Titelbild

Fensterheber können künftig kapazititv betätigt werden. (Bild: KH Foliotec)

Die Geschichte des Fensterhebers ist nicht so alt wie die des Automobils an sich. Denn die ersten Scheiben waren feststehend oder steckbar, danach kamen Klappfenster, man denke an das Kultauto „Ente“, gefolgt von Schiebefenstern, wie sie beispielsweise der Renault 4 besaß. Im Jahr 1928 begann Max Brose, Gründer eines heute sehr großen Automobilzulieferers, Fensterheber für Automobile zu entwickeln und herzustellen. Die bereits 1926 patentierte Schlingfederbremse ermöglichte es, die Fahrzeugscheibe in jeder beliebigen Position zu halten und mit einer Fensterkurbel zu bewegen. Bereits Anfang der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts wurden in Amerika die ersten Fensterheber mit Elektromotor eingeführt und das erste europäische Fahrzeug wurde 1956 damit ausgestattet. Heute gehören elektrische Fensterheber zum Standardlieferumfang der Fahrzeuge und werden über Taster in den Türen oder über die Mittelkonsole bedient. Die elektrischen Fensterheber besitzen seit Anfang 1996 eine Automatik für den Hoch- und Tieflauf sowie einen Einklemmschutz. Der Einklemmschutz stellt über die Fensterposition fest, ob ein Hindernis vorhanden ist, oder das Fenster seine Endposition erreicht hat.

Schalter wird durch Sensor ersetzt

Übersicht

Matte Oberfläche, Rückseite der hinterspritzten Folie, Rückseite des gebondeten Panels mit Poly IC Touchsensor und in mattweißer Ausführung (von links). (Bildquelle: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Der nächste Entwicklungsschritt für das Bedienen des Fensters ist derzeit das Ersetzen von konventionellen Schaltern und Tastern durch Berührungssensoren. So auch der Fensterheber: Er soll weiterhin einfach zu bedienen sein, ein ansprechendes Design besitzen und dennoch alle sicherheitstechnischen Ansprüche, wie den Einklemmschutz, erfüllen. Die Basis hierfür legt ein weltweites Patent eines innovativen Bedienkonzeptes der Firma GE-T mit Firmensitzen in Wolfsburg und Ingolstadt. Unter deren Führung wurde ein Entwicklungskonsortium gebildet, dem die KH Foliotec, Sparneck, eine Tochtergesellschaft von Kunststoff Helmbrechts, und Poly IC, Fürth, ein Tochterunternehmen der Leonhard Kurz Stiftung angehören.

In nur sechs Monaten haben die Unternehmen in Eigeninitiative ein Smart-Door-Panel in IML-Technologie entwickelt und einem OEM vorgestellt. Die ersten Funktionsprototypen bestanden erfolgreich die Testphase, sodass komplette B-Muster aufgebaut und in die ersten Versuchsfahrzeuge eingebracht wurden.

Hintergrund der Entwicklung ist, dass die in Serienfahrzeugen eingesetzten Schalter aus vielen Einzelteilen bestehen. Dies bedeutet zahlreiche Spritzgusswerkzeuge und Montagevorrichtungen, Komponenten sowie Variantenvielfalt und entsprechende Logistik. Während der Entwicklungszeit müssen die Toleranzen der Bauteile sorgfältig abgestimmt und Spaltmaße eingehalten werden. Künftig braucht nur noch die Form des Touchpanels mit der Armlehne der Fahrertür abgestimmt und ein Stecker mit dem Türsteuergerät verbunden zu werden. Denn beim Smart-Door-Panel handelt es sich lediglich um ein Bauteil, mit dem alle denkbaren Varianten abgedeckt werden. Das Bauteil ist immer in der „Vollausstattung“ eingebaut, jedoch werden nur die gewünschten Funktionen über die Software angesteuert. „Dies ermöglich neue Verkaufsstrategien der Hersteller, da je nach bestellter Fahrzeugausstattung, Funktionen dauerhaft, zeitweise oder nachträglich aktiviert werden können. Denn durch den Black-Panel-Effekt werden nur die Symbole dargestellt, die angeleuchtet werden, sprich aktiviert sind“, erläutert Christoph Ernst, Leiter Vertrieb bei Kunststoff Helmbrechts. Mit dem neuen Modul gehören künftig unter anderem das Herstellen und der Einsatz unterschiedlicher Tastenanzahlen oder Blindtasten der Vergangenheit an. Außerdem besitzt das Panel ein deutlich geringeres Gewicht, als das Modul mit den Tasten, die einzeln verkabelt werden müssen.

Gebündeltes Fachwissen

Panel

An den Panels mit hinterleuchteten Symbolen ist sehr gut die dreidimensionale Verformung der Oberfläche zu erkennen. (Bildquelle: KH Foliotec)

Jeder einzelne Partner hat seine spezifischen Stärken mit in das Entwicklungsprojekt „Intuitives Bedienkonzept“ eingebracht und somit wesentlich zum bisherigen Erfolg beigetragen. Die grundlegende Entwicklung des Türbedienmoduls erfolgte durch GE-T, das auch für das Design, die Softwarearchitektur und letztendlich die Validierung dessen verantwortlich zeichnet. Bei KH Foliotec wurde ein dreidimensional geformtes IML-Bauteil konzipiert und technisch umgesetzt. Für dieses komplexe Design wurde von der Poly IC eine spezielle Sensorfolie entwickelt, die über das Functional Foil Bonding aus dem Hause Kurz integriert wird.

Das Bedienelement besteht aus einer dreidimensional geformten Polycarbonatfolie, die eine kratzfeste und chemikalienbeständige Beschichtung besitzt. Damit der Fahrzeuglenker auch mit der neuen Technik die „Schalter“ intuitiv betätigen kann, wird seine Hand durch vertiefte und erhöhte Zonen in der Bauteiloberfläche geführt. Für das Verstellen des Spiegels wurde ein vertieftes Kreuz integriert und die Fensterheber sind markant erhöht. „Die Folie wird bei diesen beiden Erhebungen lokal in alle Himmelsrichtungen um circa 50 Prozent gedehnt, sodass die Umsetzung, gerade hinsichtlich der Position der angrenzenden Symbole, sehr herausfordernd war“, beschreibt Häßler, Leiter Forschung und Entwicklung bei KH Foliotec.

Details im Verborgenen

Diskussion

Bastian Häßler und Christoph Ernst (links) diskutieren über die Symbolik im Bereich der Fensterheber. (Bildquelle: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Die neue Technologie ermöglicht verschiedene Rückmeldungen an den Bediener. Somit kann der Fahrzeughersteller entscheiden, ob der Sensor beim Betätigen nur schaltet oder zusätzlich ein haptisches und akustisches Feedback gibt. „Es ist jedoch auch möglich, dass alle Möglichkeiten hinterlegt werden, sodass der Endanwender die Rückmeldung individuell auswählen und einstellen kann“, erläutert Ernst. Thomas Ruff, Vertriebsleiter KH Foliotec, ist sich sicher, dass die Realisierung der Feedback-Steuerung in dieser Form vor einem Jahr noch nicht möglich gewesen wäre.

Durch die Sensortechnik im Fahrzeug wurde die Software in den Mittelpunkt gerückt und es sind mehr Fachbereiche an Entwicklungsprozessen beteiligt. Die Bedienung erzeugt kapazitive Werte im integrierten Touchsensor, die wiederum von Software und Controller ausgewertet werden, um festzustellen, ob es sich um eine bewusste Schaltung handelt oder nicht. Ein Drucksensor im Schalter erkennt, mit welchem Druck das Bedienen der Blende erfolgt. Somit reicht eine leichte Berührung nicht für das Bedienen aus, sondern die Folie muss zusätzlich ein Zehntelmillimeter eingedrückt werden, damit eine Schaltung erfolgt. Auf diese Weise werden Fehlfunktionen vermieden, beispielsweise durch Regentropfen bei offener Tür oder durch unbeabsichtigtes Dagegenstoßen. Um dem geforderten Einklemmschutz gerecht zu werden, hat das Konsortium ein entscheidendes Sicherheitsmerkmal umgesetzt: Das Fenster kann mit einem Finger abgesenkt werden, doch um es zu schließen, muss der erhöhte Bereich von beiden Seiten berührt werden.

Die Sensorfolie wird in einem separaten Prozessschritt rückseitig mit dem vorgeformten IML-Bauteil verbunden und folgt der 3D-Kontur. Hier kommt das von Leonhard Kurz, Fürth, neu entwickelte Functional Foil Bonding (FFB) zum Einsatz, bei dem über Druck und hoher Temperatur das IML-Bauteil und der PET-Träger mit den funktionellen Strukturen in kurzer Zeit verbunden werden. Die transparente Funktionsfolie ist mit einem Primer ausgestattet, der durch den Einfluss des Stempeldrucks für eine gute, blasenfreie Verbindung bei dieser dreidimensionalen Oberfläche sorgt.

Kleinteilige Schritte

Siebdruck

Im Konterdruck erhalten die IML-Folien Dekor und Symbolik. (Bildquelle: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Doch bis das IML-Teil soweit ist, dass es gebondet werden kann, sind zahlreiche Prozessschritte notwendig. Zunächst werden die Polycarbonatzuschnitte bei KH Foliotec bedruckt. Beim Smart-Door-Panel sind es sechs Schichten, die nacheinander im Siebdruck aufgebracht werden. Die Durchlaufzeit für eine Farbschicht beträgt rund eine Stunde. Parallel zum Drucken werden die Dicken der Farbschichten überprüft, um sicherzustellen, dass im Gebrauch die Durchleuchtung gegeben ist und die Toleranzen eingehalten werden. Für die hochglänzenden Varianten besitzt die Folie bereits bei Anlieferung eine Dual-Cure-Schicht, für die matten Varianten wird diese intern aufgedruckt. Diese Oberflächenschicht, die am späteren Bauteil die Hard-Coat-Schicht bildet, macht es erforderlich, dass der Fertigungsbereich gegen UV-Licht abgeschirmt wird, denn sie wird erst nach dem Formgebungsprozess der Folie ausgehärtet.

Werkzeug

Werkzeug, mit dem die IML-Folien im High-Pressure-Forming hergestellt werden. (Bildquelle: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Die größte Anzahl der bei KH Foliotec hergestellten Bauteile wird in Schwarzhochglanz gefertigt. „Matte und weiße Dekore sind ebenfalls möglich, schaffen es allerdings nicht in die Großserien“, berichtet Ruff. Die mattweiße Oberfläche wird gerne auch als Keramikoberfläche bezeichnet, die weißhochglänzenden heißen in Verbindung mit dem Verschwindeeffekt im Fachjargon White-Panel. Dieser Effekt hat sich bisher gegenüber dem Black-Panel in der Großserie nicht durchgesetzt, da rückseitig deutlich mehr Licht respektive Leistung eingekoppelt werden muss. Bei Tag muss zusätzlich mit farbigen LEDs gearbeitet werden, um das Bediensymbol überhaupt sichtbar zu machen.

Kontrolle und Sauberkeit sind notwendig

Kontrolle

Die Druckbilder werden nach dem Siebdruck alle visuell kontrolliert, um das Hinterspritzen von fehlerhaften Folien zu vermeiden. (Bildquelle: Simone Fischer/Redaktion Plastverarbeiter)

Nach dem Bedrucken werden die Druckbilder auf Fehler überprüft, damit keine Folie hinterspritzt wird, die einen optischen Fehler besitzt. Anschließend werden die Druckbilder ausgestanzt, vereinzelt und gestapelt, bevor sie auf Rundtakttischen geformt werden. Zunächst werden sie mit Infrarotstrahlung erwärmt, um anschließend mit einem Formwerkzeug im High-Pressure-Forming ihre Geometrie zu erhalten. Nach dem Abkühlen erfolgt die UV-Härtung der obersten Schicht, bevor durch Stanzen oder Lasern die überschüssigen Folienbereiche von der Dekorkomponente abgetrennt werden. Nach erneuter optischer Kontrolle ist der Einleger im Prinzip bereit für das Hinterspritzen. Nach dem Vereinzeln werden sie noch beidseitig mit Schwertbürsten von Wandres Micro-Cleaning, Stegen, von den letzten noch anhaftenden partikulären Verunreinigungen, wie Flakes oder Staub, befreit. Die Schwertbürsten befinden sich in der an die Spritzgussmaschine angeschlossenen Fertigungszelle, damit nach der Staubentfernung keine erneute Schmutzanlagerung erfolgen kann. Daher sind die Fertigungszellen mit Flowboxen ausgerüstet. „Sauberkeit ist beim Hinterspritzen von Folien sehr wichtig. Partikel, die ins Werkzeug eingebracht werden, führen in der Regel dazu, dass das Bauteil, aufgrund eines Pickels oder einer Fehlstelle verworfen werden muss. Es gehört ein gutes Bauchgefühl und viel Erfahrung beim Folienhinterspritzen dazu“, führt Bastian Häßler aus. Nach dem Reinigungsschritt werden die Folien von komplexen Roboter-Endarm-Geräten in die meist mehrkavitätigen Werkzeuge eingelegt. Die Folien werden durch ihre Geometrie oder Flachfolien durch Vakuum in Position gehalten. Einleger und Werkzeugkavität müssen hinsichtlich der Abmessungen gut aufeinander abgestimmt sein.

Schalter

Fertigungsstufen eines herkömmlichen Schalters. Vorgeformte Folie, mit PC transluszent grau hinterspritzt und mit funktioneller Komponente aus PC/ABS (von links, oben). Die beiden unteren Teile zeigen die Fertigungsstufen ohne IML-Folie. (Bildquelle: KH Foliotec)

In Sparneck werden auf 14 Spritzgießmaschinen Bauteile im Inmould-Verfahren hergestellt. Die Schließkräfte der Maschinen betragen zwischen 50 und 1.000 Tonnen. Die größte Maschine steht in einem speziellen Sauberraum, da auf ihr die größten teiltransparenten Bauteile gefertigt werden, die besonders anfällig gegenüber Staubeinschlüssen sind. Die überwiegende Zahl der Maschinen sind Zwei-Komponenten-Maschinen. Angespritzt werden die Bauteile mit Heißkanaltechnik. Rund 30 Mio. Bauteile pro Jahr verlassen das Werk in Oberfranken. Kleinserien umfassen lediglich 400 bis 500 Teile pro Jahr, Großserien durchaus 10 Mio. Teile pro Jahr.

Wirtschaftliche Aspekte

„Das Smart-Door-Panel wird umso günstiger, je mehr Funktionen es enthält. Gilt es nur einen Schalter zu ersetzen, so ist diese Variante mit der Funktionsfolie durch den zusätzlichen Einsatz der Auswerteelektronik erheblich teurer“, führt Ruff aus.

Der separate Schritt zum Verbinden von IML-Bauteil und Funktionsfolie erfolgt ebenfalls aus wirtschaftlichen Gründen. Denn dadurch ist sichergestellt, dass nur Dekorbauteile mit der Sensorfolie verbunden werden, die zuvor eine optische Prüfung durchlaufen haben, sodass ein optischer Fehler nicht zum Verwurf des komplettierten Bauteils führt. Die Prüfung auf Oberflächenfehler an hochglänzend dekorierten Bauteilen erfolgt immer noch manuell, da das menschliche Auge der Kameratechnik weit überlegen ist.

Die Resonanz der Autobauer auf das Smart-Door-Panel des Konsortiums ist durchweg positiv. Die genannten technischen Möglichkeiten und Gewichtsersparnisse sowie die wirtschaftlichen Aspekte bestärken das Interesse. Mit Umsetzung des Fensterhebermoduls in kapazitiver Bedienweise wäre das Bedienkonzept im Fahrzeuginnenraum aus einem Guss.

ist Redakteurin Plastverarbeiter. simone.fischer@huethig.de

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Unternehmen

KH Foliotec GmbH

Joseph-Müller-Straße 2
95234 Sparneck
Germany