Verlorener Rohstoff oder Potenzial für Morgen? Das Projekt Texkreis hat sich zum Ziel gesetzt, textile Abfälle ökonomisch und nachhaltig wiederzuverwerten.

Verlorener Rohstoff oder Potenzial für Morgen? Das Projekt Texkreis hat sich zum Ziel gesetzt, textile Abfälle ökonomisch und nachhaltig wiederzuverwerten. (Bild: Jürgen Fälchle – stock.adobe.com)

Textilien umgeben uns täglich. Sie beeinflussen den Selbstausdruck, unsere Wahrnehmung und die Stimmung. Doch ebenso wie auf uns haben sie auch stark Auswirkungen auf unsere Umwelt. Kurz getragene Kleidungsstücke und häufig wechselnde Kollektionen lassen die Müllberge stetig wachsen. Im Schnitt wird nach drei Jahren rund die Hälfte der T-Shirts, Blusen und Co. im Kleiderschrank ausrangiert. [1] Vor zunehmenden Umweltproblemen und Ressourcenknappheit gewinnt Textilrecycling deshalb zunehmend an Bedeutung. Verschärfte gesetzliche Regelungen stellen besonders die Kunststoff- und Modeindustrie vor die Herausforderung, nachhaltigere Produktions- und Entsorgungsmethoden zu entwickeln, um den enormen ökologischen Fußabdruck der Branche zu reduzieren. Textilrecycling bietet eine vielversprechende Möglichkeit die Lebensdauer und damit Wiederverwendung bisher entsorgter Materialien aus Kleidungen zu verlängern, Abfall zu minimieren und die Umwelt zu schonen durch neue Kreislaufwirtschaftsmodelle und die Nutzung bisher ungenutzter Rohstoffe. Was sind die aktuellen Methoden, Herausforderungen und Möglichkeiten, um dieses Problem anzugehen? Wie nachhaltig ist Textilrecycling? Welche Erkenntnisse liefert die Forschung?

Bisherige Recyclingmethoden

Textilien sind vielfältig in ihrer Zusammensetzung und Anwendung, wie in der Möbel- und Autoindustrie oder in der Modebranche. Besonders Mischtextilien, die meist aus Polyester wie Polyethylenterephthalat (PET) und Elastan (EL) bestehen, sind bei der Modeindustrie zwar sehr beliebt, stellen jedoch eine Herausforderung im Recycling dar. Viele dieser synthetischen (Misch-) Textilien erschweren aufgrund unterschiedlicher chemischer Zusammensetzungen die Rückführung in den Kunststoffkreislauf erheblich. Lösungen wie lösungsmittelbasiertes oder chemisches Recycling liefern hochwertigere Rezyklate, sind jedoch aufwändig, ressourcen- und energieintensiv und schwer skalierbar. Das mechanische Recycling bietet eine vielversprechende Alternative, da es große Materialmengen effizient verarbeiten kann. Allerdings ist das mechanische Recycling von textilen Mischgeweben aufgrund begrenzter technologischer Möglichkeiten und schlechter Rezyklatqualität bislang unzureichend, da sich Mischmaterialien mit EL nicht recyceln oder trennen ließen. Um das bisher technologisch nicht erschlossene Potenzial des hochwertigen mechanischen Recyclings von Textilien auszuschöpfen und einen großen innovativen Schritt zu machen, kooperiert die Forschungseinrichtung IKK – Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik der Leibniz Universität Hannover daher im Rahmen des von der DBU geförderten Projekts Texkreis mit einer Reihe von Herstellern.

Texkreis – Wer und was steckt dahinter?

Für das Projekt werden Mischungen unterschiedlicher textiler Inputströme aus verschiedenen Branchen untersucht. Dafür werden Materialien von den Projektpartnern Vaude (Sport- und Freizeit), Gerry Weber (Damenmode) und Forbo Movement Systems (mit textilen Halbzeugen verstärkte Förderbänder) zur Verfügung gestellt. Um ein allgemeines Recyclingkonzept auf Basis einer bekannten Zusammensetzung des Inputstroms entwickeln zu können, werden deshalb zunächst Materialien aus dem Post-Industrial-Abfall (PI) betrachtet. Diese bestehen aus Polyester und Polyestermischungen aus PET, PET+EL, PA+EL sowie TPU+PET (Bild 1).

Verschiedenfarbige Stoffrollen: Bild 1: Verschiedene Inputströme aus der Textilindustrie bedeuten auch unterschiedliche Materialzusammensetzungen bei den textilen Abfällen.
Bild 1: Verschiedene Inputströme aus der Textilindustrie bedeuten auch unterschiedliche Materialzusammensetzungen bei den textilen Abfällen. (Bild: IKK)

Federführend ist das IKK sowohl für die materialspezifische Entwicklung, als auch für eine ökologische und ökonomische Betrachtung des gesamten Lebenszyklus von Kunststoffen und der daraus erzeugten Rezyklate verantwortlich. Angefangen bei der Materialentwicklung, bis hin zur anwendungsorientieren prototypischen Umsetzung. Schwerpunkt liegt dabei auf der Betrachtung und Entwicklung eines mechanischen Recyclingkonzepts sowie der Ressourceneffizienz, denn am Ende muss gelten: Die Entwicklung und Weiterverarbeitung der Rezyklate muss unter ökologischen und ökonomischen Aspekten nachhaltiger sein als alternative Entsorgungsrouten, wie der Verbrennung oder Deponierung. Erfahrungen im mechanischen Recycling, ein gut aufgestellter Technologiepark für die Verarbeitung von Kunststoffen, umfassende Analysemethoden, insbesondere im Bereich der chemischen Analyse, aber auch mechanischen Prüfung und Tools zur Nachhaltigkeitsbewertung, zeichnen das IKK aus. Eine besondere Rolle spielen verschiedene Recyclinglinien, welche über eine Reihe innovativer Ausstattungen, wie Inline-Reinigungssysteme oder Inline-Analysen verfügen und es erlauben die Qualität der Rezyklate während des Recyclingprozesses zu überwachen und zu regulieren.
Zukunftsorientierte Unternehmen verschiedener Branchen wie Barlog Plastics, Erema und Gross+Froehlich unterstützen das Projekt mit ihrem jeweiligen Know-how und setzen anschließend die Erkenntnisse und spezifischen Rezyklatentwicklungen in die Praxis um. Der Wissens- und Technologietransfer wird dabei zudem von Tecpart – Verband Technischer Kunststoff-Produkte und der Allianz Faserbasierte Werkstoffe Baden-Württemberg (AFBW) unterstützt.

Welche Schritte sind für ein mechanisches Recycling notwendig?

Damit die Inputströme mechanisch recycelt werden können, sind einige Schritte in der Verarbeitungskette notwendig. Besonders die Materialvorbereitung ist dabei schon die „halbe Miete“, denn dadurch können die anschließenden Prozessabläufe effizienter und mit höherer Output-Qualität durchgeführt werden. Der erste Schritt im Recyclingprozess besteht in der Sammlung von textilen Abfällen. Hierbei ist eine sorgfältige Sortierung entscheidend. Die Trennung von reinen Polyester- und EL-Materialien ist oft nicht möglich, weshalb eine präzise Identifikation der Materialzusammensetzung notwendig ist. Nach der Sortierung werden die Textilien zerkleinert. Dies kann in einer oder mehreren Stufen erfolgen, um die Gewebe und Fasern auf eine geeignete Größe zu bringen. Dafür kommen adaptierte Zerkleinerungsmaschinen wie Schneidmühlen zum Einsatz (Bild 2).

Schaubild: Bild 2: Schematische Materialverarbeitungsschritte des mechanischen Recyclings: Vorbehandelte, das heißt geschredderte und pelletierte Textilabfälle (Oben); Umformung und Optimierung der Materialzusammensetzung am Extruder (Mitte); Spritzgussmaschine zur Teileherstellung aus den Rezyklaten (Unten).
Bild 2: Schematische Materialverarbeitungsschritte des mechanischen Recyclings: Vorbehandelte, das heißt geschredderte und pelletierte Textilabfälle (Oben); Umformung und Optimierung der Materialzusammensetzung am Extruder (Mitte); Spritzgussmaschine zur Teileherstellung aus den Rezyklaten (Unten). (Bild: IKK)

Das Zerkleinern der Materialien führt zunächst dazu, dass sich die Gewebe und Fasern auffächern und fluffig werden. Um die Rieselfähigkeit und auch bei dem folgenden Verarbeitungsschritt den Einzug in den Recyclingextruder sicherstellen zu können, müssen die zerkleinerten und fluffigen Textilien mittels Pressen zu Pellets kompaktiert werden. Das hat vor allem den Vorteil, dass Volumina reduziert und bessere Rieselfähigkeiten sichergestellt werden. Die Schüttdichten lassen sich dabei teilweise um 300 % oder mehr erhöhen und unabhängig vom untersuchten EL-Anteil erfolgreich durchführen. Nach einem materialspezifischen Trocknungsverfahren werden anschließend über die Recyclingextruder Granulate hergestellt. Damit die Granulate optimale Eigenschaften für die spätere Endanwendung aufweisen, ist eine Steuerung der resultierenden Eigenschaften idealerweise bereits im Recyclingprozess nötig. Während der Extrusion kann dabei Einfluss auf die Materialeigenschaften genommen werden, indem beispielsweise Schmelzefiltersysteme zur Entfernung von Kontaminationen oder Spülgase zur Entfernung flüchtiger Substanzen verwendet werden. Durch den hier beschriebenen Weg lässt sich dann das erfolgreich hergestellte Granulat als Ausgangsstoff für die Weiterverarbeitung zu Spritzgussbauteilen nutzen.

Die ersten Ergebnisse – wie vielversprechend sind sie?

Eine große Herausforderung beim mechanischen Recycling ist die variable Zusammensetzung der Materialien. Die Trennung auf molekularer Ebene ist nicht möglich, was zu Kontaminationen durch Zusatzstoffe wie Farben und Füllstoffe wie EL führt. Diese beeinflussen die Eigenschaften der Produkte negativ, da Farben dunkler werden und ihre Zersetzungsprodukte unbekannte Emissionen verursachen können. Zudem verhalten sich textile Polymer anders als Spritzguss-Polymere, da sie für unterschiedliche Anwendungen konzipiert und nicht austauschbar sind. Dennoch sind die ersten Ergebnisse vielversprechend. Eigenschaften wie die Viskosität und mechanische Werte (Zug-Modul und Charpy-Kerbschlagzähigkeit), aber auch Infrarotspektroskopie und Dynamische Differenz-Kalorimetrie-Untersuchungen zeigen eine hochwertige materialtechnische Qualität der Rezyklate. Zwar sinkt die mechanische Maximalfestigkeit um rund 32 % aufgrund des Anteils von EL deutlich gegenüber Material ohne EL, jedoch sind die Materialien mit und ohne EL in anderen charakteristischen Materialkennwerten wie dem Elastizitätsmodul oder der Bruchdehnung durchaus miteinander vergleichbar. Insgesamt weisen die ersten Ergebnisse eine gute Basis auf, um einen wichtigen Grundstein für das mechanische Recycling von Textilien zu legen. Je nach individueller Zusammensetzung und Anforderung können Textilrezyklate mit einer vergleichbaren Performance wie kommerziell erhältliche Kunststoffrezyklate erzielt werden. Auf Basis der Zusammensetzung der textilen Inputströme müssen dazu eine entsprechende Aufbereitungs- und Recyclingstrategie entwickelt und die Prozessparameter an die recyclingtechnischen Anforderungen der jeweiligen Inputströme angepasst werden.

Kleidung in einem Müllsack. Bild 3: Kleidungsstücke haben eine eher kurze Halbwertszeit: Im Schnitt werden sie nach drei Jahren ausrangiert. Ziel ist es, diese sowie die verwendeten Materialien im Kreis zu führen.
Bild 3: Kleidungsstücke haben eine eher kurze Halbwertszeit: Im Schnitt werden sie nach drei Jahren ausrangiert. Ziel ist es, diese sowie die verwendeten Materialien im Kreis zu führen. (Bild: Mario Hoesel – stock.adobe.com)

Wie sieht die Zukunft aus?

Insgesamt sind noch viele Fragen offen. Weitere Untersuchungen sollen jedoch zeigen, welchen Einfluss verwendete Zusatzstoffe wie zum Beispiel Farbmittel im Material haben und ob die Möglichkeit eines Fiber-to-Fiber-Recyclings besteht. Im Hinblick auf spezifische Endanwendungen und der branchenübergreifenden Kooperation sollen die Rezyklate anschließend auf anwendungsspezifisch erforderliche Performance modifiziert werden. Zudem wird eine Nachhaltigkeitsbewertung durchgeführt, um den Vergleich zwischen dem aktuellen Umgang mit textilen Abfällen und der untersuchten Recyclingstrategie ökologisch und ökonomisch zu beurteilen.

Quelle: IKK

Dank

Wir möchten uns bei der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für deren Unterstützung und Förderung bedanken.

Weitere Autoren:

  • Prof. Dr.-Ing. Hans-Josef Endres, Leiter des IKK-Instituts für Kunststoff- und Kreislauftechnik an der Leibniz Universität Hannover (LUH)
  • Dr. Madina Shamsuyeva, wissenschaftliche Mitarbeiterin, IKK-Institut für Kunststoff- und Kreislauftechnik

 

Literatur

[1] Greenpeace: https://www.greenpeace.de/publikationen/20151123_greenpeace_modekonsum_flyer.pdf

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