Die Materialoberfläche ist eine wichtige Einflussgröße, welche die Verwendbarkeit vieler Kunststoffmaterialien maßgeblich bestimmt. Durch Beschichtungs- und Funktionalisierungsprozesse lässt sich die Oberflächenchemie verändern. Im Falle von Beschichtungen bringt dabei das schichtbildende Material die benötigten chemischen Gruppen mit, während bei der Funktionalisierung eine Ankopplung der chemischen Gruppen direkt an die Oberfläche bewirkt wird. Beide Prozesse können zum Beispiel hydrophile oder hydrophobe Oberflächen erzeugen, die Adhäsion zu weiteren Beschichtungen oder Materialien verstärken oder verringern, die Migration von Weichmachern reduzieren sowie die mechanische oder chemische Beständigkeit gegenüber Umwelteinflüssen verbessern. Dies gilt für viele klassisch verarbeitete, aber auch für 3D-gedruckte Polymere.
Prozesse bei Atmosphärendruck besser geeignet
3D-gedruckte Bauteile können über eine sehr freie Formgebung verfügen. Dies macht sie jedoch unzugänglich für viele Beschichtungsverfahren, insbesondere im Niederdruck. Hinzu kommt, dass es schwierig ist, 3D-Druckverfahren wie das „Fused Deposition Modeling“ (FDM) mit Niederdruckbeschichtungsverfahren, wie Sputterdeposition, Aufdampfen, plasmaunterstützte chemische Gasphasenabscheidung, zu kombinieren. Interessanter hierfür ist die Verwendung von Atmosphärendruck-Plasmaverfahren, welche sich in Form von Plasmajets in FDM-Anlagen integrieren lassen.
Am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST, Braunschweig, existieren langjährige Erfahrungen mit der Beschichtung und Funktionalisierung von Polymersubstraten mit Atmosphärendruck-Plasmaprozessen. Hierzu werden oft sogenannte dielektrisch behinderte Entladungen (DBE) eingesetzt. Hohe elektrische Spannungen führen hierbei zu einer elektrischen Gasentladung in einem Spalt zwischen zwei Elektroden, welche als Energiequelle dient, um chemische Bindungen in Prozessgasen, Precursorgasmolekülen und Substratoberflächen aufzuspalten. Die so erzeugten Radikale können bei geeigneter Prozessführung zur chemischen Funktionalisierung der Substratoberflächen und zur Schichtabscheidung genutzt werden. Derart abgeschiedene Schichten sind üblicherweise stark vernetzte organische Strukturen und werden als Plasmapolymerschichten bezeichnet. Atmosphärendruck-Plasmaprozesse zeichnen sich, verglichen mit anderen Gasphasenbeschichtungsprozessen, durch geringere Investitionskosten, hohe Behandlungsgeschwindigkeiten sowie gute Skalierbarkeit aus. Zudem existieren verschiedene, industriell etablierte Behandlungsquellen für flache, gekrümmte oder dreidimensionale Substrate.
Kombination entscheidend
In einem von der EU geförderten internationalen Verbundprojekt „Functionally Graded Additive Manufacturing Scaffolds by Hybrid Manufacturing“ (http://project-fast.eu , Grant Nummer 685825) wird der Einfluss von Plasmapolymerbeschichtungen auf 3D-gedruckten porösen medizinischen Polymerimplantaten, sogenannten Scaffolds, auf das Wachstum von knochenbildenden Zellen untersucht. Hierfür wurde eine Kombination aus Atmosphärendruckplasmajet und extrusionsbasiertem Polymer-3D-Drucker entwickelt. Als Polymer zur Herstellung des Scaffolds kommt im Projekt ein biologisch abbaubares Copolymer aus Polyethylenoxidterephthalat und Polybutylenterephthalat (PEOT/PBT) zum Einsatz. Für Analysezwecke wird im Projekt auch 3D-gedrucktes Polypropylen verwendet. Für die Plasmajetbeschichtungen werden verschiedene Precursorgase (Aminopropyltrimethoxysilan (APTMS), Mischungen aus Vinyltrimetoxysilan (VTMOS) und Maleeinsäureanhydrid (MAA) sowie Hexamethyldisiloxan) untersucht, um Beschichtungen mit verschiedenen chemischen Gruppen, zum Beispiel nukleophile Amin- und Imingruppen und elektrophile Carboxygruppen sowie hydrophobe Beschichtungen zu erzeugen.
Beschichtung dringt ein
Es konnte gezeigt werden, dass durch die Kombination von 3D-Druck und Plasmajetbeschichtung auch die inneren Oberflächen der Polymerimplantate erfolgreich beschichtet werden konnten. Die Beschichtungen drangen abhängig von Strukturdichte, dem Arbeitsgasfluss und dem Precursordampfdruck mehrere Millimeter in die Polymerstruktur ein. Auch ein Pulsen der elektrischen Leistung des Plasmajets ist möglich und erhöhte im Falle von APTMS die Dichte der nukleophilen Gruppen auf der Substratoberfläche. Sowohl auf APTMS- als auch auf VTMOS-MAA-Beschichtungen konnte zudem ein deutlich verbessertes Wachstum knochenbildender Zellen in ersten in-vitro-Tests festgestellt werden.
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Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik IST
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