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Statistisch gesehen wurde die Kunststoffverarbeitungsbranche weniger stark von der Corona-Krise betroffen als befürchtet. (Bild: Ralf Mayer/Redaktion Plastverarbeiter)

Der Maschinenbau als wichtige Schlüsselbranche der gesamten verarbeitenden Industrie hat zwischenzeitlich aufkeimenden Optimismus zuletzt wieder gedämpft: In der am 7. Oktober publizierten Biltzumfrage unter Mitgliedsfirmen des VDMA zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie erwarteten nur 18 Prozent, dass bereits im Jahr 2021 eine Rückkehr zum Umsatzniveau von 2019 erreicht wird. 80 Prozent der Unternehmen rechneten dagegen in den nächsten drei Monaten nicht mit einer Verbesserung der Nachfrage. Auf dem Höhepunkt der Krise, in den Monaten Mai bis Juli 2020, hatten die deutschen Maschinenbauer einen Bestellungstrückgang von 26 % gegenüber der Vorjahresperiode verbucht. Mit 17 % etwas weniger dramatisch waren in diesem Zeitraum die Rückgänge im Segment Kunststoff- und Gummimaschinen. Eine einheitliche, über mehrere Monate stabile Entwicklung zeichnet sich noch nicht ab.

Mehrstimmige Signale aus dem Maschinenbau

Innerhalb des Kunststoffmaschinenbaus variieren die Aussichten in Abhängigkeit vom Kundenbranchenmix der einzelnen Unternehmen – und sicherlich auch von Zufällen. So scheint etwa die Wittmann Gruppe bisher eher glimpflich durch die Corona-Krise gekommen zu sein. „Die Abschwächung des Geschäfts im 2. Quartal 2020 ist geringer als befürchtet ausgefallen“, sagte Michael Wittmann auf der virtuellen Pressekonferenz der Gruppe am 7. Oktober. Für das Gesamtjahr 2020 erwartet er ein Umsatzminus von 17 % gegenüber dem Vorjahr. In einzelnen Märkten aber, etwa in Frankreich, Polen, Türkei, Taiwan oder Singapur, zeichnet sich 2020 für Wittmann sogar ein Umsatzwachstum ab. Die Erlöse in den USA blieben währungsbereinigt immerhin auf Vorjahresniveau – unter anderem wohl aufgrund einer starken Medizintechnikbranche, die Rückgänge im Automobilsektor wettmachte. Die vergangenen Wochen haben der Gruppe ein Auftragspolster beschert, das Hoffnungen auf ein Umsatzplus im Jahr 2021 rechtfertigt.

Die Engel Gruppe erwartet für das laufende Geschäftsjahr 2020/21 einen Umsatzrückgang um 20 bis 25 Prozent. Das Jahr 2021 sei mit großen Unsicherheiten verbunden, sagte Dr. Christoph Steger, CSO der Engel Gruppe, auf der virtuellen Pressekonferenz des Unternehmens am 8. Oktober. Jedoch kam es Engel in den letzten Monaten zugute, unterschiedliche Branchen zu bedienen. So spürte das Unternehmen Aufwind seitens der Medizintechnik, die durch Covid-19 einen zusätzlichen Schub erfahren hat. Erste Anzeichen einer konjunkturellen Erholung kommen laut Steger aus China und Nordamerika. „China läuft wieder gut“, berichtete er. Die stärksten Wachstumsimpulse dort kommen demzufolge aus dem Baugewerbe, vor allem aus Projekten im Bereich der Infrastruktur, aber auch die Automobilindustrie zieht wieder an. In Nordamerika sind es nach Beobachtung von Engel vor allem Haushaltswaren sowie Sport- und Freizeitartikel, die die Wirtschaft anlaufen lassen  ̶  wohl auch eine Folge des in den USA besonders stark ausgeprägten Stay-at-home-Trends.

Kunststoffverarbeitung besser als befürchtet

Signale, die man als leichte Entwarnung deuten kann, kommen aus der Kunststoffverarbeitungsbranche. Laut den aktuell vorliegenden Zahlen (Quelle: Destatis) wurden im ersten Halbjahr 2020 in Deutschland Kunststoffwaren im Wert von 27 Mrd. EUR produziert, rund 9 % weniger als im ersten Halbjahr 2019. Von einem zweistelligen Halbjahreseinbruch wie in der großen Finanzkrise 2009 (-22 %) blieb die Branche also verschont. Dabei ist aber zu bedenken, dass die Kunststoffverarbeitung bereits 2019 in eine Rezession schlitterte. Im zweiten Quartal 2020 bewirkte der Lockdown in vielen wichtigen Branchen einen Einbruch der Kunststoffwarenproduktion um 16 Prozent, wobei das Segment Technische Teile und Konsumwaren am meisten litt. Wenn weitere Lockdowns ausbleiben, sollte sich die Lage bis zum Jahresende wieder deutlich aufhellen.

Fazit: Einiges deutet darauf hin, dass die breit aufgestellte Kunststoffbranche mit weniger starken Blessuren aus der Corona-Krise herauskommt, als befürchtet wurde. Allerdings sind die Unsicherheitsfaktoren viel größer als bei „normalen“ Konjunkturkrisen, denn über die Entwicklung des Virus bestimmt letztendlich die Biologie und nicht die Ökonomie.

ist Chefredakteur Plastverarbeiter. ralf.mayer@huethig.de

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