PFAS, per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, sind eine Stoffgruppe mit mehreren Tausend Stoffen, die mindestens ein vollständig fluoriertes Kohlenstoffatom besitzen. Ansonsten unterscheiden sich PFAS zum Teil deutlich in ihren physikalischen, chemischen und toxikologischen Eigenschaften sowie in ihren Anwendungen. Aufgrund der Fluor-Kohlenstoff-Bindung sind sie sehr stabil und langlebig und werden deshalb in der Industrie vielfältig zur Herstellung von Hightech-Produkten eingesetzt – von Windrädern, über Wärmepumpen, Energiespeicher, bis hin zu elektrischen Antrieben, Schaltschränken, Halbleitern und vielen weiteren Produkten und deren Herstellungsprozessen. Sie spielen für die Energiewende, für die Digitalisierung und die Elektrifizierung unserer Gesellschaft eine unverzichtbare Rolle.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Einmal in die Umwelt gelangt, wird die Stabilität der PFAS zum Nachteil. Sie werden nur sehr langsam abgebaut, können sich in der Umwelt anreichern, einige auch der Gesundheit schaden. Die intensiven Diskussionen über PFAS verdeutlichen ein Dilemma unserer Industrie- und Konsumgesellschaft: Wir können oftmals nicht ohne sie, an anderen Stellen aber auch nicht mit ihnen.
Anfang 2023 haben sich daher Deutschland und vier weitere Staaten auf europäischer Ebene für eine umfassende Beschränkung von PFAS entschieden. Denn „wo keine Anwendung mehr, da kein Risiko“: Gemäß dem Beschränkungsvorschlag sollen über kurz oder lang alle PFAS-Anwendungen in der EU nicht mehr möglich sein, unabhängig vom Risiko, das mit dem jeweiligen Stoff und seiner Anwendung verbunden ist.
Die Umsetzung dieses Vorschlags in der Praxis hätte weitreichende Konsequenzen. Der Einsatz innovativer Technologien, wie der oben genannten aus der Elektro- und Digitalindustrie, ist der entscheidende Schlüssel, um dem Klimawandel entgegenzuwirken und zugleich unseren Industriestandort und damit unseren Wohlstand zu sichern. Hierbei aber ist die Industrie weiterhin auf den Einsatz bestimmter PFAS angewiesen, insbesondere auf Fluorpolymere, die aufgrund ihrer herausragenden Eigenschaften aus den Hightech-Produkten nicht wegzudenken sind. Sie tragen sogar enorm zur Sicherheit von Produkten und Prozessen, also zur Risikovermeidung, bei.
Ja, von PFAS können Risiken für Mensch und Umwelt ausgehen. Emissionen von PFAS in die Umwelt müssen natürlich vermieden werden, und sofern ein Risiko nicht anders beherrscht werden kann, ist eine Beschränkung gerechtfertigt. Gleichwohl muss berücksichtigt werden, dass sich die Risiken, die von einzelnen PFAS ausgehen, deutlich voneinander unterscheiden, und dass diese durch spezifische Maßnahmen kontrolliert werden können. Entsprechend bedeutet das: Die Regulierung muss risikobasiert erfolgen. Der vorgelegte, viel zu pauschale Beschränkungsvorschlag nach der „Holzhammermethode“ differenziert nicht ausreichend zwischen den verschiedenen PFAS-Gruppen und den Risiken der jeweiligen Anwendungen.
Was Sie über PFAS wissen müssen
Fluorpolymere und weitere fluorhaltige Substanzen sollen verboten werden. Eine ihrer herausragenden Eigenschaften – die Beständigkeit – könnte ihr Verbot bedeuten. Für Sie haben wir das Thema PFAS aus verschiedenen Blickwinkeln während der Widerspruchsfrist beleuchtet und halten Sie künftig zu PFAS-Alternativen auf dem Laufenden. Alles, was Sie zum Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.
Natürlich muss die Industrie einen verantwortungsvollen Umgang mit PFAS pflegen und Emissionen der Stoffe in die Umwelt vermeiden. Zudem sind die Unternehmen bestrebt, risikoreiche PFAS-Anwendungen – wo immer möglich – durch andere Stoffe zu ersetzen. Das allerdings braucht Zeit: In einigen Fällen gibt es bereits erste Lösungsansätze, für eine Vielzahl von Hightech-Anwendungen sind aber noch keine Alternativen in Sicht, und es wird – wenn überhaupt möglich – viele Jahre dauern, Substitute zu qualifizieren. Es kommt auf das exakte Anwendungsprofil an. Das positive aber ist: Selten zuvor hat sich die gesamte Industrie so geschlossen für einen Kurswechsel in der Stoffregulierung eingesetzt wie im Fall der PFAS. Das zeigt nicht nur die beispiellos hohe Zahl von Beiträgen zur öffentlichen Konsultation des Beschränkungsdossiers – auch der ZVEI hat sich intensiv beteiligt – sondern auch die vielen gemeinsamen Stellungnahmen an die politischen Entscheidungsträger in Deutschland und Europa. Daher ist es schlicht falsch, einen Konflikt in der Industrie nach dem Schema „die einen substituieren, die anderen jammern“ konstruieren zu wollen.
Jede Transformationsphase birgt Risiken, auch der Umbau zu einer klimaneutralen Industriegesellschaft, den wir unterstützen. Entscheidend ist, diese Transformation gut zu managen. Gleichzeitig brauchen wir einen Diskurs darüber, welche Risiken wir als Gesellschaft zu akzeptieren bereit sind. Eine Welt ganz ohne Risiken kann es nicht geben. Es kommt also darauf an, sie zu kontrollieren und zum Beispiel Gefahren von Chemikalien durch verantwortungsvollen Umgang weitgehend einzudämmen. Das drohende undifferenzierte Verbot und die infolge seines Umfangs eingetretene erhebliche Verzögerung des Verfahrens belasten die Unternehmen massiv, schüren Investitions- und Planungsunsicherheiten. Die Forderung des ZVEI gemeinsam mit weiteren Partnern aus der Industrie zielt daher auf eine differenzierte risikobasierte Betrachtung statt eines pauschalen PFAS-Verbots, und auf zeitnahe, verlässliche Signale für einen Kurswechsel. Wir stehen für einen weiteren Dialog bereit, denn ohne PFAS droht nicht nur der Energiewende, sondern auch weiten Teilen der Industrie Stillstand. Das kann niemand wollen.
Quelle: ZVEI