Herr Oehm, Sie sind seit mehr als 60 Jahren in der Kunststoffbranche tätig. Was waren in dieser Zeit die größten Entwicklungen in der Branche?
Wolfgang Oehm: Die größte Entwicklung war für mich die Umstellung der mechanischen Spritzgießmaschinen Anfang der 1960er Jahre auf die hydraulischen Maschinen. Zu dieser Zeit war ich bei der Firma Battenfeld als Betriebsleiter für das Werk in Dieringhausen verantwortlich. Hier habe ich an der Entwicklung dieser damals neuen Maschinentechnik mitgewirkt. Zwei von mir entwickelte Maschinen wurden 1963 auf der Kunststoffmesse in Chicago vorgestellt. Parallel dazu war die Entwicklung von der Torpedo- zur Schneckenkolbenplastifizierung ein Meilenstein des Fortschrittes. Diese Entwicklung eröffnete ein Riesenpotenzial durch die Homogenisierung des Kunststoffmaterials und die Erhöhung des Artikelgewichtes. ... und nicht zu vergessen, die Entwicklung neuer Kunststoffmaterialien, die völlig neue Anwendungsbereiche für Produkte aus dem Werkstoff Kunststoff eröffneten. Der Werkstoff Kunststoff wurde wertiger und fand Eingang in Bereiche wie Medizintechnik, Automobil-, Verpackungs-, Bau- oder Elektroindustrie. Damit wurde die Akzeptanz für diesen Werkstoff wesentlich beschleunigt.
Seit 40 Jahren beschäftigen Sie sich mit den Themen Wärme und Energie. Hierfür wurden Sie in den letzten 25 Jahren bereits mehrfach für energiesparende Systemtechnik ausgezeichnet. Wurde die Technik vom Markt angenommen oder reagiert dieser erst aufgrund der aktuellen Energiekrise?
Oehm: In die Selbständigkeit gestartet bin ich 1983 ja mit gleich zwei Energiespar-Systemlösungen. Eine davon betraf die Nutzung von Maschinenabwärme für Heizzwecke über eine Wärmerückgewinnung. Es ging dabei darum, einmal eingesetzte und bezahlte Energie ein weiteres Mal zu nutzen und die Kosten für die Rückkühlung zu vermeiden. Da die Energiepreise zum Beispiel für Heizöl, Gas oder Strom extrem niedrig waren, hielt sich die Begeisterung der Kunden für die reine Energiekosteneinsparung sehr in Grenzen. Hinzu kam das Problem, dass in der Regel fast jedes Start-up wegen fehlender Referenzen sowie fehlender Berufserfahrung auf dem Gebiet der Selbständigkeit wenig Chancen in der freien Marktwirtschaft hatte. Bekanntlich ist die freie Marktwirtschaft ein Haifischbecken mit eigenen Gesetzen. Die zweite Systemlösung zur Energieeinsparung die ich entwickelt hatte, betraf die Leistungsoptimierung von Spritzgießmaschinen. Hier ging es schlicht und ergreifend um das Reduzieren des elektrischen Stromverbrauchs von Spritzgießmaschinen im Bereich der hydraulischen Antriebe. Diese Energieoptimierung hatte gleich mehrere Vorteile und verhalf mir letztendlich zum Durchbruch bei den doch eher konservativen Kunststoffverarbeitern. Die von mir an den Maschinen durchgeführte energetische Optimierung führte zu einer massiven Stromverbrauchsreduzierung und in der Folge zu einer wesentlichen Verringerung des Kühlbedarfs im Maschinenkühlkreis. Das heißt bei Anfragen über eine Erweiterung der vorhandenen Kühlanlagen habe ich dem Kunden angeboten, zunächst seinen vorhandenen Maschinenpark energetisch zu optimieren. Diese Optimierung sparte im Durchschnitt rund 30 % des Stromverbrauches für die Hydraulikantriebe ein. Nachfolgendes Beispiel verdeutlicht den Effekt. Hatte ein Kunststoffverarbeiter beispielsweise einen Maschinenpark mit größeren Maschinen, für die eine elektrische Gesamtantriebsleistung von 1.000 kW erforderlich war, so wurden stündlich davon rund 300 kW eingespart. In gleichem Umfang wurde die Kühlanlage entlastet, sodass bei einem Produktionsausbau keine Erweiterung der vorhandenen Kühlanlage notwendig war! Faustregel: Das Reduzieren von 1 kW Antriebsleistung bedeutete damals rund 1.000 DM Stromkosteneinsparung pro Jahr. Die Einsparung von 300 kW somit jährlich rund 300.000 DM. Somit lagen die Amortisationszeiten für diese Optimierung bei rund einem Jahr oder darunter. Dieser Bereich „Maschinenabspeckung“ war der Erste, den wir als Alleinstellungsmerkmal herausstellen konnten. Voraussetzung für die energetische Maschinenoptimierung war meine langjährige Berufserfahrung als Betriebsleiter bei der Firma Battenfeld sowie als Betriebsleiter eines namhaften Kunststoffverarbeiters. Unsere Bezeichnung „Maschinenabspeckung“ haben wir vor Jahren in „EtaControl“ umgewandelt. Eta ist bekanntlich das gebräuchliche griechische Kürzel für den Wirkungsgrad. Mittlerweile haben wir etwa 3.800 Maschinen von 100 t bis 4.000 t Schließkraft weltweit energetisch optimiert. Schwerpunktmäßig sind dies Maschinen, die älter als 6 Jahre sind, da die neuen Maschinen heute energieoptimiert sind und sehr viel weniger Energie verbrauchen. Die momentane Situation am Strommarkt hat die Nachfrage der energetischen Optimierung stark belebt, da viele Unternehmen zum energetischen Umdenken gezwungen werden.
Welche Technologien können sich synergistisch ergänzen, um ein Maximum an Effizienz zu erzielen?
Oehm: Durch unser breit angelegtes System-Know-how machen wir grundsätzlich einen ganzheitlichen Ansatz zur Energie- und Prozessoptimierung. Der Anlagen-
betreiber kann dann anhand der Ergebnisse selbst entscheiden, welche Maßnahmen er umsetzen lassen möchte. Wir zeigen dabei immer auch die Wechselwirkungen der einzelnen Bereiche aufeinander auf. Beispielsweise die Maschinenoptimierung, die dann nicht nur die direkte Stromeinsparung an der Maschine zur Folge hat. Im Schlepptau hat diese Maßnahme beispielsweise die Reduzierung von erforderlicher Rückkühlleistung. Leistungsstarke Produkte und Systemlösungen allein schaffen durch ein zufälliges Kombinieren kein optimales Ergebnis. Es braucht Erfahrung, Fachkompetenz und System-Know-how, um abgestimmt auf die jeweilige Unternehmens- und Prozessstruktur ein angepasstes Energiekonzept zu entwickeln. Wie bei keinem anderen Unternehmen weltweit, finden so viele Wissensbereiche, Anwendungstechniken und Leistungsbereiche rund um die Kunststoffverarbeitung zusammen. Unser Haus hat sich darauf spezialisiert, mit eigenen Fachingenieuren die Bereiche Kühl- und Kälteanlagentechnik, Wärmerückgewinnung, Werkzeugtemperierung, Klima-, Lüftungs-, Reinraum- und Drucklufttechnik, Maschinen- und Prozessoptimierung, Wasserbehandlung allein und zusammen mit Systempartnern sowie Energieberatern die Bereiche Finanzierung, Fördermittel, Lastmanagement, Beleuchtung oder Energieeinkauf umfassend zu beraten, anlagentechnische Energiekonzepte zu ent-
wickeln und umzusetzen. Die Kombination der Systeme erfolgt so, dass im Interesse des Betreibers eine möglichst große synergistische Wirkung erzielt wird. Wir wurden aufgrund unseres breiten Leistungsspektrums, der vielen Alleinstellungsmerkmale und unseres System-Know-hows als deutscher Weltmarktführer ausgezeichnet. Wir haben circa 10 Systembereiche, die sich je nach Situation ergänzen zu einer ganzheitlichen Optimierung im energetisch zu betrachtenden Kunststoffverarbeitungsprozess. Die Auszeichnung als Weltmarktführer ist nur eine unserer über 50 nationalen und internationalen Preise und Auszeichnungen.
Welche Rolle übernimmt die Digitalisierung bei der Reduktion des Energieverbrauchs?
Oehm: Die Digitalisierung bietet uns die Chance, Betriebserfahrungen und Betriebsergebnisse aus beliebig vielen Anlagen und den unterschiedlichsten Branchenanwendungen aufzunehmen, systemisch auszuwerten und unter Einsatz von System-Know-how unserer Fachleute aufzubereiten. Dies erfolgt so, dass daraus Prozessabläufe und Prozessparameter konfiguriert werden, die im Zusammenspiel mit einem ganzheitlichen Energiemanagementsystem einen energetisch optimierten Energieeinsatz sicherstellen. Oder auch in Kurzform: Aufnehmen, analysieren, optimieren, überwachen. Daraus folgend: Wir sind weltweit mit unseren Anlagen online vernetzt und die Digitalisierung ist die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Anlagen überwachen und dafür sorgen, dass sie stets mit optimalem Wirkungsgrad fehlerfrei arbeiten.
Wie beeinflusst die Wasserqualität den Energiebedarf einer Kühl- beziehungsweise Temperieranlage?
Oehm: Die Wasserqualität nimmt sehr stark Einfluss auf den Produktionsprozess und in der Folge auf die Energiebilanz! Leider wird das meist erst dann erkannt, wenn gravierende Probleme in der Prozesskette auftreten. Eine schlechte Wasserqualität ist in der Wirkung vergleichbar mit der Arterienverkalkung bei Menschen. Sie führt in diesem Fall zwangsläufig zu Ablagerungen an benetzten Flächen. Die Wirkung ist vielschichtig und reicht von anaerober Korrosion über die Druckverlusterhöhung, eine wärmetechnische Einflussnahme durch Beläge und Ablagerungen auf Rohrinnenwänden mit Auswirkung auf Energieverbrauch und Prozessgeschwindigkeit bis zum funktionellen Ausfall durch Verstopfungen und hygienetechnische Probleme. Durch die Ablagerungen verlängern sich zwangsläufig die Zykluszeiten und die benötigte Kühlleistung nimmt zu, sodass der Energiebedarf pro produzierte Einheit steigt. Erfahrungsgemäß erhöht sich auch der Ausschussanteil mit weitreichenden Folgen. Außerdem wird der Arbeitsaufwand für das Bedienpersonal größer. Letztendlich steigen die Stück- beziehungsweise Fertigungskosten sowie die Instandhaltungs- und Wartungskosten, wodurch die Wettbewerbsfähigkeit ein Stück weit verschlechtert wird. In einem Zeitraum von zwei Jahren sind Hunderte von Oni-Aquaclean Anlagen installiert worden. Die erzielten Ergebnisse sind laut der Rückmeldungen durch die Betreiber beeindruckend. So beispielsweise, dass sich die Investition in weniger als einem halben Jahr durch erzielte Einsparungen gerechnet hat.
Die Wasserqualität beeinflusst den Energieverbrauch und dadurch die Betriebskosten der Unternehmen.
Wie können klimaneutrale Kältemittel den CO2-Fußabdruck der Unternehmen verbessern?
Oehm: Klimaneutrale Kältemittel allein werden das CO2-Problem kurz- und mittelfristig nicht lösen, weil daneben ja auch Aspekte wie Toxizität, Brennbarkeit und konstruktive Aspekte eine Rolle spielen. Insoweit ist hier sicherlich die auf die jeweilige Anwendung hin abgestimmte Wahl eines klimafreundlichen Kältemittels die erfolgversprechende Lösung.
Beispielsweise ein Kältemittel R515B, das mit einem relativ niedrigen GWP-Wert (Global warming potential) von 293 (gemäß IPCC IV) aufwartet. Dieses Kältemittel weist sehr gute thermische Werte auf und wird beispielsweise in Wärmepumpen eingesetzt. Hiermit lässt sich ein Kühlwasser mit einem Wertepaar von 20 auf 15 °C bei gleichzeitiger Lieferung von Heizwasser mit einer Temperatur von 75 °C darstellen. Darüber hinaus ist es als Sicherheitskältemittel in der Gruppe A1 eingestuft und gilt damit als ungiftig, nicht brennbar und ozonschonend. (Quelle: KKA) Auch in Bezug auf den CO2-Fußabdruck kann dieses Kältemittel punkten, da es bei Einsatz entsprechender Gerätetechnik einen hohen COP-Wert (Coefficient of Performance) besitzt. Ein wirklich unproblematisches natürliches Kältemittel für den Einsatz in Kältemaschinen ist Wasser (H2O) oder auch R-718. Wir setzen dieses Kältemittel zusammen mit der Kältemaschinentechnik „Echiller“ des Unternehmens Efficient Energy ein. Auf dem Sektor der Kältemittel wird sich sicherlich in den nächsten
Jahren noch einiges tun, da die Forderung nach Effizienzverbesserungen der Geräte und Betriebsmittel Innovationen vorantreiben werden.
Herr Oehm, bitte schätzen Sie zum Abschluss noch ein, wie sich die Kältetechnik in den kommenden Jahren aus Ihrer Sicht entwickeln wird.
Oehm: Das Thema globale Erwärmung und Klimawandel wird uns aller Wahrscheinlichkeit noch Jahrzehnte begleiten. In der Folge werden sich daraus für uns und unsere Welt Entwicklungen ergeben, die wir heute noch gar nicht absehen können. Bedingt durch den Klimawandel und steigende Komfortansprüche von Menschen in Entwicklungs- und Industrienationen wird es aus meiner Sicht zu einem starken Anstieg der Bedarfe von Klimageräten kommen. Ähnlich wird sich die Nachfrage nach Kühl- und Gefriergeräten für Lebensmittel entwickeln. Unserer Schätzung nach reden wir hier von jährlichen Zuwachsraten in der Größenordnung von 10 bis 15 %. Der rasante Anstieg in diesem Bereich wird sich solange fortsetzen, wie sich der Komfortanspruch finanzieren lässt. Ein weiterer Treiber in Richtung Kältetechnik ergibt sich durch den starken Anstieg der Nachfrage nach Wärmepumpen, um aus der Problematik „Abhängigkeit von fossilen Energieträgern“ herauszukommen. Aktuell hervorgerufen durch die Situation des Erdgasmarktes ist es hier zu einem, ja, man kann sagen, drastischen Anstieg der Nachfrage gekommen. Hier wird es in absehbarer Zeit zu einer gewissen Beruhigung an der Gasversorgungslinie durch Gewinnung anderer Versorgungskanäle kommen. Das darf aber nicht dazu führen, dass man die Problematik „endlicher Energieträger Erdgas oder LPG“ aus dem Fokus verliert.
Die Entwicklung von kältetechnischen Aggregaten und Kältemittel, die umwelttechnisch und sicherheitstechnisch weniger Probleme aufwerfen beziehungsweise auf Nachhaltigkeit ausgelegt sind, wird intensiver als noch vor 10 Jahren vorangetrieben werden. Treibende Faktoren sind meines Erachtens hier sicherlich die F-Gas-Verordnung und wie eingangs erwähnt, die steigende Marktnachfrage beziehungsweise der verstärkte Einsatz von Wärmepumpen, die auf beiden thermischen Kanälen (Kaltwasser und Heizwasser) optimale Ergebnisse erzielen müssen. Und natürlich nicht zu vergessen, der Druck aus der umweltpolitischen Zwangslage, weil kältetechnische Anlagen bei der globalen Erderwärmung eine wichtige Rolle spielen.
Quelle: ONI Wärmetrafo
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