Bild 2

Bild 2: Brennweite der Zielgeometrie und der verformten Geometrien nach iterativer Simulation (Bild: IKV)

In vielen optischen Anwendungen wie etwa Beleuchtungssystemen haben sich Kunststoffe gegenüber dem klassischen Werkstoff Glas durchgesetzt [1–3]. Große Vorteile von Kunststoffen sind die kostengünstige und massentaugliche Fertigung ohne Nachbearbeitungsschritte, die geringe Dichte sowie die hohe Designfreiheit. Laseranwendungen aber haben höhere Anforderungen an die optischen Eigenschaften als Beleuchtungssysteme – Optiken aus Kunststoff erfüllen diese bisher nicht. Hauptursache dafür ist die hohe Temperaturabhängigkeit der optischen Werkstoffeigenschaften wie zum Beispiel dem Brechungsindex. Können thermooptische Effekte jedoch bereits im Designprozess berücksichtigt werden, haben Kunststoffoptiken ein hohes Potenzial, Standardkomponenten wie etwa Laserkollimatoren in laserbasierten optischen Systemen mit einer Leistung bis zu 10 W zu ersetzen.

Abbildung 1

Bild 1: Ablaufschema der gekoppelten Prozess- und thermooptischen Auslegung. (Bild: IKV)

Das Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) und der Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme (TOS) erarbeiten einen Optimierungsansatz, welcher die thermooptische Auslegung der Optik und die Prozessauslegung koppelt (Bild 1). Zunächst wird das Optikdesign an den Betriebspunkt angepasst. Hierbei werden die Erwärmung und die Deformation der Optik durch Absorption von Laserstrahlung berücksichtigt. Aus der erforderlichen Geometrie der Linse im Betriebszustand wird auf die Linsengeometrie bei Umgebungsbedingungen geschlossen. Diese wird an das IKV für die prozesstechnische Auslegung des Spritzgießprozesses übergeben. Am IKV wird in einem weiteren Optimierungsschritt die Geometrie der Kavität berechnet. Der entsprechende Optimierungsansatz wird im Folgenden ausführlich vorgestellt.

Optimierung basierend auf der gekoppelten Auslegung

Die Entwicklung der Optimierung erfolgt in zwei getrennten Schritten. Zunächst wird die Linsengeometrie am TOS mithilfe der in Bild 1 gezeigten optischen und thermomechanischen Auslegung iterativ optimiert. Hierbei wird der spätere Betriebszustand unter Berücksichtigung der Auswirkungen einer Laserbelastung berücksichtigt. Eine plankonvexe, asphärische Linsengeometrie wird für die Validierung der Kopplung beziehungsweise des Optimierungsansatzes ausgewählt. Die Geometrie wird im Folgenden auch als Zielgeometrie bezeichnet, die der angestrebten asphärischen Linsengeometrie unter Laserbestrahlung entspricht. Mithilfe der Kennzahlen des Betriebspunktes (Laserleistung, Strahldurchmesser, Intensitätsprofil) werden zunächst das Temperaturprofil und die daraus resultierende Oberflächendeformation der Linse berechnet. Hierfür wird die FEM-Umgebung Ansys der Firma Ansys, Canonsburg, USA eingesetzt. Anschließend werden die Finite-Elemente (FE)-Daten mit der am TOS entwickelten Software TOP Simulation mit kontinuierlich differenzierbaren Funktionen approximiert und schließlich an das Optiksimulationsprogramm Zemax der Firma Zemax, Washington, USA übergeben. Hier wird die Optik bezüglich ihrer optischen Eigenschaften analysiert und schließlich die Linsengeometrie mittels Raytracing optimiert. Die optimierte Linsengeometrie wird erneut an die Finite-Elemente-Analyse (FEA) weitergeleitet, bis die Linsengeometrie nach mehreren Iterationen konvergiert. Für eine detailliertere Beschreibung sei auf [4] verwiesen.

Nach der thermooptischen Optimierung wird die festgelegte Linsengeometrie im thermisch unbelasteten Zustand zur Anpassung der Formeinsatzgeometrie mit Hilfe der Prozessauslegung in Bild 1weiter an das IKV übergeben. Hier wird im Rahmen einer iterativen Kompensationsmethode die Werkzeugform so ausgelegt, dass diese die während des Spritzgießprozesses auftretende Schwindung kompensiert. Für die Auslegung werden die Scheitelpunktkoordinaten-Informationen aus einer bei der Spritzgießsimulationssoftware Moldex3D der Firma Core Tech System, Chupei City, Taiwan, erstellten STL-Datei verwendet. Nach der Prozesssimulation wird die Differenz der einander entsprechenden Informationen der Linsengeometrie Scheitelpunkte zwischen der festgelegten Linsengeometrie im thermisch unbelasteten Zustand und der mit Schwindung beaufschlagten Geometrie (im Folgenden: Formteilgeometrie) berechnet und dann wiederum auf die entsprechenden Scheitelpunkte der Formeinsatzgeometrie addiert. Anschließend wird eine erneute Prozesssimulation mit der neuen kompensierten Formeinsatzgeometrie durchgeführt. Die Formteilgeometrie der erneuten Prozesssimulation unter Berücksichtigung von Schwindung und Verzug wird mit der festgelegten Linsengeometrie im thermisch unbelasteten Zustand verglichen, um den Optimierungserfolg zu überprüfen. Sobald ihre Differenz kleiner als der Größenordnung von 1 µm ist, wird der gesamte Optimierungsprozess beendet und die aktuelle Formeinsatzgeometrie als optimierte Formeinsatzgeometrie weiterverwendet.

An dieser Stelle seien einige Zwischenergebnisse des Projektes vorgestellt, bei denen die Kopplung zwischen der Prozessauslegung und der optischen Auslegung betrachtet wird. Die thermischen Effekte durch die Laserbelastung werden im weiteren Projektverlauf berücksichtigt. Aus diesem Grund werden die Prozesssimulationen zunächst mit der eingangs festgelegten Linsengeometrie durchgeführt.

Validierung des Optimierungsansatzes

Bild 2

Bild 2: Brennweite der Zielgeometrie und der verformten Geometrien nach iterativer Simulation (Bild: IKV)

Die Ergebnisse der vorläufigen Validierung des Optimierungsansatzes sind in Bild 2 dargestellt. Die Sollwerte für die Brennweite in X- und Y-Richtungen der Zielgeometrie betragen 304,0 mm. Das Toleranzfeld beträgt 0,2 % der Brennweite und folgt aus den Herstelltoleranzen für Optiken aus Glas in üblicher Handelsqualität [5]. Ohne den Einsatz von Kompensationsmethoden  ̶ die Formeinsatzgeometrie entspricht der Zielgeometrie der Linse  ̶  betragen die Brennweiten der verformten Linsengeometrie in X- und Y-Richtung 302,3 beziehungsweise 302,7 mm. Richtungsabhängige Abweichungen in der Brennweite ergeben sich aus den nicht isotropen Eigenschaften in und quer zur Fließrichtung. Bereits nach der ersten Kompensation der Formeinsatzgeometrie wird die Brennweite der verformten Linse in beide Richtungen deutlich optimiert, sodass die Brennweite nur noch um 0,2 mm abweicht. Innerhalb der nächsten Iterationsstufen nähert sich die Brennweite in Y-Richtung dem Sollwert weiter an. Die Brennweite in X-Richtung weist jedoch relativ große Schwankungen auf, was auf die Schwindungsasymmetrie aufgrund der in X-Richtung geströmten Schmelze zurückzuführen ist. Nach der vierten Kompensation betragen die Brennweiten der verformten Geometrie in X- und Y-Richtung jeweils 304,1 mm, die Abweichung vom Sollwert beträgt somit nur 0,033 % der Gesamtbrennweite. Dies ist eine Verbesserung um etwa eine Größenordnung gegenüber der unkompensierten Formeinsatzgeometrie, bei welcher die Abweichung vom Sollwert ungefähr 0,5 % betrug.

Fazit und Ausblick

Fazit: Die Formeinsatzgeometrie konnte durch eine iterative Kompensationsmethode auf Basis einer bestehenden Linsengeometrie optimiert und die Kompensationseffekte durch die optische Simulation verifiziert werden. Nach vier Iterationen der Kompensation liegen die Brennweiten für die entsprechend angepassten Geometrien in X- und Y-Richtung mit einer Abweichung sehr nahe an den Sollwerten. Bisher wurde jedoch die Wirkung der Laserbestrahlung auf die Linse und somit die thermooptische Wirkung noch nicht berücksichtigt. Dies ist Gegenstand der nächsten Arbeiten im Forschungsvorhaben. Die entwickelte Kopplung zwischen Prozessauslegung und thermooptischer Auslegung sowie der Optimierungsansatz werden anschließend auf dieser Basis praktisch validiert.

Danksagung: Das IGF-Forschungsvorhaben 20797N der Forschungsvereinigung Kunststoffverarbeitung wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags gefördert. Allen Institutionen und beteiligten Firmen gilt unser Dank.

Literaturliste

[1]     Straw, K: Control of thermal focus shift in plastic-glass lenses. Proceedings of SPIE 0237 (1980), S. 386–391.

[2]     Maucher, T.: Kunststofftechnik und Lichttechnik im LED-Scheinwerfer. Umdruck zum SKZ-Seminar „Optische Formteile in Design und Technik“. Würzburg, 2015.

[3]     Rudolph, H.: Die Rolle lichtstreuender Kunststoffe in effizienten optischen Systemen für die Innen- und Außenbeleuchtung. Umdruck zum VDI-Wissensforum – Kunststoffe in Optischen Systemen. Baden-Baden, 2011.

[4]     Kingslake, R.,  Barry Johnson, R.: Lens Design Fundamentals (Second Edition). Academic Press, Boston, 2010.

[5]     Bonhoff, T.: Multiphysikalische Simulation und Kompensation thermooptischer Effekte in Optiken für Laseranwendungen. Dissertation, Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme (TOS), RWTH Aachen, 2019.

ist Inhaber des Lehrstuhls für Kunststoffverarbeitung an der RWTH Aachen und Leiter des Instituts für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Aachen.

ist Inhaber des Lehrstuhls für Technologie Optischer Systeme (TOS) der RWTH Aachen.

ist Oberingenieur am Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme (TOS) der RWTH Aachen.

ist Projektingenieur am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen.

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen.

ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Technologie Optischer Systeme (TOS) an der RWTH Aachen.

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Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen (Hauptsitz)

Seffenter Weg 201
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