Foto technischen Geräts mit großem Display. Software-Lösungen zur Prozessüberwachung und -steuerung sorgen beim Verarbeiten von Rezyklaten dafür, die Produktqualität konstant zu halten.

Software-Lösungen zur Prozessüberwachung und -steuerung sorgen beim Verarbeiten von Rezyklaten dafür, die Produktqualität konstant zu halten. (Bild: Kistler)

Noch immer wird Recycling primär mit der Verpackungsindustrie in Verbindung gebracht. Kunststoffabfälle fallen jedoch in allen Industrien an – unter anderem in der Automobilindustrie. Hier spielte bisher weder die Recyclingfähigkeit von Bauteilen noch die Nutzung von Rezyklaten für neue Teile eine große Rolle. Das wird sich künftig ändern: Die Politik hat den Handlungsbedarf erkannt und steuert mit zunehmend strengeren Vorgaben nach. So sieht eine Gesetzesinitiative der Europäischen Kommission von 2023 beispielsweise für Kunststoffteile in Neufahrzeugen einen Anteil an recyceltem Material von mindestens 25 % vor. Davon sollen wiederum 25 % aus Altfahrzeugen stammen.

Das Verwenden von Rezyklaten wirkt sich jedoch auf die Materialeigenschaften in der Produktion aus. Im Gegensatz zu Neumaterial mit bekannter, gleichbleibender Zusammensetzung kann sich diese bei Rezyklaten von Batch zu Batch – und manchmal sogar innerhalb eines Batchs – ändern. Insbesondere Post-Consumer-Kunststoffe sind meist unbekannter Zusammensetzung: vom Joghurtbecher bis zur Plastiktüte kann alles enthalten sein. In der Konsequenz sind die Materialeigenschaften dieser Kunststoffe schwer einzuschätzen.

Doch die Zusammensetzung ist nur eine Unbekannte. Auch Feuchtigkeitsanteile, mögliche Verunreinigungen und das Aufbereiten des Granulats können sich insbesondere auf die Viskosität der Schmelze auswirken. Spritzgießer müssen sich damit auf ständige Schwankungen im Prozess einstellen, die zu ungleichmäßig gefüllten Kavitäten und Oberflächendefekten führen können. Doch was tun, wenn sich der Ausgangsstoff nicht kontrollieren lässt? Die Antwort ist so einfach wie kompliziert: Lassen sich die Materialeigenschaften nicht beherrschen, gilt es, den Prozess zu beherrschen und zielgerichtet auf die geänderten Materialeigenschaften zu reagieren. So bleibt die Qualität von Zyklus zu Zyklus identisch.

Über den Werkzeuginnendruck Rezyklate besser beherrschen

In den heutigen Produktionen existieren bereits Lösungsansätze, um den Materialeigenschaften auf den Zahn zu fühlen. Die Nachfrage nach zusätzlichen Prozessregelungssystemen speziell für das Verarbeiten von Rezyklaten steigt. Dabei gilt: Je näher am eigentlichen Produkt gemessen und geregelt wird, desto gezielter ist es möglich, in den Prozess einzugreifen – und desto besser können Spritzgießer die Rezyklate beherrschen.

Grafik zu ungleichmäßigem Fließverhalten beim Füllen von Mehrkavitätenwerkzeugen, dies kann Qualitätseinbußen bei Rezyklatverarbeitung zusätzlich verstärken. Software balanciert hier das Füllverhalten in solchen Fällen aus.
Ungleichmäßiges Fließverhalten beim Füllen von Mehrkavitätenwerkzeugen kann Qualitätseinbußen bei Rezyklatverarbeitung zusätzlich verstärken. Software balanciert hier das Füllverhalten in solchen Fällen aus. (Bild: Kistler)

Hier sind das Erfassen und Optimieren des Werkzeuginnendruckverlaufs ein seit langem etablierter, essenzieller Parameter. Er hilft, Druckverläufe zu optimieren und den richtigen Umschaltpunkt – den Moment, in dem die Maschine von der Geschwindigkeitsregelung (Füllphase) auf die Druckregelung (Nachdruckphase) umstellt – zu finden. Verändern sich Materialeigenschaften deutlich und sogar von Zyklus zu Zyklus, muss die Regelung in Echtzeit erfolgen, wenn die Bauteilqualität konstant gehalten werden soll. Darüber hinaus schützt die Werkzeuginnendruckumschaltung (Mehrkavitäten-)Werkzeuge gezielt vor Schäden, indem sie Überspritzungen verhindert.

Grafik zu folgendem Sachverhalt: Bei der Verwendung von Rezyklaten kann es durch inhomogenes Materialverhalten zu Prozessschwankungen kommen – eine Echtzeitregelung gleicht die Unterschiede im Füllverhalten wieder aus.
Bei der Verwendung von Rezyklaten kann es durch inhomogenes Materialverhalten zu Prozessschwankungen kommen – eine Echtzeitregelung gleicht die Unterschiede im Füllverhalten wieder aus. (Bild: Kistler)

Jeden Zyklus im Blick behalten

Bei der Verwendung von Rezyklaten kommen Software-Lösungen zur Prozessüberwachung und -steuerung, die auf sämtliche Produktionsschritte und Abläufe zugeschnitten sind, eine Schlüsselfunktion zu: Meist reichen schon kleine Anpassungen, um den Prozess zu stabilisieren – diese müssen jedoch genau berechnet werden und kontinuierlich erfolgen. Entsprechende Software analysiert dafür die Messdaten aus dem laufenden Prozess und ermittelt, wie die Maschine nachjustieren muss. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Eine Option ist es, das Wiederanfahren von Werkzeugen effizienter zu gestalten. Wird das Werkzeug auf einer anderen Maschine oder mit einem anderen Materialbatch angefahren, sorgt eine Lösung wie beispielsweise Comoneo Recover von Kistler dafür, dass der ursprüngliche Prozessverlauf möglichst schnell wieder erreicht wird. Dies geschieht über das Nachbilden der zuvor ermittelten optimalen Werkzeuginnendruck-kurve. So lassen sich Unterschiede beim Materialverhalten – wie eine andere Viskosität – oder in der Maschinen-Performance (beispielsweise die Druckwirkung) ausgleichen. Schwanken die Materialeigenschaften innerhalb eines Batches von Zyklus zu Zyklus stark, helfen Closed-Loop-Verfahren wie Comoneoswitch, die noch während des laufenden Zyklus eingreifen: Sie überwachen und analysieren den Werkzeuginnendruck in Echtzeit und liefern automatisch Feedback an die Maschine, um das Umschaltverhalten anzupassen und den optimalen Umschaltpunkt in jedem einzelnen Zyklus zu treffen.

Deshalb Kavitäten einzeln ansteuern

In manchen Fällen werden Schwankungen bei Materialchargen durch unterschiedliches Fließverhalten im Werkzeug verstärkt: Unterschiede in der Viskosität durch teilweise längere Fließwege können zu unvollständig ausgefüllten oder überfüllten Kavitäten führen. Um eine einheitliche Qualität aller Bauteile sicherzustellen und erhöhten Werkzeugverschleiß zu vermeiden, gilt es also, jede Kavität möglichst gleichzeitig zu füllen. Dies ist über eine Steuerung der Heißkanaldüsen möglich, wie sie die Software Comoneomultiflow bietet, die solche Unregelmäßigkeiten ausbalanciert.

Insgesamt lässt sich sagen: Je höher der Rezyklatanteil, desto häufiger treten Schwankungen bei den Materialeigenschaften auf. Um wirtschaftlich zu bleiben, reicht einfaches Überwachen und Aussortieren von Schlechtteilen nicht mehr aus. Dann sind tiefergreifende Prozessregelungssysteme gefragt. Geeignete Technolo-gien, um die Ausschussrate niedrig und die Effizienz in der Produktion hochzuhalten, gibt es bereits. Die Erfahrung mit diesen Lösungen zeigt: Nachhaltigkeit und Qualität müssen auch im Kunststoffspritzguss keine Gegensätze sein – sofern es gelingt, den Prozess an das Materialverhalten anzupassen.

Quelle: Kistler

Literatur

[1] https://www.produktkanzlei.com/en/2024/02/08/regulation-on-circularity-requirements-for-vehicle-design-and-on-management-of-end-of-life-vehicles/ abgerufen am 11.10.2024.

Sie möchten gerne weiterlesen?

Unternehmen

Kistler Group

Eulachstraße 22
8408 Winterthur
Switzerland