
Dr. Ron Brinitzer (Bild: Kunststoffland NRW)
Im Zuge der öffentlichen Konsultation zum PFAS-Verbotsverfahren erfolgten rund 5.600 Einreichungen. Wie fließen diese in die Arbeit der Ausschüsse RAC und SEAC ein?
Dr. Ron Brinitzer: Das PFAS-Beschränkungsverfahren findet im Rahmen der Reach-Verordnung statt. Der Weg, wie Stoffe in die Beschränkungsliste aufgenommen werden, sieht eine bestimmte Schrittfolge vor.
Nach der Veröffentlichung des Beschränkungsdossiers hat ein sechsmonatiges öffentliches Konsultationsverfahren stattzufinden, das für das PFAS-Beschränkungsdossier von März 2023 bis Ende September 2023 durchgeführt wurde und zu der genannten stattlichen Zahl von über 5.600 Eingaben von über 4.400 Personen, Unternehmen und Organisationen geführt hat.
Der nächste Verfahrensschritt ist eine Stellungnahme des Ausschusses für Risikobewertung (RAC) und des Ausschusses für Sozioökonomische Analyse (SEAC) der Echa, in die auch die eingereichten Kommentare einfließen. Dazu werden die Kommentare durch die Ausschüsse fachlich ausgewertet und diskutiert. Auf den Seiten der Echa im Internet ist ersichtlich, mit welchen Aspekten sich die Ausschüsse in ihren jeweiligen Sitzungen gerade befassen und bereits befasst haben. Für diesen Prozess ist eigentlich ein Jahr vorgesehen, aber vor dem Hintergrund der Vielzahl der Verbindungen, der Anwendungen und der Eingaben haben die Ausschüsse sich in diesem Fall mehr Zeit erbeten.
Die Stellungnahme wird dann der Kommission zugeleitet, die das endgültige Beschränkungsdossier im formalen Rechtssetzungsprozess als Durchführungsrechtsakt im sogenannten Komitologieverfahren – hier dem Regelungsverfahren mit Kontrolle – erlassen muss. Der Vorschlag wird dabei im Reach-Regelungsausschuss, in dem die EU-Mitgliedsstaaten vertreten sind, behandelt. Am Ende steht dann die Veröffentlichung im Amtsblatt.
Man sieht, die Arbeit der Echa-Ausschüsse nimmt in diesem Verfahren eine zentrale Rolle ein, nicht nur aufgrund ihrer Verantwortung in Bezug auf die inhaltliche und fachliche Bewertung, sondern auch bei der Behandlung der Einwendungen.
Was erwarten Sie von der deutschen Regierung, um für die Kunststoffbranche eine ausgewogene Regulierung zu gewährleisten?
Brinitzer: Um ehrlich zu sein ist das Kind bereits ziemlich in den Brunnen gefallen. Die Aufgabe von Politik ist es, eine Abwägung zwischen gesellschaftlichen Nutzen und Kosten zu treffen. Keiner käme auf die Idee, den Autoverkehr komplett zu verbieten, um die Zahl der Verkehrstoten zu minimieren. Stattdessen arbeiten wir an einer Verbesserung der Regeln und der Technik, weil wir alle wissen, dass Autoverkehr auch Vorteile hat.
Diese Abwägung spiegelt der PFAS-Beschränkungsvorschlag bislang nur unzureichend wider. Bis auf wenige Ausnahmen sollen PFAS ganz oder mit verschiedenen Fristen verboten werden. Einer risikobasierten Einzelfallbetrachtung und einer Betrachtung der Kostenaspekte hat man sich weitestgehend entzogen. Das mindeste ist eine Erweiterung der Ausnahmen insbesondere auf Fluorpolymere oder sicherheitsrelevante Bauteile wie Dichtungen und Beschichtungen, die zum Beispiel den Austritt von gefährlichen Chemikalien in chemischen Anlagen verhindern sollen und die damit relevant für den Emissions- und Gesundheitsschutz sind. Denkbar wären auch andere Formen der Regulierung statt Verboten, um Emissionen in die Umwelt zu verhindern. Aber ich habe meine Zweifel, ob man diesen umfassenden Beschränkungsvorschlag durch eine Erweiterung der Ausnahmen wird heilen können. Dann muss die Politik sich zur Not auch trauen, den Vorschlag zurückzuziehen und einen neuen Aufschlag zu machen, der auf einer differenzierten Risikobetrachtung fußt.
PFAScon 2025 in Lüdenscheid erleben

Am 20. Februar 2025 öffnet das Kunststoff-Institut Lüdenscheid seine Türen für einen Fokustag rund um das Thema der per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) und der aktuellen Situation in Bezug auf den ECHA-Beschränkungsvorschlag. Die PFAScon 2025 wird als neues interaktives Format vor Ort in Lüdenscheid stattfinden aber auch in eingeschränktem Umfang online angeboten. Die Veranstaltung thematisiert die aktuelle Situation und verspricht eine facettenreiche Auseinandersetzung mit den Auswirkungen des möglichen Verbots auf die Kunststoffproduktion und beteiligte Wirtschaftszweige. Der PLASTVERARBEITER ist hierbei Medienpartner.
Welche Auswirkungen hätte eine PFAS-Regulierung in ihrer jetzigen Form für die Kunststoffbranche?
Brinitzer: Würde das Beschränkungsdossier so in Kraft treten, dann halte ich die Folgen für wirklich gravierend und gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation für schwer verkraftbar – übrigens weit über die Kunststoffindustrie hinaus.
Fluorpolymere haben in Bezug auf ihre Stabilität und Belastbarkeit einzigartige Eigenschaften. Darin besteht ja das Risiko und zugleich ihr großer Nutzen. Diese einzigartigen Eigenschaften müssen sie aber auch teuer bezahlen, weil sie hochpreisig sind. Deshalb kommen sie vor allem dort zum Einsatz, wo sie wirklich gebraucht werden, nämlich in anspruchsvollen technischen Teilen für den Automobilbau, Flugzeuge, den Anlagen- und Maschinenbau, für die Energiewende, bei der Wasserstofferzeugung, in der Verteidigungs- oder der Medizintechnik. Dieser Bedarf besteht natürlich auch nach der Beschränkung weiter. Ob und wie schnell Substitute entwickelt werden, steht in den Sternen. Einzelne Ersatzstoffe wird es geben, aber 13 ½ Jahre für die Entwicklung und Zulassung von möglichen Alternativen ist in vielen Fällen echt sportlich. Ich vermute deshalb, dass die Nachfrage sich auf Länder richten wird, in denen die Regulierung weniger streng ist und unsere Kunststoffunternehmen hier dann das Nachsehen haben.
Hinzu kommt ein weiteres: Die Großchemie ist einer der Anwender der vielen Membranen, Dichtungen und Rohrbeschichtungen aus Fluorpolymeren. Damit sind auch unsere Kunststoffproduzenten und Spezialchemiehersteller von dem Beschränkungsvorschlag maßgeblich betroffen. Die haben es im Moment im internationalen Wettbewerb aufgrund hoher Energiepreise, hoher Löhne und Steuern und zahlreicher anderer Standortnachteile schon schwer genug. Wenn wir da noch weitere Nachteile wie ein Verbot von Fluorpolymeren oben darauflegen, tragen wir noch ein Stück mehr dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Rohstoffhersteller zu vermindern.
Erste Schäden sind ja bereits eingetreten. Allein die Verunsicherung durch die Veröffentlichung und die zweijährige Diskussion dieses zu undifferenzierten Regulierungsvorschlags führt zur Investitionszurückhaltung. Es gibt ja schon Unternehmen, die angekündigt haben, sich aus der PFAS- bzw. Fluorpolymerherstellung zurückzuziehen. Denen ist das Umfeld zu unsicher geworden.
Was Sie über PFAS wissen müssen

Fluorpolymere und weitere fluorhaltige Substanzen sollen verboten werden. Eine ihrer herausragenden Eigenschaften – die Beständigkeit – könnte ihr Verbot bedeuten. Für Sie haben wir das Thema PFAS aus verschiedenen Blickwinkeln während der Widerspruchsfrist beleuchtet und halten Sie künftig zu PFAS-Alternativen auf dem Laufenden. Alles, was Sie zum Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.