aus dem Erzgebirge fertigen und vermarkten ihre Produkte wirtschaftlich erfolgreich im Hochlohnland Deutschland sowie international. Wettbewerbsprodukte aus Asien sieht man gelassen. Durch Modernisierungen, wie jetzt in der Kunststoffverarbeitung und Automatisierung in der Weiterverarbeitung, werden die Stückkosten niedrig gehalten. In Schönheide legt man viel Wert auf Zuverlässigkeit und guten Service. Das beeinflusste auch die Entscheidung zugunsten Koch-Technik. So stand der Außendienst des Peripherieherstellers dem Unternehmen zu jeder Zeit beratend zur Seite. Seit Ende der Modernisierungsphase läuft die Anlage komplett störungsfrei.
Halle/Stand: A3/3213
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