
Infrarot-Rohröfen machen das Tempern von Kunststoffrohren flexibler. (Bild: Excelitas Noblelight)
In der Kunststoffverarbeitung spielen Temperatur und Licht eine entscheidende Rolle – sei es zum Trocknen, Erhitzen, Formen oder Aushärten. Doch nicht jede Wärmequelle passt zu jedem Prozess. Während Infrarot Energie schnell und gezielt überträgt, sorgt UV-Technologie für präzise Aushärtung. Wer diese Technologien richtig kombiniert, kann nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch Ausschuss und Energieverbrauch reduzieren. Welche Faktoren dabei entscheidend sind, zeigt ein bewährtes Fünf-Schritte-Modell.
Schritt 1: Kenne die Anforderungen
Trocknen, vorwärmen, formen – industrielle Wärmeprozesse sind sich ähnlich und dennoch besitzt jeder Prozess viele individuelle Parameter. Es ist wichtig zu wissen, was erreicht werden soll. Mehr Ausstoß? Weniger Ausschuss beim Entgraten? Sichere Verbindung beim Schweißen? Homogene Erwärmung vor dem Prägen, Laminieren, Kaschieren? Zuverlässiges Trocknen ohne den Kunststoff zu schädigen? Material und Form der Produkte haben ebenso Einfluss wie das mögliche Zeitfenster oder der vorgesehene Platz für einen Fertigungsschritt.
Infrarot steigert die Produktionsgeschwindigkeit: Für das Unternehmen Faurecia hatte sich die Formung von Armaturenbrettern als zu langsam für die gesteigerte Produktionsgeschwindigkeit erweisen. Das Armaturenbrett eines Autos besteht aus Kunststoff, der mit Wärme in Form gebracht wird und danach eine geräuschdämmende Beschichtung erhält. Dieser Wärmeschritt limitierte den gesamten Produktionsprozess zunehmend. Eine genaue Überprüfung zeigte, dass die Ursache dafür die ineffiziente Erwärmung mit Hilfe von Metallbandstrahlern und Dampf war. Durch eine Aufrüstung mit Carbon-Infrarot-Strahlern konnte die Anlage deutlich verbessert werden. Carbon-Strahler übertragen schnell große Mengen an Energie, so kann das Unternehmen auf den aufwändigen Wärmedampf zum Vorheizen nun verzichten. Die Formteile aus Polyethylen-Ethylenvinylacetat werden direkt in der Form aufgeheizt. Die Aufheizrate wurde dadurch um 16 % gesteigert und die Durchsatzzeiten um 20 s verringert. Weil Vorheizen jetzt nicht mehr nötig ist, werden rund 9 kW/h Energie eingespart.

Schritt 2: Die optimale Anpassung
Die Infrarottechnologie funktioniert durch die Übertragung von elektromagnetischen Wellen, die dann im Produkt kontaktfrei Wärme erzeugen. So wird keine Energie an ein Übertragungsmedium verschwendet. Es ist wichtig zu wissen, dass ein Teil der elektromagnetischen Strahlen im Material absorbiert wird, ein Teil reflektiert und der Rest die Materialien durchdringt. Nur der absorbierte Anteil trägt zur Erwärmung bei. Dabei hat jedes Material sein eigenes Absorptionsspektrum, den Bereich, in dem die elektromagnetischen Strahlen am besten aufgenommen werden. Wenn das Emissionsspektrum eines Infrarotstrahlers optimal zum Absorptionsspektrum eines Materials passt, dann erfolgt die Erwärmung des Materials wesentlich schneller und effektiver. Infrarot-Strahler können genau an Farbe, Material und andere Produkteigenschaften angepasst werden. Eine geschickte Auslegung einer Anlage hilft, die Wärme genau zu dosieren.

Infrarot-Wärme verkürzt die Taktzeiten beim Kunststoffschweißen: Ein britisches Unternehmen für Drainage-Elemente aus Kunststoff untersuchte, wie man den Schweißprozess zweier sehr unterschiedlicher und überaus komplexer Rohrsysteme für Drainagezwecke beschleunigen könnte. Dies wurde ursprünglich durch Kontaktplatten bewerkstelligt; ein Verfahren, das relativ langsam und schwerfällig war und einen beträchtlichen Aufwand für die Dunstabsaugung erforderte. Das Unternehmen CPR Automation in Tamworth plante und installierte nach ausgedehnten Versuchen eine dreistufige Infrarot-Schweiß-Station. In dieser werden zunächst zwei Kunststoffteile oben und unten eingespannt. In der nächsten Stufe fährt ein Infrarot-Modul zwischen die beiden Teile und erwärmt kontaktfrei die Oberflächen, bis der Kunststoff ausreichend angeschmolzen ist. Dann wird das Infrarot-Modul herausgefahren, die Enden der Kunststoffteile fest aneinandergepresst und so miteinander verschweißt. Nach kurzer Abkühlzeit ist das Drainage-Element fertig für die Weiterverarbeitung. Durch die Installation des Infrarot-Schweißsystems läuft der Prozess zweimal so schnell ab und kann nun auch sehr viel schneller auf neue Anforderungen eingestellt werden. Außerdem werden nahezu keine Dämpfe mehr dabei frei. Die eingesetzten kurzwelligen Infrarot-Strahler reagieren sehr schnell und so ist es möglich, die Strahler nur dann einzuschalten, wenn sich die Module genau zwischen den Enden der Rohre befinden. Das macht den gesamten Prozess erheblich energieeffizienter.
Schritt 3: Die intelligente Kombination
Komplexe Bauteile mit vielen Hinterschneidungen oder sehr temperaturempfindliche Materialien sind für Infrarot-Wärmeprozesse eine besondere Herausforderung. Häufig ist eine intelligente Kombination von Infrarot-Strahlung mit Heißluft oder UV-Technologie genau die richtige Lösung.
Infrarot-Wärme kombiniert mit Heißluft spart bis zu 80 % Zeit: Infrarot-Strahlung bringt Produkte sehr schnell auf die Zieltemperatur und elektrische Heißluftöfen sorgen für die homogene Erwärmung der Teile, auch wenn diese stark dreidimensional geformt sind. Praxisnahes Testen mit Infrarot und Heißluft hilft, die spätere Anlage optimal zu konfigurieren. Das sorgt für eine hohe Prozesssicherheit und die nötige Sicherheit bei einer geplanten Investition. Im Testzentrum bei Excelitas in Kleinostheim steht dafür eine einzigartige Kombination eines Noblelight Infrarot-Boosters mit einem elektrischen Heißluftofen von Weiss Technik. Viele Testreihen haben inzwischen die Vorteile der Kombination von Heißluft und Infrarot-Booster bestätigt. So wurde etwa eine Edelstahlkugel mit schwarzem Pulverlack beschichtet und die Erwärmung durch Thermoelemente überwacht. Es zeigte sich, dass die Erhitzung homogen über die gesamte Kugeloberfläche erfolgte, mit einem Heißluftofen alleine ebenso wie in der Kombination mit Infrarot-Booster. Beim Vergleich offenbarte sich eine signifikante Reduktion der Aufheizzeit, wenn der Infrarot-Booster zum Einsatz kam. Der Ofen erwärmte die Kugeloberfläche dabei jeweils auf 170 °C, um den Pulverlack anzuschmelzen. Anschließend härtete der Lack jeweils zehn Minuten lang aus. Die Aufheizzeit dauerte mit Heißluft alleine zehn Minuten, mit einem IR-Booster dagegen nur eine Minute. Die Prozesszeit verringerte sich damit um neun Minuten. Weitere Tests mit anderen Materialien zeigten ähnliche Einsparungen. So konnte beim Härten von Kompositen für einen Druckluftbehälter etwa 80 % Anheizzeit eingespart werden. Diese Zeitersparnis hilft, die Heizstrecke in einer geplanten Anlage enorm zu verkürzen.


Infrarot-Wärme und UV-Technologie veredeln Kunststoffe: Oberflächen aus Kunststoff werden häufig mit einem kratzfesten Lack versehen, der ihnen eine spiegelnde Oberfläche verleiht. Anti-Fingerprint-Ausstattung verhindert, dass Fingerabdrücke die hochglänzende Optik stören oder etwa Handcremes und Sonnenmilch die Kunststoffe angreifen können. Hochkratzfeste UV-Lacke machen Produkte beständig gegen Chemikalien und Witterung. Hier kommt UV-Technologie zum Einsatz. Wenn Streuscheiben für Scheinwerfer mit UV-Lack beschichtet werden, sorgen UV-Module dafür, dass hohe Qualitätsspezifikationen eingehalten werden und der für die Automobilproduktion nötige hohe Teiledurchsatz erreicht wird. UV LED Systeme härten beschichtete Kunststoffkappen.
UV-Lacke benötigen UV-Strahlung zur Initiierung der Vernetzung. Diese Vernetzungsreaktion erfolgt jedoch besser bei höheren Temperaturen oder kann durch eine Vor- oder Nacherwärmung weiter optimiert werden. Deshalb werden etwa Kunststoffteile für Radioblenden, Schalthebel oder Lippenstifthülsen in vielen Fällen mit Infrarot-Strahlung vorerwärmt. Dies führt zu einer Verbesserung der Lackeigenschaften. Eine Kombination von IR und UV ist also dann sinnvoll, wenn herausragende Qualität gefordert ist oder Energie gespart werden soll. Durch die innovative Kombination von Infrarot-Wärme mit UV-Technologien wird einerseits die Energieeffizienz der IR-Lackhärtung verbessert und andererseits Vernetzung von UV-Lacken optimiert.
Schritt 4: Kenne die Grenzen
Erfahrungswerte und Testergebnisse zeigen, wo die Möglichkeiten und die Grenzen für Wärmeprozesse mit Infrarot liegen. Flache Warenbahnen sind leichter zu erwärmen als Konturen, Ecken und Kanten, dunkel gefärbte Oberflächen nehmen Wärme sehr schnell auf, während Infrarot-Strahlung transparente Materialien nur sehr ineffizient erwärmt, weil sie einfach hindurchgeht. Materialmix und unterschiedliche Materialstärken können problematisch sein. In jedem Fall geben Tests in einem Anwendungszentrum Orientierung, um durch geschickte Auswahl von Strahlern, Reflektoren und Zubehör auch solche Herausforderungen gemeinsam zu lösen. Die Erwärmung von Produktkanten kann in manchen Fällen zu Spannungen oder Verzug führen, ganz unabhängig von der Wärmequelle. Dieser Aspekt sollte gleich bei der Auslegung eines Wärmeprozesses mitberücksichtigt werden. Infrarot-Systeme werden andererseits häufig zum gleichmäßigen Vorwärmen oder auch zum Entspannen von Kunststoffen verwendet. Dies geschieht etwa bei PET Folien, die bedruckt werden sollen, oder bei Rohren, die gestaucht oder gemufft wurden.
Infrarot-Wärme entspannt Kunststoff-Rohre schnell und effizient: Bei Simona werden im Werk in Ringsheim thermoplastische Kunststoffrohre gefertigt, die in unterschiedlichsten Bereichen wie der chemischen Prozessindustrie, der Infrastruktur oder im Wassermanagement Anwendung finden. Im Unternehmen werden Kunststoffrohre extrudiert, abgekühlt und im Anschluss durch kontrollierte, gemäßigte Wärme getempert. Ziel ist es, die Spannungen im Material zu reduzieren. Dazu kommen Rohröfen mit kreisförmig eingebauten Infrarot-Strahlern zum Einsatz, welche die Wärme direkt auf durchlaufende Materialien richten. Durch diese Anordnung werden effiziente Wärmeprozesse bei Endlosmaterialien im Durchlaufverfahren ermöglicht.
Im Gegensatz zu einer langwierigen Behandlung mit Warmluft können die Rohre so nach dem Extrudieren in kurzer Zeit erfolgreich durch Infrarot-Wärme getempert werden. Im Vergleich zu konventionellen Methoden wird durch die Infrarot-Strahlung wesentlich an Platz gespart sowie eine konstant hohe Qualität der Produkte sichergestellt. Die Rohröfen bei Simona enthalten schnelle mittelwellige Infrarot-Strahler, die schnelle Reaktionszeiten mit effizienter mittelwelliger Strahlung vereinen. Kunststoffe lassen sich mittels mittelwelliger Strahlung besonders gut erwärmen. Zusätzlich können die Rohröfen so klein und kompakt gebaut und damit einfach in die Fertigungslinien integriert werden, in denen ein Temperprozess benötigt wird.

Schritt 5: Green Energy
Infrarot-Systeme helfen Zeit, Platz und Energie zu sparen. Viele Fertigungsbetriebe planen derzeit, auf alternative Energien umzusteigen, etwa durch Photovoltaik auf der Fertigungshalle. Einige berichten, dass sie durch den Umstieg auf energieeffiziente Infrarot-Wärme soviel Energie sparen, dass sie den erzeugten Strom inzwischen ins Netz einspeisen können. Übrigens: der Umstieg von Gas auf Ökostrom spart nicht nur Energie, sondern auch CO2-Steuer und kann gefördert werden.
Quelle: Excelitas Noblelight
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