Frederik Obermeier (links) und Sabine Hummel diskutieren die Ergebnisse eines Versuchs.

Frederik Obermeier (links) und Sabine Hummel diskutieren die Ergebnisse eines Versuchs. (Bild: TH Rosenheim)

Glasfaserverstärkte thermoplastische Kunststoffe bieten neben ihrem hohen Leichtbaupotenzial hervorragende mechanische Eigenschaften wie hohe spezifische Festigkeit, Steifigkeit und Schlagzähigkeit. Diese Faserverbundwerkstoffe werden daher häufig für das Herstellen von Automobilbauteilen verwendet. In den letzten Jahrzehnten ist das Fertigen von Hybridbauteilen, die die Vorteile von Organoblechen und Spritzguss kombinieren, bedeutender geworden. Betrachtet wird ein Türmodulträger, der im Hybrid-Spritzguss-Verfahren hergestellt wird [1].
Beim Zuschneiden der Organoblech-Einleger mittels Wasserstahlschneidens für die Hybridbauteile fällt eine erhebliche Menge an Verschnitt an. Das Entsorgen dieser Verschnitte ist mit hohen Kosten verbunden, da gesetzliche Bestimmungen das Deponieren von Materialien mit hohem organischen Anteil verbieten [2]. Eine übliche Entsorgungsmethode ist das energetische Verwerten in Zementwerken, wo der hohe Heizwert des Abfalls zur Energiegewinnung genutzt wird und der Faseranteil als Verstärkung im Zement dient. Eine alternative und vielversprechende Verwertungsmöglichkeit ist das werkstoffliche Recycling. Hierbei wird der Verschnitt zerkleinert und das zurückgewonnene Material in den Prozess zurückgeführt. Dieser wird als Closed-Loop-Recycling (CL-Recycling) bezeichnet.
Die Spritzgussversuche zum CL-Prozess wurden mit einer Drei-Zonen-Schnecke (Standard-Spritzgussprozess) durchgeführt. Der Schwerpunkt liegt auf einem konventionellen Spritzgießverfahren, um möglichst nahe an der Serienproduktion zu sein. Die verwendeten Organobleche weisen einen Glasfaseranteil von 64 Gew.-% auf. Für die Funktionalisierung im späteren Bauteil soll ein Fasergewichtsanteil von 30 Gew.-% erzielt werden. Dazu wird den Recyclingflakes ein Basis PP (neat PP) und ein Haftvermittler beigemischt, um den gewünschten Faseranteil zu erreichen (Bild 1).

Schaubild: Recyclingprozess und Stoffströme beim Herstellen eines Türmodulträgers im Hybridprozess unter Berücksichtigung der Kreislaufführung von Organoblech-Verschnitt.
Bild 1: Recyclingprozess und Stoffströme beim Herstellen eines Türmodulträgers im Hybridprozess unter Berücksichtigung der Kreislaufführung von Organoblech-Verschnitt. (Bild: TH Rosenheim)

Diese Werkstoffe wurden getestet

Die Darstellung der Massenströme bei der Fertigung eines Türmodulträgers dient als Grundlage zum ökonomischen und ökologischen Bewerten des entwickelten CL-Prozesses und zur Bewertung des technisch einsetzbaren Anteils an Rezyklat (Bild 1). Bei einem angenommenen Ausschuss von 5 % beim Zerkleinern der Organoblech-Verschnitte zum Mahlgut kann eine Substitution von 32 % des eingesetzten Anspritzmaterials durch das Rezyklat (Mahlgut) realisiert werden. Die verbleibenden 68 % des Anspritzmaterials müssen durch Neuware (LGF30) abgebildet werden. Bei der technischen Umsetzung der Spritzgussversuche an der TH Rosenheim wurde eine Versuchsreihe mit einem Anteil von 33 % Rezyklat durchgeführt. Für andere Bauteile können sich auch höhere Anteile ergeben, weshalb ein Rezyklatanteil von 67 % beziehungsweise eine vollständige Substitution der Neuware (100 % Rezyklatanteil) in der Versuchsreihe als Vergleichswerte berücksichtigt wurden.

So wurden die Flakes hergestellt

Um die Verschnitte für den Spritzgussprozess zu verarbeiten, müssen sie zu Flakes (Mahlgut) zerkleinert werden. Zwei Zerkleinerungsmethoden wurden verglichen: Stanzen und Schreddern. Beim Stanzen werden die Verschnitte mit einem Stanzwerkzeug in einem zweistufigen Prozess zu gleichmäßigen Flakes geschnitten. Dies führt zu definierten Kanten und minimalem Faserbruch. Die Verschnitte werden mit einem 4-Wellen-Zerkleinerer geschreddert. Die Größe der Flakes ist dabei etwas ungleichmäßiger und es entstehen mehr freiliegende Fasern. Die Herausforderung besteht darin, die Flakes so groß wie möglich und so klein wie nötig zu gewinnen. Damit eine Weiterverarbeitung gesichert ist und dennoch möglichst lange Fasern im Bauteil zu erhalten. Die Größe der Flakes soll idealerweise 12 x 15 mm betragen.
Als Referenzmaterial für die Untersuchungen dient ein Langglasfaser-Spritzgussmaterial (LGF30) der Firma Borealis mit 30 Gew.-% Glasfaseranteil in Polypropylen. Ein zweites Referenzmaterial ist ein regranuliertes Kurzglasfasergranulat mit 30 Gew.-% Glasfaseranteil in Polypropylen (RG) der Firma Wipag, hergestellt aus Organoblech-Verschnitt.

Mechanische Eigenschaften

Alle drei Mischungsvarianten (100, 67 und 33 Gew.-% Rezyklatanteil) sowie die beiden Zerkleinerungsmethoden liegen mit der Zugfestigkeit und der Schlagfestigkeit zwischen der unteren Referenz (RG) und der oberen Referenz (LGF30) (Bild 2). Es ist ebenso kein signifikanter Einfluss der Zerkleinerungsmethoden auf die mechanischen Eigenschaften zu erkennen. Eine Direktverarbeitung der zerkleinerten Organoblech-Verschnitte mit einer herkömmlichen Spritzgussmaschine ist aus technischer Sicht sinnvoll. Bei der Direktverarbeitung werden bessere mechanische Kennwerte erzielt wie beim Verarbeiten des Regranulats. Hier spielt die Menge der zugegebenen Neuware keine Rolle. Ein CL-Recycling der Organoblech-Verschnitte ist unabhängig von der Menge des Massenstroms sinnvoll.

Die Länge der rezyklierten Glasfasern ist ausschlaggebend für die Festigkeit der Hybridbauteile aus Organoblech-Verschnitten. Der Faserlängenabbau wurde über den Spritzgussprozess untersucht. Es wurden Proben im Ausgangsmaterial (Mahlgut/Granulat) nach der Plastifizierung und im Bauteil entnommen, verascht und analysiert.
Die Faserlängenanalyse zeigt, dass der Faserlängenabbau während des Spritzgussprozesses unabhängig von der Beschaffenheit der Flakes ist. Die Untersuchung ergibt, dass die Faserlängen im fertigen Bauteil zwar verkürzt werden, jedoch immer noch ausreichend sind, um die notwendigen mechanischen Eigenschaften zu gewährleisten.

Womit die Flakes verunreinigt sind

Beim Wasserstrahlschneideprozess werden die Organoblech-Verschnitte durch den Sand und die entstehenden Späne (ein Gemisch aus Polymer und Glasfasern) verunreinigt. Diese Verunreinigung als auch der ursprüngliche Schneidesand werden unter dem Rasterelektronenmikroskop (REM) genauer betrachtet. Bei dem ursprünglichen Schneidesand sind scharfe Kanten zu erkennen. Daher ist es mögliche, dass die Glasfasern durch die Verunreinigung beim Aufschmelzen in der Plastifizierung nicht nur durch die Scherung der Schnecke, sondern zusätzlich durch die Geometrie des vorhandenen Schneidesandes und die Verunreinigung gebrochen werden. Dies kann den reduzierenden Einfluss auf die mechanischen Eigenschaften beim Verarbeiten von verunreinigten Recycling-Flakes erklären.

So kann der Prozess ökonomisch und ökologische bewertet werden

Neben den Produktanforderungen und verfahrenstechnischen Herausforderungen muss ein CL-Recycling wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll sein. Zum Bewerten werden eine Wirtschaftlichkeits- und Lebenszyklusanalyse (Ökobilanzierung) durchgeführt, die den Ist-Zustand mit dem CL-Recycling vergleicht. Die Systemgrenze reicht von der Rohstoffherstellung bis zur Fertigung des Bauteils und schließt das Verwerten der Organoblech-Verschnitte ein (Cradle-to-Gate).
Zur ökonomischen Bewertung des CL-Recyclings wird der Ansatz der Kreislaufeignung nach VDI 2243 herangezogen [3]. Ursprünglich als Kennzahl (KEM) im Produktentwicklungsprozess zum Bewerten der wirtschaftlichen Kreislaufeignung eines Bauteils konzipiert, werden bei der vorliegenden Wirtschaftlichkeitsanalyse die Kosten für die energetische Verwertung des Verschnittmaterials anstatt der Beseitigungskosten berücksichtigt. Somit wird die Wirtschaftlichkeit des CL-Recyclings ganzheitlich bewertet.

Formel
(Bild: TH Rosenheim)

Die Kennzahl KEM setzt dafür die Kosten der Neuware und die Beseitigungs-/Verwertungskosten des Verschnittmaterials ins Verhältnis zu den Recyclingkosten des Sekundärmaterials. Die Recyclingkosten des Sekundärmaterials setzen sich aus den Logistikkosten des Verschnitts sowie den Anschaffungs- und Betriebskosten des Zerkleinerers zusammen. Ist KEM > 1, ist das Recycling wirtschaftlich sinnvoll, das heißt ein werkstoffliches Verwerten der Organoblech-Verschnitte wird bei entsprechenden Massenströmen aus ökonomischer Sicht empfohlen [3].
Die Bewertung der Kreislaufeignung erfolgt in Abhängigkeit variierender Neuwarepreise. Die Analyse zeigt, dass das CL-Recycling bereits ab einem Neuwarepreis von 0,50 €/kg wirtschaftlich ist.

Ökologische Bewertung nach ISO 14040 und 14044

Die Bilanzierung der Umweltwirkungen des Ist-Zustands (Ist) und des CL-Recyclings (CL) basiert auf der Ökobilanzierung nach DIN EN ISO 14040 und 14044 [4, 5]. Ziel ist der Vergleich der Umweltwirkungen der energetischen Verwertung der Organoblech-Verschnitte im Zementwerk (Ist-Zustand) mit dem CL-Recycling als Anspritzmaterial. Die Systemgrenze ist Cradle-to-Gate für 1.000 Türmodulträger. Beim Ist-Zustand wird eine Gutschrift für das energetische Verwerten des Verschnittmaterials erteilt, da es fossile Energieträger ersetzen kann. Bewertet werden die Kategorien Treibhauspotential (GWP100), abiotischer Ressourcenverbrauch (ADP) elementar und fossil, Humantoxizitätspotential (HTP), Ozonabbaupotential (ODP) und Eutrophierungspotential (EP).
Der Vergleich zeigt, dass das CL-Recycling in allen Kategorien ein deutliches Umweltentlastungspotential bietet. Dies resultiert aus geringeren Umweltwirkungen in der Herstellung des Anspritzmaterials. Die Umweltwirkungen des CL-Recyclings betragen etwa 5 bis 10 % der Gesamtumweltwirkungen. Diese werden durch die geringeren Umweltwirkungen beim Herstellen des Anspritzmaterials kompensiert. So kann das GWP100 um 6,6 % und das ADP (fossil) um 13,3 % reduziert werden. Die Substitution von Neuware durch rezykliertes Verschnittmaterial ist somit wirtschaftlich und ökologisch vorteilhaft.

Deshalb wird weiter geforscht

Die Untersuchungen zeigen, dass ein CL-Recycling von Organoblech-Verschnitten technisch, wirtschaftlich und ökologisch vorteilhaft ist. Zukünftige Herausforderungen liegen im Aufbau und Betrieb von Kreislaufsystemen, um konstante Materialqualität und Massenströme sicherzustellen. Weitere Forschungsarbeiten sind nötig, um die Effizienz der Zerkleinerungsmethoden zu verbessern und das Verarbeiten von Recyclingmaterialien zu optimieren. Langfristig wird das CL-Recycling zur Reduktion von Abfallmengen, Verbesserung der Ressourceneffizienz und Erhöhung der Nachhaltigkeit der Produktionsprozesse beitragen. Die Integration von Recyclingmaterialien in die Wertschöpfungskette fördert die Kreislaufwirtschaft und reduziert die Umweltauswirkungen der Kunststoffproduktion.

Halle/Stand B5/5412

Quelle: TH Rosenheim

Dank

Die Ergebnisse dieses Beitrags wurden im Rahmen des Forschungsprojekts Reproorgano (Förderkennzeichen 13FH007PX8) an der Technischen Hochschule Rosenheim erarbeitet. Wir danken dem BMBF und dem VDI für die Förderung sowie unseren industriellen Kooperationspartnern: Bond-Laminates, Brose Fahrzeugteile, Elring Klinger und Krauss Maffei Technologies. Besonderer Dank gilt Borealis Polyolefine für die Bereitstellung der Materialien.

Weitere Autoren:

Theresa Pscherer, Forschungsgruppe Sustainable Engineering & Management Zentrum für Forschung, Entwicklung und Transfer, TH Rosenheim  
Prof. Martin Würtele, Kunststofftechnik, Spritzguss Fakultät für Ingenieurwissenschaften, TH Rosenheim
Prof. Sandra Krommes, Forschungsgruppe Sustainable Engineering & Management Fakultät für Wirtschaftsingenieurwesen, TH Rosenheim

Literatur

[1] Elring Klinger., Türmodul-Träger mit Integriertem Orgnaoblech als Leichtbaulösung in Türsystemen © Brose. Available online, 2021). [Online]. Available: https://www.elringklinger.com/en/press/press-photos/door-module-carrier-with-integrated-organo-sheetas-c-brose

[2] Verordnung über Deponien und Langzeitlager (Deponieverordnung - DepV): DepV., 2009.

[3] VDI 2243 (2002): Recyclingorientierte Produktentwicklung. Verein Deutscher Ingenieure (VDI), Düsseldorf. https://www.vdi.de/richtlinien/details/vdi-2243-recycling-oriented-product-development. Zugegriffen: 18. September 2021

[4] DIN EN ISO 14040 (2020): DIN EN ISO 14040:2009-11, Umweltmanagement - Ökobilanz - Grundsätze und Rahmenbedingungen (ISO 14040:2006 + Amd. 1:2020); Deutsche Fassung EN ISO 14040:2006 + A1:2020 (DIN EN ISO 14040:2009-11) (14040). Beuth Verlag GmbH, Berlin

[5] DIN EN ISO 14044 (2020): DIN EN ISO 14044:2018-05, Umweltmanagement - Ökobilanz - Anforderungen und Anleitungen (ISO 14044:2006 + Amd 1:2017 + Amd 2:2020); Deutsche Fassung EN ISO 14044:2006 + A1:2018 + A2:2020 (DIN EN ISO 14044:2018-05), (14044). Beuth Verlag GmbH, Berlin

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

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