Maschine: Textile Bodenbeläge lassen sich mechanisch recyceln und damit wiederverwerten.

Textile Bodenbeläge lassen sich mechanisch recyceln und damit wiederverwerten. (Bild: IKV)

Der europaweite Abfallstrom textiler Bodenbeläge umfasst jährlich 1,6 Mio. t., von denen etwa 400.000 t thermisch verwertet und so dem Stoffkreislauf entzogen werden [URL19a]. Konventionelle Bodenbeläge bestehen zum Großteil aus recyclingfähigen Thermoplasten (Polyamide PA6 und PA6.6, Polypropylen PP, Polyester PET) sowie einer mit Calciumcarbonat
(CaCO3) gefüllten Latexschicht [URL19a]. Der Sandwich-Aufbau eines getufteten textilen Bodenbelags ist in Bild 1 schematisch dargestellt.
Die Fixierung der freiliegenden Totpole mittels Latex ist ein sehr kostengünstiges Verfahren, das die Herstellung langlebiger Bodenbeläge ermöglicht. Durch die von anderen Abfallströmen isolierte Sammlung haben ausgediente textile Bodenbeläge großes Entwicklungspotenzial, zu einem relevanten Recyclingstoffstrom im mechanischen Recycling zu werden [BDG01]. Zur Verbesserung der resultierenden Rezyklatqualität kann das Design der Bodenbeläge optimiert werden. So lässt sich beispielsweise der Anteil an PA erhöhen, indem man den nicht aufschmelzbaren Latex durch eine PA-Folie ersetzt [CRH21, URL19b, URL19c]. Die Reduzierung weiterer Störstoffe wie Schmutzanhaftungen oder Fremdpolymere lässt sich über eine Sortierung sowie das Schreddern und Waschen der Fasern umsetzen [Com19, PT23]. Über die Schmelzefiltration in der Aufbereitung der Fasern können tendenziell weitere Störstoffe entfernt werden [BMS92, MS95, MS96].
Da die werkstoffliche Aufbereitung textiler Bodenbeläge sowie die resultierende Materialqualität bisher nicht systematisch untersucht wurden, wurde ein von der Firma Aquafil Holding, Italien, zur Verfügung gestellter Teppichabfallstrom aufbereitet. Dieser wurde zuvor sortiert und auf eine Faserlänge von etwa 20 mm geschreddert [URL19c]. Das Ziel ist die Untersuchung der Materialdegradation durch die Aufbereitung sowie der Entfernung von Störstoffen durch eine Oberflächenfiltration mit zwei verschiedenen Filtergrößen.

Sandwich-Aufbau eines konventionellen getufteten textilen Bodenbelags bestehend aus Polgarn (PA6, PA6.6 oder PP), Trägermaterial (PP oder PET), einem CaCO3-gefüllten Latex-Vor- und Kaschierstrich zur Fixierung der Totpole sowie einer Rückenschicht (PP, Polyvinylchlorid oder Naturfaser) [DZL+23].
Bild 1: Sandwich-Aufbau eines konventionellen getufteten textilen Bodenbelags bestehend aus Polgarn (PA6, PA6.6 oder PP), Trägermaterial (PP oder PET), einem CaCO3-gefüllten Latex-Vor- und Kaschierstrich zur Fixierung der Totpole sowie einer Rückenschicht (PP, Polyvinylchlorid oder Naturfaser) [DZL+23]. (Bild: IKV)

Material schonend aufbereiten

Da das Material vorwiegend aus hygroskopischem PA6 besteht, wurde es vor jedem Aufbereitungs- und Charakterisierungsschritt für mindestens 6 Stunden bei 100 °C in einem Umlufttrockner getrocknet. Der Versuchsaufbau ist in Bild 2 schematisch dargestellt. Für die werkstoffliche Aufbereitung auf einem Doppelschneckenextruder vom Typ ZSK26Mc der Firma Coperion, Stuttgart (L/D 45), wird eine Schmelzetemperatur von etwa 250 °C und ein Durchsatz von etwa 8 kg/h gewählt. Die Schneckenkonfiguration wird so umgesetzt, dass eine möglichst schonende Aufbereitung realisiert wird. Das Aufschmelzen findet im Gehäuse 4 statt, um die effektive Verfahrenslänge auf 33 D zu verkürzen. Bis auf eine kurze dispersive Mischzone werden ausschließlich Förderelemente verwendet, um die mechanische Belastung auf das Material zu minimieren. Da die geringe Schüttdichte und die Neigung zur Brückenbildung der geschredderten Fasern das Dosieren im Extruder im Labormaßstab erschwert, werden die Fasern über ein Stopfwerk vom Typ KSW der Firma Kreyenborg, Senden, in die Doppelschnecke gefördert. Für die Schmelzefiltration kommt ein Siebwechsler der Firma W. Müller, Troisdorf-Spich, zum Einsatz. Das Filterdrahtgewebe weist dabei Filtergrößen von 125 µm beziehungsweise 330 µm auf. Zur Gewährleistung eines ausreichend hohen Filtervordrucks wird eine Zahnradpumpe der Firma Maag Germany, Großostheim, verwendet.

Schaubild: Versuchsaufbau der Aufbereitungsversuche.
Bild 2: Versuchsaufbau der Aufbereitungsversuche. (Bild: IKV)

Um die Degradation des Materials durch die Aufbereitung zu untersuchen, kann die Scherviskosität vor und nach der Aufbereitung gemessen werden. Es ist zu erwarten, dass die mechanische und thermische Belastung während der Aufbereitung zum Kettenabbau des PA6 und somit zu sinkenden Viskositäten führt [LCS02]. In Bild 3 sind die Scherviskositätskurven der Teppichfasern vor der Aufbereitung, nach der Aufbereitung ohne Filtration, mit 125 µm Filtration und mit 300 µm Filtration dargestellt, welche auf einem Hochdruck-Kapillarrheometer Rheograph 2002 der Göttfert Werkstoff-Prüfmaschinen, Buchen, gemessen wurden. Es wurden drei Kapillaren mit Längen von 5 mm, 10 mm und 20 mm und einem Durchmesser von 1 mm in einem Scherratenbereich von 51 bis 1630 s-1 verwendet.
Entgegen den Erwartungen führt die Aufbereitung und Oberflächenfiltration nicht bei allen aufbereiteten Proben zu einer Verringerung der Viskositäten. Für die Filtration mit 125 µm wurden beispielsweise höhere Viskositäten gemessen als für das unverarbeitete Material. Die Kurven liegen jedoch alle in einem ähnlichen Viskositätsbereich. Ein Einfluss der mechanischen und thermischen Schmelzebelastung während der Aufbereitung oder gar eine Degradation des Materials lässt sich anhand der Scherviskosität nicht eindeutig feststellen. Dies kann darauf hindeuten, dass die Störstoffe in der Filtration nicht gefiltert beziehungsweise nur zerteilt wurden. Mögliche Ursachen für die geringfügigen Unterschiede zwischen den Scherviskositäten können Inhomogenitäten in der Rezyklatzusammensetzung sowie Unterschiede im Feuchtegehalt der Fasern sein. PA6 ist hygroskopisch und neigt in der Verarbeitung zu hydrolytischem Abbau. Schon wenige Minuten nach dem Entfernen des getrockneten Materials aus dem Trockner kann eine Wiederbefeuchtung eintreten. Dieser Effekt wird durch die hohe spezifische Oberfläche der Fasern zusätzlich beschleunigt [LCS02].

Grafik: Viskosität des unverarbeiteten und compoundierten Materials bei einer Prüftemperatur von 230 °C.
Bild 3: Viskosität des unverarbeiteten und compoundierten Materials bei einer Prüftemperatur von 230 °C. (Bild: IKV)

Störstoffe aus der Schmelze entfernen

Über die Oberflächenfiltration lassen sich Störstoffe wirtschaftlich entfernen, da sie im Vergleich zur Tiefenfiltration ohne große Verluste in Druck und somit Durchsatz betrieben werden kann [LJL+08, Mar08, Sch96, Sch03]. Die im Rezyklat enthaltenen CaCO3-gefüllten Latexpartikel können sich jedoch unter mechanischer Belastung verformen und zerteilen. Somit besteht die Möglichkeit, dass die Störstoffe im Rezyklat den Oberflächenfilter passieren [SVM17]. Der Störstoffanteil des Rezyklats kann qualitativ über die thermogravimetrische Analyse eingeschätzt werden. Hierzu werden für alle Versuchspunkte jeweils drei Proben mit Massen von etwa 17 g bei einer Temperatur von 30 °C bis 1000 °C und mit einer Heizrate von 20 K∙min-1 analysiert. Bei Erreichen einer Temperatur von 800 °C wird der Gasstrom von 20 mL∙min-1 Stickstoff auf 20 mL∙min-1 Sauerstoff gewechselt und die Temperatur nach einer Isotherme von 5 min bis zur Endtemperatur erhöht. Entlang der Degradationskurven werden für die gemessenen Proben vier Abbaustufen identifiziert und den jeweiligen Bestandteilen zugeordnet. Gemittelt aus jeweils drei Messungen ergibt sich für jeden Versuchspunkt eine Einschätzung der Zusammensetzung, welche in Tabelle 1 abgebildet ist.
Die thermogravimetrische Analyse aller Proben zeigt mit steigender Temperatur zunächst das Entweichen von Wasser, gefolgt von der Degradation der im Rezyklat enthaltenen Kunststoffe. Bei über 600 °C befinden sich Abbaustufen, die anorganischen Verbindungen sowie geringfügigen Mengen von Pyrolyserußen zugeordnet werden können. CaCO3 reagiert bei Temperaturen über 600 °C unter Freisetzung von CO2 zu CaO, welches im Probentiegel verbleibt [Ehr11, Ehr20]. Bei einer erfolgreichen Filtration des CaCO3-gefüllten Latex aus dem Rezyklat sind demnach geringere Anteile anorganischer Verbindungen und ein geringerer Rückstand zu erwarten. Der Vergleich der Proben zeigt jedoch nur geringfügige Unterschiede in der Probenzusammensetzung. Die Anteile von anorganischen Verbindungen und Rückstand lassen keine Korrelation mit der Filtergröße erkennen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass durch die Oberflächenfiltration keine effektive Entfernung der Latexpartikel erreicht wird. Somit eignet sich die Oberflächenfiltration nicht, um die Rezyklatqualität zu erhöhen.

Tabelle 1: Probenbestandteile der aufbereiteten Rezyklate gemessen durch thermogravimetrische Analyse.
Tabelle 1: Probenbestandteile der aufbereiteten Rezyklate gemessen durch thermogravimetrische Analyse. (Bild: IKV)

Fazit und Ausblick

Die Aufbereitung und Schmelzefiltration von Fasern aus textilen Bodenbelägen auf dem Doppelschneckenextruder wurde untersucht. Die Oberflächenfiltration mit Filtergrößen von 125 µm und 330 µm hat keinen signifikanten Einfluss auf die Entfernung von Störstoffen wie beispielsweise den vernetzten Anteilen aus Latex gezeigt. Für die Entfernung der gefüllten Latexpartikel ist voraussichtlich eine Tiefenfiltration nötig, welche jedoch den Durchsatz und somit die Wirtschaftlichkeit des Prozesses beeinträchtigt. Die Aufbereitung sowie die Filtergrößen der Oberflächenfiltration haben im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen keinen Einfluss auf die Viskosität der Proben gezeigt. Die geringfügigen Unterschiede können beispielsweise durch Inhomogenitäten in der Rezyklatzusammensetzung oder die nichtreproduzierbare Wiederbefeuchtung der getrockneten Fasern während des Dosierens begründet sein. Über die direkte Dosierung des Materials vom Trockner in die Aufbereitungsmaschine kann die hydrolytische Degradation des PA6 weiter reduziert werden. Im weiteren Verlauf des Projektes werden die Tiefenfiltration der Rezyklatfasern, die Flachfolienextrusion sowie das Thermobonding der aufbereiteten Proben untersucht.

Quelle: IKV

Weitere Autoren:

  • Prof. Dr. rer. nat. Rainer Dahlmann, außerplanmäßiger Professor am Lehrstuhl für Kunststoffverarbeitung und wissenschaftlicher Direktor Kreislaufwirtschaft am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) an der RWTH Aachen
  • Lisa Leuchtenberger-Engel, Leiterin der Abteilung Extrusion und Kautschuktechnologie am IKV

Dank

Das IGF-Vorhaben 22910 N der Forschungsvereinigung Textil wird in Kooperation mit dem Institut für Bodensysteme an der RWTH Aachen (TFI) im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Allen Institutionen gilt unser Dank.

Literatur

[URL19a]            N.N.: Bodenbelag-Recycling: Angesichts der Quoten auf dem Teppich bleiben. URL: https://eu-recycling.com/Archive/23613/print/, 10.10.2023

[BDG01]              Braun, D.; Disselhoff, R.; Guckel, C.; Illing, G.: Rohstoffliches Recycling von glasfaserverstärktem Polyamid-6. Chemie Ingenieur Technik 73 (2001) 3, S. 183-190

[CHR21]              Dr.-Ing. Brit Clauß, S.R., Tina Hensel, Dominik Russig: Eigenschaften und Anwendungsmöglichkeiten von Recycling-Polyamiden. TECHNOMER, Chemnitz.

[URL19b]            N.N.: Vom Fußballplatz in die Kreislaufwirtschaft. URL: https://www.bvse.de/gut-informiert-kunststoffrecycling/nachrichten-recycling/4873-vom-fussballplatz-in-die-kreislaufwirtschaft.html, 10.10.2023

[URL19c]             N.N.: Aquafil Works to Close the Loop on Carpet Manufacturing. URL: https://www.waste360.com/recycling/aquafil-works-close-loop-carpet-manufacturing, 10.10.2023

[PT23]                  Olivier Piernot, P.T.: Aus alten Teppichen entstehen neue Polymervarianten. Kunststoffe 8 (2023) 27-29

[BMS92]             Boo, H.K.; Mikofalvy, B.K.; Summers, J.W.; Sell, W.A.; Mittendorf, D.H.: Melt filtration of recycled PVC. Journal of Vinyl Technology 14 (1992) 3, S. 140-144

[MS95]                Michaeli W., Schäfer B.: Schmelzefiltration in der Extrusion. Plastverarbeiter (1995)

[MS96]                Michaeli W., Schäfer B.: Schmelze-Filtration - Steigerung der Qualität extrudierter Produkte. Plastics Special (1995)

[LCS02]                La Mantia, F.P.; Curto, D.; Scaffaro, R.: Recycling of dry and wet polyamide 6. Journal of Applied Polymer Science 86 (2002) 8, S. 1899-1903

[LJL+08]               Lee, K.M.; Jo, Y.M.; Lee, J.H.; Raper, J.A.: Assessment of surface and depth filters by filter quality. Powder Technology 185 (2008) 2, S. 187-194

[Mar08]              Markarian, J.: Choosing a melt filtration system. Plastics, Additives and Compounding 10 (2008) 3, S. 32-35

[Sch96]                Schäfer B.: Untersuchung der Schmelzefiltration thermoplastischer Reststoffe in der Extrusion. Abschlussbericht zum AIF-Forschungsvorhaben Nr. 9288. (1996)

[Sch03]                Schmitz, Torsten: Schmelzefiltration in der Extrusion - Damit der Druck stimmt. Plastverarbeiter (2003)

[SM17]                Schöppner, V.M., Peter: Development of a method for a realistically and reproducible contamination of polymer melt filters. 2017

[Ehr11]                Ehrenstein, G.W.: Polymer Werkstoffe. München: Hanser, 2011

[Ehr20]                Ehrenstein, G.W.: Thermische Analyse. Hanser, 2020

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV)an der RWTH Aachen

Seffenter Weg 201
52074 Aachen
Germany