
„Dank der elektrohydraulischen Zerkleinerung können wir nun 98 Prozent der Rohstoffe aus unserem Produktionsausschuss in diesem Bereich wiederverwerten. Damit sind wir unserem Ziel der Kreislaufwirtschaft einen großen Sprung nähergekommen“, so David Zapf, Prozessingenieur Kunststofftechnik und Oberflächentechnik bei der Hansgrohe Group. (Bild: Hansgrohe/Rectec)
Galvanisierte Bauteile zählen zu den Endgegnern beim Thema Recycling. Da das Rückgewinnen der enthaltenen Wertstoffe technisch sehr komplex ist, konzentrieren sich bisherige Verfahren meist nur auf eine der Materialfraktionen; in der Regel die Metalle. Eine zu geringe Materialreinheit erlaubt zudem nur das Downcycling der Komponenten. Beides führt dazu, dass sich die Kosten für den aufwändigen Recyclingprozess im Verhältnis zum Wert der gewonnenen Wertstoffe wirtschaftlich kaum lohnen. Das Unternehmen Impulstec hat es sich zur Aufgabe gemacht, die in Deutschland bisher kaum verbreitete Technologie der Schockwellen- beziehungsweise elektrohydraulischen Zerkleinerung (EHZ) für das stoffliche Trennen komplexer Materialverbunde in industriellen Prozessen umzusetzen. So wurde Anfang des Jahres 2024 beim Sanitärtechnikhersteller Hansgrohe eine eigens konzipierte Anlage zum Entschichten verchromter Kunststoffbauteile durch Schockwellenbehandlung in Verbindung mit einer Vorzerkleinerung und magnetischen Separation in Betrieb genommen. Darin lässt sich der Produktionsausschuss an Bad- und Küchenarmarturen mit einer Materialreinheit von >99,8 % trennen, welche die Wiederverwertung beider Stofffraktionen ermöglicht.
Haftfestigkeit hoch, Recyclingfähigkeit niedrig
Da die Hansgrohe Group sehr hohe Qualitätsansprüche an ihre Dusch-, Bad- und Küchenarmaturen stellt, lässt sich ein gewisser Produktionsausschuss nicht vermeiden. „Vor allem die verchromten ABS-Kunststoffteile waren uns bisher ein Dorn im Auge“, berichtet David Zapf, Spezialist Oberflächentechnologie bei der Hansgrohe Group, und spielt dabei etwa auf Gehäuse von Handbrausen, Wandrosetten sowie Knöpfe und Tasten an den Armaturen an. Um den Produkten im Einsatz ihre Robustheit und Langlebigkeit zu verleihen, schafft der Hersteller einen besonders stabilen Verbund zwischen Kunststoff und Metall. Dies ist einerseits ein Qualitätsmerkmal, stellt andererseits jedoch die Wiederaufbereitung vor große Herausforderungen, wie Zapf erzählt: „Da es uns intern bisher nicht möglich war, die dünne Galvanikschicht unter Erhaltung beider Stofffraktionen wieder vom ABS zu trennen, gaben wir die verchromten Bauteile vor dem Projekt an externe Recyclingpartner.“
Im Rahmen seiner Masterarbeit wurde Zapf schließlich 2019 auf die Schockwellentechnologie von Impulstec aufmerksam, die eine Rückgewinnung beider Stofffraktionen mit hohem Reinheitsgrad versprach. Von 2021 bis Anfang 2023 entwickelten die zwei Unternehmen daraufhin gemeinsam ein Verfahren zum Entschichten der galvanisierten Kunststoffbauteile. Zu diesem Zweck kombinierten sie die Schockwellenbehandlung mit einer Vorzerkleinerung sowie einer anschließenden magnetischen Separation. Seit Anfang 2024 ist die Anlage nun bei Hansgrohe am Produktionsstandort in Offenburg/Elgersweier in Betrieb.

So wird zerkleinert, getrennt, getrocknet
„Aufgrund der örtlichen Begebenheiten bei Hansgrohe musste die neue Anlage zur Aufstellung im Außenbereich geeignet sein und durfte eine Länge von 22 m sowie eine Breite von 10 m nicht überschreiten“, erklärt Impulstec-Geschäftsführer Stefan Eisert. „Deswegen haben wir die Pilotanlage in drei witterungsfesten Containereinheiten konstruiert.“ Da die zu recycelnden galvanisierten Bauteile unterschiedlich groß und komplex ausfallen, befindet sich im ersten Container die Vorzerkleinerung inklusive Siebturm. Das daraus gewonnene homogene Granulat wird im zweiten Abschnitt der eigentlichen Schockwellenbehandlung unterzogen. Hierzu wird das vorbehandelte Rohmaterial in ein Wasserbad gegeben. Indem innerhalb des Mediums zwischen zwei Elektroden kurzzeitig ein Lichtbogen gezündet wird, entstehen mechanische Schockwellen, welche die einzelnen Materialfraktionen nach und nach voneinander trennen. Das verbrauchte Wasser wird anschließend gefiltert und in einem geschlossenen Kreislauf wieder in den Schockwellenprozess zurückgeführt.
Das behandelte Material gelangt hingegen in den dritten Container und wird dort getrocknet. Anschließend werden die einzelnen Stofffraktionen mittels Magnetabscheidung voneinander getrennt. Mit 70 bis 80 % handelt es sich beim größeren Teil davon um Kunststoff. Damit daraus erneut Armarturen hergestellt werden können, muss dieser eine stabile Reinheit von >99,8 % besitzen. Die getrennte Materialfraktion setzt sich aus den Metallen Kupfer, Nickel und Chrom aus der Galvanikbeschichtung zusammen und wird an metallverarbeitende Unternehmen abgegeben. „Da es sich bei der Anlage um ein völlig neues Konzept handelt, mussten wir sämtliche Prozessschritte sowie deren Verkettung und Zusammenspiel im Rahmen der Entwicklung ausführlich erproben und optimieren. So können wir nun die hohen Anforderungen seitens Hansgrohe an die Materialreinheit erfüllen“, ergänzt Eisert.
Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.
Bei Hansgrohe ist die neue Anlage an etwa 250 Arbeitstagen im Jahr jeweils acht Stunden in Betrieb. Daraus ergibt sich ein jährlicher Durchsatz von 100.000 kg verchromtem Kunststoff. „Dank der elektrohydraulischen Zerkleinerung können wir nun 98 Prozent der Rohstoffe aus unserem Produktionsausschuss in diesem Bereich wiederverwerten“, freut sich Zapf. „Damit sind wir unserem Ziel der Kreislaufwirtschaft einen großen Sprung nähergekommen. Denn jede Ressource, die nicht erst neu gewonnen werden muss, schont unsere Ökosysteme langfristig und spart Energie sowie Wasser in Produktionsprozessen.“

Hierfür ist die Technologie ebenfalls geeignet
Der erfolgreiche Einsatz der elektrohydraulischen Zerkleinerung bei galvanisierten Kunststoffbauteilen zum Wiederverwerten beider Stofffraktionen markiert einen Meilenstein für die Recyclingtechnik im industriellen Bereich. Auch Zapf zieht eine positive Bilanz aus der Zusammenarbeit mit Impulstec. Bei Hansgrohe wird daher bereits untersucht, inwiefern sich die Schockwellentechnologie zukünftig ebenfalls zum Recycling von Komplettprodukten, also bereits von Kunden genutzten Armaturen, einsetzen lässt. „Die Anwendung unseres neu entwickelten Entschichtungsprozesses bei Sanitärprodukten war nur der erste Schritt“, ergänzt Eisert abschließend. „In der Automobilindustrie sowie im Elektronikbereich eröffnet unsere Technologie ebenfalls neue Möglichkeiten der Wiederverwertung von Produktionsausschuss sowie Produktkomponenten am Ende ihres Lebenszyklus.“
INTERVIEW: Nachgehakt bei Stefan Eisert, Geschäftsführer Impulstec

Warum wird von einer elektrohydraulischen Zerkleinerung gesprochen?
Stefan Eisert: Das Schockwellenverfahren nutzt gezielt generierte elektrische Entladungen unter Wasser, um einen Plasmakanal zu erzeugen und eine Schockwelle zu bilden. Dabei wird die Entladung/Schockwelle gezielt in der Flüssigkeit, vorzugsweise Wasser, erzeugt.
Auf welche Partikelgröße werden die Bauteile im ersten Schritt zerkleinert?
Eisert: Die beschichteten Kunststoffteile werden auf Partikel <5 mm zerkleinert.
Wie lange dauert der vollständige Entchromungsprozess?
Eisert: Wir geben für den Prozess keine Zeitdauer, sondern einen Durchsatz an. Dieser liegt bei der beschriebenen Anlage bei rund 750 g/min.
Erfolgt dieser batchweise oder kontinuierlich?
Eisert: Es handelt sich um einen diskontinuierlichen Prozess, damit die hohe Reinheit der Kunststoffgranulate gewährleisten werden kann. Der Schockwellenreaktor wird zyklisch befüllt und entleert, die Verkettung der einzelnen Prozessschritte ist automatisiert.
Wird das wiedergewonnene ABS beim Verarbeiten mit Neuware gemischt?
Eisert: Hansgrohe hat zurückgemeldet, dass aufgrund der hohen Reinheit von 99,8 % keine Beimischen von Neuware erfolgt. Für sehr anspruchsvolle Anwendungen findet eine zusätzliche Regranulierung der Rezyklate statt, dies ist jedoch die Ausnahme.
Beim Galvanisieren werden an der ABS-Oberfläche Kavernen erzeugt, um die Chromschicht haftfest verankern zu können. Hat diese Veränderung der Randschicht Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften des wiedergewonnen ABS?
Eisert: Zahlreiche Untersuchungen bei Hansgrohe zeigten, dass es zu keiner Änderung der mechanischen Eigenschaften kommt. Die bei der Galvanisierung morphologisch veränderte Schicht ist circa 1 µm dick, dies hat bei einer durchschnittlichen Wanddicke von 2 mm einen untergeordneten Einfluss.
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