Die Verwendung von Fluorpolymeren in Industrie, Medizin, Transport und Konsumgütern ist den meisten Menschen nicht bewusst, aber dennoch essenziell für deren Funktion. Seit die Europäische Chemikalienagentur (Echa) am 7. Februar 2023 den Vorschlag veröffentlichte, die perfluorierten Kohlenstoffverbindungen PFAS zu verbieten [1, ständig aktualisiert], sind viele Produzenten und Verwender verunsichert, mehr ob dem Verstehen des bürokratischen Verfahrens, denn der Zukunft der eigenen, wichtigen Produkte. Dazu kommen die bereits bestehenden Gesetze, die das Wiederverwerten von Rohstoffen fördern sollen, wie das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KRWG) und beispielsweise die Verordnung EU 2022/1616 über Recyclingkunststoffe im Lebensmittelkontakt. Diese und andere Regeln führen direkt zu der Frage: Lassen sich Fluorkunststoffe, Fluorpolymere überhaupt recyceln? Und wenn ja, wie? Zur Abgrenzung von PFAS und Fluorpolymeren ist es wichtig, die Definitionen gemäß Annex XV [2] genauer zu betrachten. Denn nicht alle Verbindungen, in denen Fluor-Kohlenstoffbindungen vorkommen, sind gleichzeitig auch PFAS. Zu den PFAS zählen nur diejenigen aliphatischen, per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (englisch abgekürzt PFAS), bei denen an mindestens einem Kohlenstoffatom die Wasserstoffatome am Kohlenstoffgerüst vollständig durch Fluoratome ersetzt worden sind [3]. Mit dieser Beschreibung trifft es einige Zehntausend bekannte Einzelstoffe und eher theoretisch einige Millionen von Einzelstoffen [3][4]. Zu den wichtigen Fluorpolymeren gehört vor allem das Polytetrafluorethylen (PTFE), welches als sogenannte vollfluorierte Verbindung sehr widerstandsfähig und thermisch stabil ist. Das PTFE ist als amorphes, teilkristallines Material sehr gut recycelbar, zumeist schon beim Herstellen von Pressteilen oder bei der Zerspanung. Die Reste lassen sich gut zerkleinern und wieder einsetzen. Das Interessante dabei ist, dass mit dem Einsatz von recyceltem PTFE die Eigenschaften von Compounds sogar gegenüber der Neuware verbessert werden können [5].
So werden aus dem Polymer wieder Monomere
Eine weitere Form des Recy-celns wurde in einem geförderten Projekt, das bei der Firma 3M Dyneon in Burgkirchen aufgebaut wurde, betrieben. Hierbei werden im Wesentlichen durch thermische Zersetzung wieder Monomere erzeugt, die nach Aufreinigung dem Polymerisationsprozess zugeführt und somit recycelt werden. Der Nachteil dabei ist, dass das Monomer TFE sehr instabil ist und direkt polymerisiert werden muss. Durch die im Januar 2023 angekündigte Schließung des Werkes in Gendorf [1] ist noch unklar, ob die Recyclinganlage weiterbetrieben werden kann. Die Anlage war für rund 500 t PTFE und PTFE-Compounds gebaut worden. Angeblich sind gerade zwei weitere größere Anlagen nach diesem Konzept in Asien geplant. Schwieriger wird es hingegen, wenn das PTFE in feingemahlener Form als Gleitmittel eingesetzt wird. Dieser als Trockenschmierung bekannte Effekt entlässt das PTFE in feinsten Partikeln, die sehr stabil sind und persistent in Böden abgelagert werden. Ein Recycling wäre hier nur mit erhöhtem Aufwand durch „Auffangen“ des Abriebs möglich. Des Weiteren ist der Einsatz in Thermoplasten wie PA, PEEK und anderen Hochleistungskunststoffen unter Recyclinggesichtspunkten schwierig, da hier das PTFE als tribologisch fungierender Hilfsstoff eingesetzt wird. Allerdings werden diese Kunststoffe in vergleichsweise niedrigen Mengen hergestellt und verwendet, und die Anwendungen sind sehr langlebig. Eine Möglichkeit, diese Werkstoffe zu recyceln, ist die Solvolyse. Bei diesem Verfahren werden die Polymere in Lösungsmitteln aufgelöst und mit einem Trick des Vermischens von verschiedenen Lösungsmitteln wieder ausgefällt beziehungsweise abgetrennt. Das vollständige Recycling würde hier letztlich nur über das Verbrennen funktionieren, wobei aggressive Gase und toxische Begleitstoffe entstehen.
So können Fluorpolymere auch recycelt werden
Bei den fluorierten Polymeren gibt es eine Reihe von Thermoplasten wie PVDF, FEP, ETFE, die allesamt in langlebigen Anwendungen zu finden sind und daher das Recycling in sehr langen Zyklen mit hohem Aufwand der Stofftrennung durchlaufen werden. Aufgrund der Werthaltigkeit werden diese Kunststoffe sortenrein aufgearbeitet und mittels Extrusion wieder dem Stoffkreislauf zugeführt. Für die umfassende Betrachtung sollen sowohl Kunststoffe als auch Elastomere als zu recycelnde Polymere betrachtet werden. Hierfür werden die verschiedenen Methoden unterschieden, die sich mehr oder weniger qualifiziert haben [6]: Vorbehandlung und Vermahlung sowie zahlreiche Arten der Devulkanisation wie chemische, biologische, thermomechanische, mit Mikrowellen, Ultraschall, Strahlung oder superkritischem CO2, aber auch die Kombination verschiedener Methoden. Leider entstehen bei manchen Verfahren toxische, flüchtige Abbauprodukte, die eine Abluftreinigung erfordern. Anders ist dies bei den fluorierten Elastomeren von FKM (nach DIN ISO „FPM“) mit niedrigerem Gesamtfluorgehalt bis hin zum nahezu vollfluorierten FFKM. Elastomere werden mittels Vernetzung, Vulkanisation verwendet und erhalten dadurch ihre herausragenden Eigenschaften. Nach der Vernetzung erhält man praktisch ein 1-Molekül-Formteil, welches in der Vergangenheit nur durch Vermahlung zu Pulver wieder verwendbar war. Der Nachteil bei dem Recycling über das Gummimehl war die Begrenzung in der Einsatzmenge und die alternierende Rezeptierung. Beim Einmischen von Gummipartikeln in die FKM-Matrix wurde diese ohnehin schon zähe Masse noch zäher und deren Verarbeitung aufwendig. Eine Alternative bieten nun einige Devulkanisationsverfahren, bei denen die Vernetzung abgebaut oder besser gesagt umgebaut wird. Dabei ist auch die Art der Vernetzung wichtig, denn bei einigen Vulkanisationsarten werden durch die Vernetzung Stoffe freigesetzt, die bei der Devulkanisation wieder zugeführt werden müssten, um hernach wieder vernetzungsfähige Compounds zu erhalten. Der Weg des Recyclings eines fluorierten Elastomers mittels Devulkanisation ist in manchen Fällen auch ein Schritt in bessere Produkte, da bei dem Prozess Seitenketten verzweigte Polymere entstehen, die es vorher nicht gab. Aus heutiger Sicht ist das Recycling von fluorierten Polymeren, die auch PFAS sein können, möglich, aber noch nicht ausgereift. Das Wiederverwenden direkt in der Verarbeitung zeigt für das PTFE einen fortschrittlichen Umgang, bei dem die gelebte Praxis schon sehr lange etabliert ist. Für alle anderen fluorierten Polymere bleibt das Neuland der Devulkanisation bei den Elastomeren und der thermische Abbau zu Monomeren, der nur begrenzt für alle Polymere durchführbar erscheint. Für das erneute Polymerisieren ist ein Weg mit sogenannten PFAS-freien Tensiden aufgezeigt [7], welche nach dem aktuellen Vorschlag ohne Restriktionen verwendbar sein sollen. Fakt ist jedoch, dass die neuen Tenside auch neue Polymerstrukturen erzeugen und somit alte und neue Materialien nicht vergleichbar sind.
Literatur
[1] https://echa.europa.eu/de/hot-topics/perfluoroalkyl-chemicals-pfas
[2] https://echa.europa.eu/de/restrictions-under-consideration/-/substance-rev/72301/term
[3] Robert C. Buck, James Franklin, Urs Berger, Jason M. Conder, Ian T. Cousins, Pim de Voogt, Allan Astrup Jensen, Kurunthachalam Kannan, Scott A. Mabury, Stefan P.J. van Leeuwen: Perfluoroalkyl and polyfluoroalkyl substances in the environment: Terminology, classification, and origins. In: Integrated Environmental Assessment and Management. Band 7, Nr. 4, 2011, S. 513–541, doi:10.1002/ieam.258, PMID 21793199, PMC 3214619 (freier Volltext).
[4] Marina G. Evich, Mary J. B. Davis, James P. McCord, Brad Acrey, Jill A. Awkerman, Detlef R. U. Knappe, Andrew B. Lindstrom, Thomas F. Speth, Caroline Tebes-Stevens, Mark J. Strynar, Zhanyun Wang, Eric J. Weber, W. Matthew Henderson, John W. Washington: Per- and polyfluoroalkyl substances in the environment. In: Science. Band 375, Nr. 6580, 4. Februar 2022, S. eabg9065, doi:10.1126/science.abg 9065, PMID 35113710, PMC 8902460 (freier Volltext).
[6] Jens Schuster*, Johannes Lutz, Yousuf Pasha Shaik, Venkat Reddy Yadavalli, Advanced Industrial and Engineering Polymer Research 5 (2022) 248e25
Was Sie über PFAS wissen müssen
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