Löwenzahn

Naturkautschuk ist ein hochelastisches Biopolymer, das der Russische Löwenzahn in der Wurzel enthält. (Bild: JKI/Peter Wehling)

Egal, ob Fahrrad, Motorrad, Auto, Bus, LKW oder Traktor – um mobil zu sein, brauchen diese Fahrzeuge Reifen. Und für Reifen braucht man Naturkautschuk. Denn die Kopie – synthetischer Kautschuk aus Erdöl – kommt an die exzellenten Eigenschaften des natürlichen Vorbildes nicht heran. Darum enthält beispielsweise ein handelsüblicher LKW-Reifen bis zu 25 kg Naturkautschuk. Bislang wird die Nachfrage nach dem Naturstoff ausschließlich durch den Kautschukbaum Hevea brasiliensis gedeckt, der nur in den Tropen wächst. Somit hängt ein wichtiges Element der Mobilität, wie wir sie heute kennen, weltweit von einer einzigen Pflanze ab.

Qualität vergleichbar

Nur sehr wenige andere Gewächse produzieren Kautschuk in vergleichbarer Qualität. Russischer Löwenzahn (Taraxacum koksaghyz) zählt dazu. Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde mit ihm experimentiert, in der Praxis durchgesetzt hat er sich bislang nicht. Dabei hätte er als Industriepflanze einige Vorteile:

– Regenwaldschutz in den klassischen Anbauländern des Kautschukbaums wie Indonesien, Malaysia oder Thailand
– Bereicherung von Fruchtfolgen: Russischer Löwenzahn wächst in unseren Breiten. Von den typischen Ackerkulturen in Europa ist er nur mit der Sonnenblume näher verwandt
– Mehr Unabhängigkeit und Versorgungssicherheit: Die Reifenindustrie, aber auch die gesamte Wirtschaft, die ohne Mobilität und Transporte nicht funktioniert, wären weniger abhängig und verwundbar. Tatsächlich ist Hevea brasilensis ein unsicherer Kandidat. In seinem Ursprungsland Brasilien – das Land war einst Weltmarktführer bei der Naturkautschukproduktion – ist der Baum aufgrund eines verbreiteten Schadpilzes fast nicht mehr in Plantagen anbaubar.

Ausbeute gesteigert

Seit gut zehn Jahren gibt es nun wieder Bemühungen, russischen Löwenzahn als reelle Rohstoffalternative zu etablieren. Reifenhersteller Continental und Partner aus Agrarwissenschaft, Züchtung, Bioinformatik, Biotechnologie, Gartenbau, Landmaschinenbau und Polymerherstellung entwickeln die pflanzliche Basis und das Anbau- und Extraktionsverfahren. Dabei haben sie schon einige Meilensteine erreicht: In Anklam in Mecklenburg-Vorpommern nahm Continental 2018 sein „Taraxagum Lab“ in Betrieb. Der Reifenproduzent investiert dort 35 Mio. Euro in die Erforschung der Pflanze. Im Erfolgsfall soll die Verwandte unserer „Pusteblume“ binnen zehn Jahren in der Serienproduktion zum Einsatz kommen. Eine erste Fahrradreifenkleinserie wurde bereits vorgestellt. Auch die Züchter im Projektteam können Erfolge vorweisen: Sie haben den Kautschukgehalt im Vergleich zur Wildpflanze bereits verdreifacht. Im aktuell laufenden Projekt TAKOWIND III wird die Züchtung fortgesetzt, um Kautschukgehalt und Flächenertrag weiter zu erhöhen.

Von den Ergebnissen profitiert nicht nur die Reifenindustrie, die etwa 70 % der weltweiten Naturkautschukproduktion nachfragt. Die restlichen 30 % werden zu verschiedensten Artikeln verarbeitet, zum Beispiel zu medizinischen Produkten, Matratzen oder Gummistiefeln.

Von Beginn an hat der Bund die Arbeiten bei diesem Zukunftsthema unterstützt. PtJ als Projektträger des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und die FNR als Projektträger des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) haben insgesamt acht Vorhaben zur Entwicklung der Wertschöpfungskette betreut. Das BMBF förderte Projekte, die von der Grundlagenforschung wie Sequenzierung, Innovative Züchtung bis zur vorwettbewerblichen, anwendungsorientierten Forschung reichten. Das BMEL fördert vorrangig praxisrelevante Forschung zu verschiedenen Züchtungs- und Anbauaspekten von Kaukasischem Löwenzahn. Ein besonderer Fokus beider Projektträger liegt auf sich ergänzenden, integrierten, ganzheitlichen Lösungswegen, die die gesamte Wertschöpfungs- und Prozesskette in den Blick nehmen.

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