Bei diesem Fachartikel handelt es sich nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung über Plastizide und deren Wege in
- die Vorbereitung zur Wiederverwendung,
- das Recycling oder
- die thermisch/stoffliche Verwertung,
als vielmehr um eine (weitgehend) emotionsbefreite Darstellung unternehmerischer Verantwortung zum Lösen grundsätzlicher Fragestellungen im Zuge der Energiewende. Besser noch: Wie gehen Unternehmen mit den glas- oder carbonfaserverstärkten Kunststoffen um, die in symbolträchtiger Form des Rotorblatts manchen noch heute als Unheilsbringer der Windkraft gelten?
Der Beitrag beleuchtet den zeitlichen Kontext sowie die Meilensteine technischer wie politischer Entwicklung und Willensbildung. Das alles dient dem Ziel, einer sachlichen, von aufgeladener Emotionalität befreiten Diskussion auf Basis von Daten und Fakten den Weg zu bereiten und durch Informationen einer selbstbestimmten Meinungsbildung beizutragen. Dem Autor ist es wichtig, deutlich zu machen, dass das mögliche Nennen von Unternehmen nicht dem Ziel der Bewerbung dient, sondern es sich um Unternehmer handelt, die Schritte dieser Art gedacht und verantwortungsgerecht vollzogen haben.
Kunststoffrecycling: Der große Überblick
Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.
Was war die Herausforderung?
Glasfaserverstärkte Kunststoffe (GFK) erfreuen sich aufgrund ihrer positiven Eigenschaften in zahlreichen Bereichen wie dem Herstellen von Rotorblättern für Windenergieanlagen, dem Schiffbau oder der Automobilindustrie großer Beliebtheit. Aufgrund der hohen Festigkeit, Flexibilität sowie einer leichten Verarbeitung in der Produktion ist GFK vielseitig einsetzbar. Allerdings waren bislang dessen Wiederverwendungsmöglichkeiten begrenzt. Das Deponieren von GFK-Abfällen ist bereits seit 2005 verboten und das Verbrennen nur eingeschränkt möglich und wenig sinnvoll.
Somit stellt sich die Frage nach einer stofflichen Verwertung, denn bei GFK handelt es sich um einen Werkstoff, der neben einer Harzkomponente große Mengen an SiO2 (Siliziumdioxid) enthält. Ist es somit ein Fall für die Zementindustrie?
Die materialangepasste Zerkleinerung und das nachfolgend stoffliche und energetische Verwerten in Zementfabriken ist für Glasfaserverbunde die derzeit erste Wahl. Hierbei wurde in einem zweistufigen Verfahren mittels eines Einwellenzerkleinerers und eines Sieb-Querstrom-Zerspaners das Material durch 40 mm-Siebe ausgetrieben. Der Einsatz von faserverstärkten Kunststoffen ermöglicht einerseits die Substitution von Brennstoffen, indem eine Mischung aus Sekundärbrennstoffen und GFK im Calcinator des Zementwerks zur Energiegewinnung genutzt wird. Andererseits sind die zurückbleibenden festen Rückstände reich an Silizium- und Calciumoxidverbindungen und werden als Bestandteil des Zementklinkers verwertet. Sie substituieren Kalkstein und Quarzsand. Damit dient das thermische Verwerten ausschließlich dem Zweck, die stofflichen Komponenten für die Klinkerproduktion verfügbar zu machen. Mit dem entwickelten trockenmechanischen Verfahren zum stofflichen Verwerten ist die derzeit erfolgreichste Lösung im Markt platziert. An den fehlenden 25 % zum Schließen eines stabilen Kreislaufs arbeitet die Branche mit der gleichen Begeisterung, Konzentration und Akribie, die sie bis hierhergeführt hat.
Die Lösung: Ressourcenschonend
Ein Mitgliedsunternehmen der Industrievereinigung RDR Wind e. V. (Repowering, Demontage und Recycling) hat mit ebensolcher Akribie eine stoffliche Verwertung erfolgreich umgesetzt.
„We design waste“ ist der Ursprung und das Selbstverständnis von Neowa mit Sitz in Lüneburg und Bremen. Das Unternehmen ist laut Autor ein Pionier des Rückbaus, in dem das Recycling von Faserverbundwerkstoffen von Beginn an einen hohen Stellenwert besaß. Neben der Transformation von ausgesuchten Abfallströmen in höherwertige Nebenprodukte und der Produktion von Energiepellets galt das Augenmerk stets einer stofflichen und damit ressourcenschonenden Lösung für Rotorblattbruch wie auch anderer Produktionsabfälle von Faserverbunden. Eingebettet waren diese Aktivitäten konsequent in einen Prozess qualifizierter Dienstleistungen mit ebenso qualifizierten Partnern, die neben anderen Faktoren den Ausgangspunkt für die später mitgegründete Industrievereinigung „RDR Wind e. V.“ bildeten. Neowa steht nur stellvertretend für engagierte Manager und ihre Unternehmen, die der Energiewende ein Gesicht geben.
Vom Betriebsbeginn zum Greentec Award
Fast gleichzeitig mit der Entwicklung und Umsetzung des Geschäftsauftrags erfolgte die Gründung des Unternehmens Neocomp in Bremen. Hier fanden sich Betreiber- und Verarbeitungskompetenz für das Entsorgen von Produktions-, End-of-life-Abfällen wie auch dem Rotorblattbruch zusammen.
Rotorblätter machen zwar nur einen Bruchteil des Gewichts aus, verursachen allerdings nahezu ein Viertel der Kosten beim Herstellen einer Windenergieanlage (WEA). Da das Produkt einem hochfrequenten Entwicklungsprozess unterliegt, sind hohe Herstellkosten ein wesentliches Merkmal. Neben diesen fallen in geringem Maße auch Produktionsabfälle an. Daher sind derzeit nicht nur die alten ausgedienten Rotorblätter von Interesse für das Recycling, sondern auch die Produktionsabfälle, die aus
- Verstärkungsfasern – Glas, Kohlenstoff, Aramid oder Basalt,
- der Polymermatrix – Duroplaste wie Epoxide, Polyester, Vinylester, Polyurethan oder Thermoplaste,
- dem Sandwichkern – Balsaholz, welches aber wegen oft schwieriger Beschaffung durch Polyvinylchlorid in Form von PVC‐Schaum beziehungsweise PET ersetzt wird,
- den Beschichtungen – Polyethylen oder Polyurethan,
- sowie Metalle – Kupferverdrahtung und Stahlbolzen
bestehen.
Ergänzt und begleitet wurde dieser Entwicklungsschritt mit der Einführung eines Logistik- und Sammelkonzeptes „Fibreglass Recycling Europe“, das deutsche wie auch europäische Bedarfsträger anspricht. Das Verständnis, hoch qualifizierte Verwertungslösungen zu generieren, forcierte auch weitergehende Entwicklungsaktivitäten, die Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen sowie mit Industriepartnern im In- und Ausland. Dazu zählen die Universitäten Bremen und Aachen, die Partnerschaften mit den Unternehmen Saubermacher in Österreich oder Stena Recycling in Dänemark.
Ausgezeichnet wurden diese Aktivitäten zwei Jahre nach Aufnahme des operativen Geschäftes mit dem Gewinn des europäischen Umweltpreises „Greentec Awards 2017“ für eine „echte Lösung“, wie es in der Laudatio hieß.
Wie wird der Rückbau konkret geplant?
Planung, Aufbau, Gestaltung und Management der gesamten Prozesskette beginnen mit dem Erstgespräch bei Betreiber oder OEM und der Festlegung des Recycling-Umfangs. Kunden und Entscheider werden bei allen Behördengesprächen durch die Fachunternehmen des Rückbaus begleitet und erledigen die Vorbereitungen aller für den Prozess relevanten Dokumente wie Genehmigungen, Zertifikate, labortechnische Analysen, Gutachten, Stellungnahmen, Gefährdungsbeurteilungen.
Abhängig von den Basisinformationen erstellen die Spezialisten ein zugeschnittenes Konzept mit Fokus auf Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit. Insbesondere bei Arbeiten auf Gelände mit besonderen rechtlichen Anforderungen wie Wasserschutzgebieten. Hier ist das Einbinden der Behörden vor der Aufnahme der Arbeiten unverzichtbar und im Interesse aller.
Des Weiteren folgt die Zurverfügungstellung aller behördlichen sowie projektspezifischen Referenzen, die Detailbeschreibung des Prozesses unter Einsatz von Fotomaterial vergleichbarer früherer Projekte sowie das Festlegen aller logistischen Schritte. Die Betreiber werden oftmals ganzheitlich beraten und unterstützt. Das heißt von der Bestandsaufnahme der Blatttypen und den örtlichen Gegebenheiten über die behördlichen Anforderungen und die Baustellendienstleistungen bis hin zum Verwerten aller Komponenten.
In der Phase der Umsetzung erfolgt die Aufsicht auf der Baustelle mit Blick auf Arbeitssicherheit, Umweltschutz, Wirtschaftlichkeit und Qualitätssicherung aller relevanten Prozesse.
Die so dokumentierten Informationen fließen danach umgehend beispielsweise der Organisation des Rückbauunternehmens zu.
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Der Wunsch nach Standard
Zwar sind Wettbewerb und technologischer Fortschritt nach wie vor die wichtigsten Herausforderungen, denen sich die Rückbauspezialisten zu stellen haben. Gleichwohl hat die jüngste Vergangenheit gelehrt, dass mehr noch „wildwest-ähnliche Entsorgungsgebaren“ einiger weniger, den Ruf aller in der Branche verantwortungsbewusst tätigen Akteure nachhaltig zu schaden imstande waren und eine weitere Unwägbarkeit darstellten. Wirtschaftlichkeit umfasst weit mehr als nur einen niedrigen Preis. In einer verantwortungsvollen gesamtwirtschaftlichen Betrachtung fließen Dimensionen wie Rechtssicherheit, Arbeitsschutz und Nachhaltigkeit ebenso und gleichwertig in eine solide Bewertung ein. Damit werden Rückbauleistungen endlich vergleichbar.
Aber auch die immer noch existenten Informationslücken bei kommunalen Entscheidern, Planungsbüros, Abbruchunternehmen, Entsorgern oder Eigentümern hinsichtlich technischer Möglichkeiten wie auch einer umfassenden Bewertung von realistischen Rückbaukosten stellt Rückbauer immer wieder vor neue Herausforderungen.
Nicht zuletzt diese Erfahrungen haben dazu geführt, die Industrievereinigung RDR Wind e. V. ins Leben zu rufen, die sich dem Repowering, der Demontage und dem Recycling verschrieben hat. Zu erwähnen ist hier der von der Vereinigung entwickelte Branchenstandard für einen nachhaltigen Rückbau von Windenergieanlagen im Juli 2020. Mit der Veröffentlichung der DIN SPEC 4866 gibt es erstmalig eine „normähnliche“ Struktur. Der Vollständigkeit halber muss hier festgehalten werden, dass ebendieser Verband aktuell in Zusammenarbeit mit dem DIN-Institut, Berlin, daran arbeitet, die DIN SPEC zu einer DIN-Norm weiterzuentwickeln.
Der Wunsch nach Einsicht
Stets arbeiten Rückbauer mit einer Kundenstruktur von Hersteller, Betreiber und schlussendlich dem Landwirt, dessen Grund und Boden ge- und benutzt worden ist – und alle drei müssen am Ende des Rückbaus ihr Plazet formulieren. Aber vor der Zufriedenheit stehen:
- Baustellen mit Durchfahrtbeschränkungen – auch für den Landwirt,
- ein Containerdorf mit den üblichen Begleiterscheinungen wie Abfall, Frisch- und Abwasserversorgung,
- Stromerzeugung mittels Dieselgeneratoren,
- Schwerlastverkehr durch Kräne, Bagger und Flurförderfahrzeuge,
- Menschenansammlungen, sobald der Rotor gezogen wird und spektakulär am Haken hängt,
- Sägearbeiten mit Geräusch- und Staubkulisse,
- Heißarbeiten an den Turmsegmenten mit vorübergehenden Verschmutzungen,
- Verladearbeiten mit Schallemissionen,
- vielköpfige Teams mit An- und Abfahrtaufkommen.
Das alles begleitet, definiert und dominiert die Rückbaustelle, und es gehört zum rituellen wöchentlichen Miteinander, dass Staubentstehung, Verschmutzung sowie die Sensibilität der lokalen Flora und Fauna in den Mittelpunkt aller Besprechungen gerückt werden. Und das durchaus zu Recht. Jede „Belästigung“ hat zu unterbleiben, stört sie doch das nicht geneigte Auge des Betrachters und lässt jeden der zum Abbau gehörenden Prozesse etwas komplexer und aufwendiger werden – gleichwohl darf die Baustelle gerne früher abgeschlossen und beräumt sein – ohne Mehrkosten, das versteht sich von selbst…
Diesen gordischen Knoten zu durchschlagen, ist und bleibt die Königsdisziplin im Rückbau und ein ewiger Stachel im Fleisch der Beteiligten.
Das Ziel ist noch nicht erreicht
In fester Überzeugung, dem Gedanken des Kreislaufwirtschaftsgesetzes mit großen Anstrengungen zu entsprechen, muss selbstkritisch anerkannt werden, dass der „volle Kreis“ noch nicht geschlossen ist. Ressourcenschonende Wieder- und Weiterverwertungen von Faser und Matrix (GFK) müssen das Ziel zukünftiger Anstrengungen bleiben.
Diese Verwertungslösungen müssen in groß-industriellen Anwendungen – auch wenn diese Rahmenbedingung gegenwärtig wenig Anhänger hat – gerade unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Sinnhaftigkeit umsetzbar sein. Das ist Diktat und Mantra einer der Ertragswirtschaft verpflichteten Gesellschaft mit ausgeprägter ökologischer Perspektive.
Die Mitglieder der Industrievereinigung RDR Wind e. V. haben sich genau diese Zielsetzung zur Grundlage ihres Handelns gemacht – aus Verantwortung sowie Überzeugung. Freiwillig.
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