Lange galten Kunststoffgranulate mit beigemischten Kurzglasfasern von 0,2 bis 0,4 mm Länge als eine kostengünstige Alternative zum Metalldruckguss. Schlagzähigkeit, Festigkeit und Steifigkeit entsprachen dabei jedoch nicht den Wünschen der Anwender. Später setzen sich Granulate durch, bei denen Glasfasern zusammen mit der Schmelze zu einem Strang verarbeitet und das fertige Gemisch in zehn mm lange Granulatkörner zerhackt wurde. Das Ausgangsmaterial ermöglicht so die teure Produktion von verformungsstabilen Teilen, die an die Zugfestigkeitswerte von Aluminium heranreichen. Der Teilehersteller ROS, Coburg, ging nach langem Erproben mit einem Pultrusionsverfahren in Serie, das Standardgranulate verwendet und geschnittene Langglasfasern (LGF) erst kurz vor dem Werkzeug in die Schmelze einbringt. Das Familienunternehmen wurde 1926 in Coburg als Presswerk ROS gegründet und verfügt über einen eigenen Werkzeugbau. Es entwickelt und fertigt mit rund 400 Beschäftigten Werkzeuge zum Verarbeiten von Duro- und Thermoplasten zu Funktions- und Sichtteilen.
Gewicht sparen, Stabilität gewinnen
„Wir erreichen mit dem Verfahren eine hohe Stabilität zu geringen Kosten“, erklärt ROS-Geschäftsführer Steffen Tetztlaff. Derzeit produziert das Unternehmen gefertigte Seilantriebsgehäuse für Türmodule des Audi A4. Tests haben Werte für Schlagzähigkeit, Festigkeit und Steifigkeit ergeben, die denen von Zinkdruckguss ähneln. „Dies jedoch bei einem Viertel des Gewichts“, so Tetzlaff. Zum Einsatz kommen Standardgranulate aus Polypropylen und Polyamid. „Damit liegen wir noch einmal deutlich unter den Kosten von PBT, das bislang üblicherweise für die Produktion faserverstärkter und hochfester Formteile verwendet wird“, betont der Geschäftsführer.
Der Kern des Verfahrens ist eine seitlich an der Spritzguss-Maschine angebrachte Vorrichtung, die LGF erst im letzten Drittel der Förderschnecke in die aufbereitete Schmelze einbringt. Computergesteuert schneiden Klingen auf einer rotierenden Walze die von Endlosrollen eingezogenen Fasern auf individuelle Länge, wobei maximal 17 mm möglich sind. Auch den LGF-Anteil je Formteil können Anwender steuern. Während dem Verarbeiten entsteht ein Wirrgefüge, das ein Glasfaserskelett herausbildet. Das lässt sich beim Veraschen des Polymeranteils verdeutlichen, denn das Skelett des Formteils bleibt in seiner Form erhalten. Das Verfahren vermeidet weitgehend Schäden an den LGF, die sonst bei ihrem Weg durch die Förderschnecke mechanisch beansprucht werden und zum Teil brechen können. Auch der Verschleiß der Schnecke soll somit sinken.
Die Vorteile des LGF-Produktionsverfahrens sind vielfältig. Zum niedrigen Teilegewicht kommen Korrosionsbeständigkeit, Geräuscharmut und Einfärbbarkeit der Formteile. Gegenüber den Metalldruckguss entfällt zudem die spanabhebende Nacharbeit. Schlagzähigkeit, Festigkeit und Steifigkeit lassen sich über die Menge und Länge der beigemischten LGF steuern. Damit eröffnet sich zugleich die Option, mehr Funktionen in ein Formteil zu integrieren, wobei die Kosten unter denen bisheriger Verfahren liegen.