Ein großer Berg kleiner dunkelgrauer Brocken. Dazwischen ein paar weiße und rote Stücke.

Zerkleinertes, homogen gemischtes Mahlgut einer Materialtype wartet auf die Probegranulierung, um es bei Gutbefund weiter zu verarbeiten. (Bild: Redaktion)

Dem im August 2020 von Conversio Market & Strategy, Mainaschaff, veröffentlichte Stoffstrombild Kunststoffe in Deutschland 2019 ist zu entnehmen, dass im Jahr 2019 rund 14,2 Mio. t Kunststoffe verarbeitet wurden. Der Rezyklatanteil an dieser Menge betrug 1,95 Mio. t und liegt damit im Vergleich 180.000 t (10,2 %) über der Menge von 2017. Von diesen 1,95 Mio. t Rezyklat wurde rund 0,95 Mio. t aus Post-Industrial-Abfällen (PIR) gewonnen, die beim Kunststoffverarbeiter beim Herstellen der Produkte als Angüsse, Randbeschnitt, Anfahrrollen und -teile oder Fehlteile anfallen.

Gemäß der Studie werden 1,36 Mio. t des Rezyklats als Ergänzung/Substitution von Neuware und 0,58 Mio. t als Substitution von Werkstoffen wie Beton, Holz und Stahl eingesetzt, 0,1 Mio. t fungieren als Reduktionsmittel im Stahlerzeugungsprozess. Das Stoffstrombild zeigt weiterhin, dass die gesamte Kunststoffab­fallmenge von 1994 bis 2019 von 2,8 auf circa 6,23 Mio. t angewachsen ist. Der Anteil der PIR-Abfälle erhöhte sich im gleichen Zeitraum, trotz deutlich zunehmenden Produktions- und Verarbeitungsmengen, um lediglich 770.000 t. Dies lässt sich auf Effizienzsteigerungen, insbesondere im kunststoffverarbeitenden Gewerbe, zurückführen.

Kunststoffrecycling: Der große Überblick

Mann mit Kreislaufsymbol auf dem T-Shirt
(Bild: Bits and Splits - stock.adobe.com)

Sie wollen alles zum Thema Kunststoffrecycling wissen? Klar ist, Nachhaltigkeit hört nicht beim eigentlichen Produkt auf: Es gilt Produkte entsprechend ihrer Materialausprägung wiederzuverwerten und Kreisläufe zu schließen. Doch welche Verfahren beim Recycling von Kunststoffen sind überhaupt im Einsatz? Gibt es Grenzen bei der Wiederverwertung? Und was ist eigentlich Down- und Upcycling? Alles was man dazu wissen sollte, erfahren Sie hier.

Mehr als sechs Jahrzehnte Erfahrung beim Recycling

Ein Unternehmen, das sich seit Jahren dem werkstoff-lichen Recycling von sortenreinen Industrieabfällen und Nebenprodukten widmet, ist MKV Kunststoffgranulate mit Sitz in Beselich. 1960 als MKV Metall- und Kunststoffverwertung gegründet, recycelt das Unternehmen nun seit mehr als 60 Jahren Werkstoffe, zunächst Metalle als Handelsware und Kunststoffe in Form von Mahlgut und als Regranulat. 1965 mit dem Bau einer eigenen Produktionsstätte wurde der Metallbereich aufgegeben. „1962 wurden über einen Tellerextruder Folienreste aufgeschmolzen, stranggranuliert und zu Granulat verarbeitet“, berichtet Geschäftsführer Rainer Zies. Mit zunehmendem Anfall an Kunststoffen wandelte sich das Produktspektrum weg von den Standardkunststoffen zu den technischen Kunststoffen. Seit 1986 werden vorwiegend Produktionsabfälle aus technischen Kunststoffen wie PA 6, PA 6.6, POM, PBT, ABS, PESU/PSU angekauft und verarbeitet.

Die Produktionskapazität des nach DIN ISO 9001:2015 und 14001:2015 zertifizierten Unternehmens liegt bei rund 9.000 t/a. Um diese Menge in gleichbleibender Qualität und Mengenverfügbarkeit dem Markt anbieten zu können, sind langjährige Erfahrung und Sorgfalt notwendig. Außerdem sieht Rainer Zies es als enorm wichtig an, dass alle Akteure der Wertschöpfungskette zusammenarbeiten, um das bestmögliche Ergebnis im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu erzielen. Daher gilt es, alle eingesetzten Materialien und Kreislaufschritte sowie deren Zusammenspiel zu kennen. Explizit greift er das Beispiel Marker auf, die Polymeren zugesetzt werden, um deren Sortierfähigkeit zu vereinfachen. Diese wurden vom Hersteller zur Marktreife entwickelt, ohne dass die Recycler einbezogen wurden, um deren mögliche Auswirkungen im Aufbereitungsprozess und der erneuten Verarbeitung zu untersuchen.

Mann mit Brille und orangener Warnweste steht vor grauen Gitterboxen und hält einen runden Gussverteiler in den Händen.
Rainer Zies mit einem Kaltkanalangussverteiler, dessen Gewicht rund 66 g beträgt und somit viel zu wertvoll ist, um thermisch verwertet zu werden. (Bild: Redaktion)

Was wichtig zu wissen ist

Für Recyclingunternehmen ist REACH und Kunststoffrecycling – eine Handreichung für eine sachgerechte Umsetzung der REACH-Anforderungen für Betreiber von Recyclinganlagen – aus dem Jahr 2011 bindend. Darin ist in Artikel 2 Absatz 7d das Recyclingprivileg aufgeführt, das festlegt, dass bereits in Verkehr gebrachte Materialien wiederaufbereitet werden können, sofern alle Verunreinigungen, wie Glasfasern, Additive, zu denen auch die zuvor erwähnten Marker zählen, angegeben werden. Dies bedeutet für die Praxis, dass der Kunststoffverarbeiter oder der Mahlbetrieb verpflichtet sind, beim Anliefern von Ware ein Material- oder Stoffdatenblatt zur Verfügung zu stellen. Eigentlich. „In der Regel erhalten wir lediglich die Angabe zum angelieferten Kunststoff und beschaffen uns beim Kunststoffverarbeiter, in einschlägigen Datenbanken oder durch Prüfung die notwendigen Angaben. Erst wenn uns diese vorliegen können wir die Lieferung weiterverarbeiten und zurück in den Markt bringen“, erklärt der erfahrene Geschäftsführer.

Zwei Männer mit dunkelblauen Kitteln stehen in einem Raum vor einem Tellextruder.
1962 wurden bei MKV die Folien mit einem Tellerextruder aufbereitet. (Bild: MKV)

Wie kann eine gleichbleibende Qualität sichergestellt werden?

Wie kann eine gleichbleibende Qualität sichergestellt werden? Auch hier ist der Recycler auf die Mithilfe des Verarbeiters angewiesen, denn dieser sollte bemüht sein, Abfälle oder Nebenprodukte sauber und sortenrein sowie nach Verstärkungsart und farblich getrennt zu sammeln. Nach Anlieferung der Abfälle oder des Mahlgutes findet in Beselich für jede angelieferte Charge folgender Ablauf statt: Ist die Sichtprüfung hinsichtlich Fremdkörpern wie Papier und Metall erfolgt, so wird das Material zerkleinert, entstaubt und über einen Metallabscheider geführt, bevor es in einer Charge zu 1.000 kg homogen vorgemischt und eine Probegranulierung durchgeführt wird. Ist diese auffällig, das heißt, das Material schäumt beispielsweise auf oder ein ABS besitzt den typischen POM Geruch, dann wird die Charge gesperrt. Verläuft die Probegranulierung im Technikum unauffällig, so kommt eine Materialprobe ins Labor und es wird eine DSC-Messung (Differential Scanning Calorimetry) mit zwei Aufheizungen durchgeführt, um festzustellen, ob Fremdpolymere enthalten sind oder eine thermische Materialschädigung vorliegt.

Charlotte Müller, Geschäftsfeldentwicklung bei MKV, erläutert: „Dies ist für uns ein enormer Aufwand, aber nur so liegen wir auf der sicheren Seite und können das Material liefern, das wir angeboten haben.“ Rainer Zies ergänzt: „Alleine die Materialprüfung kostet uns 20 ct pro Kilogramm Material. Doch dieser Aufwand ist deutlich günstiger als am Ende des Aufbereitungsprozesses von mehreren Tonnen festzustellen, dass beispielsweise Hochtemperatur- oder ein unverträgliches Material in der Charge enthalten war und wir diese verwerfen müssen. Dann könnte dieser Wertstoff nicht mehr wiederverwendet, sondern nur noch thermisch verwertet werden.“ Qualität bezieht sich im Fall von Rezyklaten auf deren werkstoffliche Kennwerte sowie auf deren Fertigung nach den gesetzlichen Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, dem Chemikalienrecht und dem finalen Produktrecht.

Viele zerkleinerte schwarze Plastikteile - ca. 1m hoch. Davor liegen auch ein paar rote Plastikteile auf einer Stahlablage. An den Seiten und an der Oberseite liegt eine durchsichtige Folie.
Angüsse – Für den einen Abfall, für die Kreislaufwirtschaft wertvoller Rohstoff. (Bild: Redaktion)

Wie Mehrkomponenten voneinander getrennt werden

Die Metallabscheidung beginnt beim Recycler bereits bei der Zerkleinerung. Werden Bauteile mit eingelegten Buchsen oder umspritzten Kontakten aufbereitet, so werden diese zunächst grob zerkleinert und in einer Sortierstation die magnetischen Partikel entfernt. Vor den Mühlen befinden sich weitere Metallsuchbrücken, die beim Erkennen eines Metallstücks in der Größe einer Büroklammer stoppen. Dieses wird dann manuell entfernt, damit es nicht in die Mühle gelangt. Doch auch bei der Teile- beziehungsweise Materialtrennung gehen die Entwicklungen weiter. Aktuell läuft ein Projekt zum Steckerreycling. Die nichtmetallischen, eingespritzten Kontakte werden nach der Zerkleinerung induktiv entfernt. Die eingelegte TPE-Dichtung kann, da diese gelb oder orange ist, aus dem schwarzen Mahlgut des Steckergehäuses farblich aussortiert werden, sodass nach dem Zerkleinerungsschritt drei Fraktionen vorliegen.

Handelt es sich um ein 2K-Teil, bei dem das TPE an den Thermoplasten angespritzt ist, so wird es aufwendig. „In diesem Fall wäre eine Kaltvermahlung unter Stickstoffatmosphäre notwendig, um das TPE abzutrennen. Dies ist technisch machbar, aber aus Kostengründen ebenso wenig sinnvoll wie eine händische Demontage“, weiß Charlotte Müller. MKV bietet auch die Möglichkeit der Schmelzefiltration. Dies erhöht den Aufwand beim Aufbereiten, zahlt sich jedoch bei Spezialrezepturen, bei denen der Kilopreis der Neuware im zweistelligen Euro-Preis liegt, aus. Ein weiterer wichtiger Punkt für das Erzielen einer hohen Rezyklat- und Compoundqualität ist die Reinigung der Anlagen. „Nach jeder Materialcharge werden die Zerkleinerungs- und Mischsysteme gereinigt, um Materialverschleppungen und die damit einhergehenden Qualitätsveränderungen zu vermeiden“, so der Geschäftsführer.

Produktionshalle mit Doppelschneckenextrudern.
Sechs Doppelschneckenextruder stellen die Rezyklate und Compounds her. (Bild: Redaktion)

Wo der Schuh drückt

Frau mit dunklen längeren Haaren und Brille mit schwarzem Oberteil, sitzt vor einem braunen Tisch. Auf dem Tisch befindet sich ein Glas Wasser und ein Blatt Paper.
Charlotte Müller ist Ansprechpartnerin beim Recy­cler für den Service „Save Green“. (Bild: Redaktion)

Im Moment ist nicht nur Neuware Mangelware, sondern auch Produktionsabfälle. Hierfür macht Zies in erster Linie zwei Punkte verantwortlich: Der eine Punkt ist, dass derzeit durch den Materialmangel weniger Teile gefertigt werden und somit auch weniger Reste entstehen. Zum anderen stellen sich immer mehr Kunststoffverarbeiter Mühlen an die Spritzgussmaschinen, zerkleinern die anfallenden Stoffe und führen das Mahlgut zum erlaubten Prozentsatz wieder zu. Oder sie lassen die Produktionsabfälle im Lohn vermahlen und regranulieren und setzen das Mahlgut oder Regranulat wieder ein. Das ist grundsätzlich eine positive Entwicklung, jedoch steht diese Ware dem Rezyklatmarkt nicht zur Verfügung. „Derzeit erreichen uns zahlreiche Anfragen aus der Automobilindustrie. Sofern diese alle in Produkte enden, wird es sehr schwer werden, die Nachfrage aus Rezyklat zu bedienen“, prognostiziert Müller. „Ein Recycler alleine wird keine 1.000 t bedienen können. Das Thema der Zukunft wird es daher sein, Matchingsysteme zu bilden. Wir können uns vorstellen, dass mehrere Recycler gemeinsam die großen Mengen gleicher Qualität dem Markt zur Verfügung stellen können. So wird es ja auch bei Neuware betrieben. Dies wird der Weg sein.“

Hier kommt dann in jedem Fall die am 12. November 2021 veröffentlichte DIN SPEC 91446, an der MKV aktiv mitgearbeitet hat (Klassifizierung von Kunststoffrezyklaten durch Datenqualitätslevel für die Verwendung und den (internetbasierten) Handel), zum Tragen sowie die Handelsplattformen wie Cirplus, Plastship, Poly-more. Weitere Punkte, an denen der Schuh drückt, sind die Preiserhöhungen in verschiedenen Bereichen. Bei der Logistik aufgrund der hohen Dieselpreise und, bedingt durch die Nichtverfügbarkeit der Fahrer, im Verpackungssektor der steigende Preis bei gleichzeitigen Lieferengpässen von Oktabins und Paletten, die Verteuerung des Strompreises aufgrund der gestiegenen Netzentgelden, um nur einige zu nennen. Die geprüften Regranulate und Compounds aus technischen Kunststoffen bieten meist einen Preisvorteil gegenüber der Neuware. Die Werkstoffe von MKV werden in der Automobil- und Elektroindustrie sowie für Power Tools, Haushaltsgeräte und Möbel zu 100 % für neue Produkte eingesetzt oder anteilig mit Neuware vor dem Verarbeiten gemischt. Rezyklate sind zwischenzeitlich ein fester Teil der Rohstoffkette geworden, die unter Einhaltung von klaren Prozessabläufen den Erfordernissen des Marktes entsprechen.

Wer sich für das Recycling stark macht

Es gibt auf Bundes- und Verbandsebene verschiedene Initiativen, die sich mit dem Kunststoffrezyklatmarkt befassen. So haben sich die Umweltministerinnen, -minister, -senatorinnen und der -senator der Länder auf ihrer Sitzung im November 2020 dazu entschlossen, auf Initiative der Länder Brandenburg und Baden-Württemberg eine Sonderarbeitsgruppe „Rezyklateinsatz stärken“ (RESAG) ins Leben zu rufen. Ziel dieser Sonderarbeitsgruppe ist es, mit den Akteuren des Wirtschaftskreislaufs wie MKV, die drängendsten Fragen zum Fördern des Rezyklatmarktes zu analysieren und zeitnah Lösungen zu erarbeiten, die auf nationaler und europäischer Ebene eingebracht werden sollen. RESAG wurde zusätzlich zur Initiative des Umweltbundesamtes ins Leben gerufen, die auf der Steigerung des Kunststoffrecyclings und des Rezyklateinsatzes abzielt.

Im Oktober 2021 haben DIN, VDI und DKE das Projekt Normungsroadmap zur Circular Economy vorgestellt. Die Projektarbeit hierzu soll in sieben Arbeitsgruppen Anfang 2022 beginnen. „Drei Initiativen für die Umwelt. Sieht auf den ersten Blick sehr gut aus. Jedoch stelle ich mir die Frage, weshalb die Kräfte und das Wissen aller Industriezweige, Regierungsstellen und Forschungseinrichtungen nicht in einer Initiative gebündelt werden. Dadurch könnten alle Interessen ineinandergreifen und Berücksichtigung finden sowie das bestmögliche Ergebnis im Sinne der Kreislaufwirtschaft erzielt werden“, meint Rainer Zies. Beim Thema Kreislaufwirtschaft scheint es daher wichtig zu sein, nicht nur in die gleiche Richtung zu gehen, sondern auch den Blick auf das gemeinsame Ziel zu richten.

Quelle: MKV

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