Wer denkt beim Zähneputzen am frühen Morgen schon daran, dass er gerade ein Hightech-Produkt in den Händen hält, das hohe hygienische, optische, funktionelle Anforderungen und haptische Designansprüche erfüllt. Polypropylen (PP) oder Polyethylenterephthalat (PET) für die Hartkomponente, thermoplastische Elastomere (TPE) als Soft-Touch-Elemente für mehr Griffhaftigkeit. Die meisten Handzahnbürsten werden heute aus bis zu vier Kunststoffkomponenten gefertigt und grundsätzlich in vier verschiedenen Farben. Das stellt hohe Ansprüche an die Produktion der Zahnbürsten, die dazu kosteneffizient erfolgen soll. Für die ökonomische Herstellung dieses Massenverbrauchsartikels, weltweit werden über sechs Billionen Zahnbürsten pro Jahr verkauft, kommt daher die Mehrkomponententechnik zum Einsatz.
Das Mehrkomponentenspritzgießen bietet die Möglichkeit, Eigenschaften verschiedener Kunststoffe oder unterschiedlicher Farben in einem Formteil zu vereinen. Es ist ein Fertigungsverfahren, um multifunktionale Bauteile in einem Schritt her-zustellen. Durch das sequenzielle Zusammenbringen mehrerer Schmelzen in einem Werkzeug lassen sich die
Eigenschaften verschiedener Kunststoffe – zum Beispiel Hart-Weich-Verbindungen – oder unterschiedliche Farben in einem Arbeitsgang vereinen. Dadurch wird die Produktionszeit verkürzt und die Produktionssicherheit gesteigert. Der Aufwand für Lagerung und Transport der Zwischenprodukte entfällt.
Werkzeugtechnisch wird der Mehrkomponentenspritzguss über Drehteller, mittels Drehkreuzen oder -kernen, der Core-Back- oder Etagenwende-Technik realisiert. Das heißt, die erste Komponente wird wie beim klassischen Kompaktspritzguss gespritzt. Zum Anspritzen der weiteren Komponenten gibt es die vorgenannten unterschiedlichen Verfahren oder Werkzeuge. Bei Zahnbürsten, also der Kombination von Teilen mit hartem Träger und weicher Oberfläche, wird die Dreh- oder Verschiebetechnik eingesetzt, d.h. der Vorspritzling bleibt in der Kavität. Durch Drehen oder Verschieben eines Werkzeugteils in eine neue Lage wird Platz für das Einspritzen des TPE geschaffen.
Auf die Werkstoffe achten
Große Herausforderungen stellt die Mehrkomponententechnik an das Material. Es geht zum Beispiel um die Verträglichkeit der Kunststoffe zueinander und die besondere Anforderung an die Haftung. Die Materialentwicklungen sehen Modifikationen der Kunststoffe vor, damit sie für die
Anforderungen der tatsächlich zu pro-duzierenden Produkte optimiert werden können. Daher hat der Hersteller Actega DS die Provamed-Rezepturen für die besonderen Ansprüche von Zahnbürsten an Optik, Haptik, Rutschfestigkeit, Griffsicherheit und Hand-habung entsprechend angepasst. Die Kunststoffgranulate gibt es in Shore Härten von A50 und A70, guter Fließfähigkeit, hoher Bruchdehnung, sehr guter Flexibilität, geringer Dichte, transluzent oder undurchsichtig.
Technik im Detail
Funktionalität, Sterilität, Migrationsarmut
Entscheidend ist die richtige Zusammensetzung der Rezeptur. Für die Rezepturkompositionen des Provamed-Portfolios, bei denen oft zehn oder mehr Komponenten miteinander vermischt und homogenisiert werden, werden ausschließlich biokompatible Rohstoffe eingesetzt. Die Auswahl der Rezepturbestandteile erlaubt eine passgenaue Einstellung des fertigen Materials für die jeweilige Anwendung. So können Härte, E-Modul, Zugfestigkeit, Oberflächen- und optische Eigenschaften durch gezielte Zusammensetzung des TPE-Compounds definiert werden. Ebenso die Materialeigenschaften, die für die Verarbeitung bis hin zum direkten Blut- und Medikamentenkontakt gefordert sind. Durch Rezepturmodifikationen, etwa durch Einsatz von Additiven, können zudem weitere Verbesserungen von chemischen, elek-trischen und mechanischen Eigenschaften erreicht werden. So sind etwa haftungsoptimierte, ADC-freie, keimreduzierende Provamed-TPE entstanden, ölfreie Rezepturen oder TPE-Materialien mit einer hohen Kratzbeständigkeit.