Albis Plastic, Hamburg, hat zum Jahresbeginn 2018 die Wipag Gruppe, Spezialist für die Aufbereitung und Herstellung spritzgussfähiger carbonfaserbasierter Compounds mit Standorten in Neuburg (Donau) und Gardelegen übernommen. Dank der innovativen Recycling-Technologie von Wipag lassen sich Reste von Carbonfaser-Zuschnitten wieder aufbereiten und zu carbonfaserverstärkten Compounds granulieren.
Bei der Herstellung von beispielsweise Karosserieteilen werden Gelege aus Carbonfasern gefertigt und dann auf die erforderlichen Größen zugeschnitten. Bei diesem Arbeitsschritt fallen als Nebenprodukt Faserreste an. Bisher war das Recyceln der Faserreste jedoch aufgrund ihrer ungleichmäßigen und somit kaum förderbaren Form nicht möglich. Dank eines speziell entwickelten Verfahren ist eine kostengünstige Herstellung eines Compounds aus Sekundärcarbonfasern und Neuwarekunststoff möglich.
Geringes Gewicht und hohe Steifigkeit
Dieses Verfahren ermöglicht die Verfügbarkeit des carbonfaserverstärkten Kunststoffs (CFK) in Granulatform, wodurch dieser jetzt im Spritzgussverfahren einsetzbar ist. Das Material hat ein geringes Gewicht und ist von hoher Steifigkeit. Es dehnt sich bei Erwärmung kaum aus, rostet nicht und ist chemisch beständig. Ziel von Albis ist es, mit diesen neuen Produkten hochgefüllte Glasfaser-Compounds zu ersetzen – bei einer gleichzeitig signifikanten Gewichtsersparnis und moderater Gesamtkostenreduktion.
Auf der Albis Automotive Lounge, die im Mai in Düsseldorf stattfand, machte dies Markus Thurmeier von Audi am Beispiel eines Tankdeckelscharnierarms deutlich: Hier wurde ein Polyamid 6 mit 50 Prozent Glasfaseranteil durch ein Polypropylen mit 30 Prozent recycelter Kohlefaser ersetzt. Es besteht zwischen dem Glasfaser-Compound mit 1,58 g/cm3 und dem Kohlefaser-Compound mit 1,05 g/cm3 ein Dichteunterschied von über 30 Prozent. Gleichzeitig ergibt sich über die Volumenpreiskalkulation des Compounds eine Reduktion der Materialkosten für das Bauteil um etwa 5 bis 10 Prozent. Scheinbare Mehrkosten für das Kohlefaser-Compound in Euro/kg egalisieren sich bei der Literpreisbetrachtung in Euro/l.
Laut Thomas Marquardt, Geschaftsführer der Wipag, sei bei diesem Thema die Automobilindustrie hier zu 100 Prozent der Treiber. Bei Audi und BMW sind heute schon Produkte des Unternehmens im Einsatz. Bei weiteren OEMs und Systemlieferanten laufen ähnliche Projekte und Marquardt sieht hier ganz klar eine starke Nachfrage von der Kundenseite. Die Unternehmen sind sehr daran interessiert, die Themen Leichtbauwerkstoffe und Recycling miteinander zu kombinieren.
Auch stellte Marquardt die Closed-Loop-Technologie für eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft vor. Closed-Loop bezeichnet Techniken wie zum Beispiel die Verbundtrennung von Instrumententafeln oder die Entlackung von Stoßfängern im Rahmen der werkstofflichen Kreislaufwirtschaft. Das hochentwickelte Closed-Loop-Verfahren bietet somit eine ideale Möglichkeit zur ressourcenschonenden Produktion. Die Reststoffe, wie die Stanzreste aus den Instrumententrägern oder Stoßfängern, werden bei Automobilherstellern oder Zulieferern verpresst und/oder zerkleinert, um dann bei Wipag über mehrere Verfahrensschritte aufgearbeitet beziehungsweise granuliert zu werden.
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Interview mit Ian Mills, CSO Albis
Was ist Ihr abschließendes Statement zur Automotive Lounge 2018?
Ian Mills: Nach 2017 in München findet die Automotive Lounge nun zum zweiten Mal statt, dieses Mal in Düsseldorf. Auch dieses Jahr konnten wir mit rund 60 ausgewählten Teilnehmern eine bunte Mischung aus Kunden, Systemlieferanten und namhaften OEMs dafür interessieren. Entlang eines tagesfüllenden Programms aus Impuls- und Fachvorträgen fand zwischen den Gästen ein lebhafter Austausch statt. Wir haben uns über die Resonanz und das positive Feedback sehr gefreut und sind insgesamt sehr zufrieden.
In der Automobil-Industrie gibt es den Trend, für eine steigende Anzahl an Anwendungen recycelte Materialien zu verwenden. Mit welchen Herausforderungen sehen sich die Hersteller konfrontiert?
Ian Mills: Wir haben seit Jahren einen steigenden Anteil an recycelten Produkten in unserem Sortiment und beliefern damit verschiedene Kunden. Wenn wir über Herausforderungen sprechen, sind mehrere Aspekte relevant: Zum einen die unterschiedliche Herkunft der zu recycelnden Materialien – Post-consumer- oder Post-industrial-Recycling. Ein weiterer Aspekt ist das Qualitätsniveau der Compounds: Hier hat sich Albis auf Near-to-prime-Lösungen fokussiert, welches wir mit Post-industrial-Wertstoffen realisieren. Im Bereich Post-consumer ist die Verarbeitung herausfordernder, denn wir haben es hier in der Regel mit einem Mix verschiedener Polymere zu tun. Das macht eine Verwendung im Innenraum eines Autos schwieriger. In technischeren Bereichen, wie zum Beispiel unter der Motorhaube, sehen wir eine steigende Verwendung von Bauteilen aus recyceltem Granulat. Entwicklungen wie diese brauchen ihre Zeit. Sicherlich wäre es möglich, diese noch zu beschleunigen. Aber ich nehme ein fundiertes Interesse aus der Industrie wahr, deshalb werden wir auch in Zukunft auf diese Werkstoffe setzen.
Vielleicht ist die Verwendung auch eher imagegetrieben, um sich Endkunden gegenüber zu profilieren?
Ian Mills: Das ist nicht auszuschließen. Aber es gibt keinen Zweifel für mich, dass viele der OEMs 100 Prozent darauf setzen, Bauteile aus recyceltem Material in ihren Produkten zu verwenden. Heute haben wir hier einige gesehen. Wir werden das so gut es geht mit unserem Produktportfolio unterstützen. Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung wird nicht zuletzt von Qualitätsstandards und Kundenerwartungen bestimmt. Der Preis spielt da eine wesentliche Rolle. Bei dem heutigen Preisniveau, wo wir Lieferengpässe bei zum Beispiel PA 66 sehen und ein damit einhergehendes hohes Preisniveau, rücken die neuen recycelten Produkte stärker in den Fokus. Vor diesem Hintergrund stoßen die recycelten Carbonfaser-Compounds, die wir unlängst mit dem Kauf von Wipag unserem Sortiment hinzugefügt haben und die bei einem sehr guten Preis-Leistungs-Niveau ein großes Potenzial für das Thema Leichtbau bedeuten, auf großes Interesse in der Industrie.
Lassen Sie uns über China reden. Gibt es dort einen wachsenden Markt für grüne Compounds?
Ian Mills: Von wirklich großen Verkaufschancen für grüne Compounds können wir derzeit noch nicht sprechen. Natürlich sind Materialien aus recyceltem Rohstoff vor Ort im Einsatz, aber der Treiber ist bis dato vor allem der Preis anstelle von Umweltaspekten. Dies könnte sich in naher Zukunft ändern. Die chinesische Regierung verfolgt strikte Umweltziele, zum Beispiel durch die Schließung von Industrieunternehmen, die Emissionsgrenzwerte nicht erfüllen können. Darüber hinaus wurde der Import von Abfällen und Schrott aus anderen Ländern, zum Beispiel aus Deutschland, seit Anfang 2018 vollständig gestoppt. Dies führte auch vorübergehend zu einem Mangel an recycelten PC-Rohstoffen. Es gibt eine zunehmende Anzahl an grünen Trends, aber bis jetzt ohne bahnbrechende Effekte für die Kunststoffe im Einsatz. Wie gesagt, dies wird sich vermutlich bald ändern, und wie alles in China, wenn es sich ändert, wird es sich schnell ändern. Wir als Albis verkaufen derzeit recyclingbasiertes Qualitäts-Granulat auch in China, vor allem an globale Unternehmen, deren Produkte dann nicht unbedingt in China verwendet werden.