Dr.-Ing. Michael Bosse ist Gruppenleiter Materialentwicklung am SKZ in Würzburg.

Dr.-Ing. Michael Bosse ist Gruppenleiter Materialentwicklung am SKZ in Würzburg. (Bild: SKZ)

In einer perfekten Welt: Die Entwicklung neuer Produkte erfolgte streng nach VDI  2243 (Recyclingorientierte Produktentwicklung) und verwendete Baugruppen wären nach allen Regeln der Kunst „nachhaltig“. Sie würden nur aus unschädlichen, wiederverwertbaren Materialien bestehen und insgesamt eine geringe Vielfalt von Werkstoffen aufweisen. Falls es mehrere Einzelmaterialien gäbe, wären diese unterein-ander verträglich. Die Baugruppen könnten zudem problemlos in wenige, gut gekennzeichnete Einzelteile zerlegt werden – ein Traum für jeden Recyclingbetrieb, und ein sicheres, planbares Konzept.

Doch nicht nur die wirtschaftlichen Anforderungen des globalen Marktes, sondern auch Funktionsintegration, gesetzliche Auflagen, Miniaturisierung, Sicherheitsaspekte oder unvorhergesehene Belastungen und Kontaminationen machen viele Produkte am Ende ihrer Lebensdauer unattraktiv für die werkstoffliche Wiederverwendung. Schlimmstenfalls fallen sie komplett aus dem Werkstoffkreislauf heraus und verbreiten sich unkontrolliert überall dort, wo wir Kunststoffe nicht auffinden wollen. Dieses Problem kann auch durch eine mögliche „Einpreisung von Naturschäden“ nicht gelöst werden, denn natürliche Ressourcen lassen sich durch Geld eben nicht kompensieren.

Dennoch, seit langem werden sinnvolle und ineinandergreifende Lösungen gesucht und entwickelt, um Kunststoffrezyklate für den Markt attraktiv und einschätzbar zu machen. Dazu gehört ein sorgfältiger Umgang mit den Rohstoffen (zum Beispiel in „Zero Pellet Loss“ von Plastics Europe Deutschland und dem Verband der Chemischen Industrie) und die direkte Einarbeitung von Reststoffen wie beispielsweise gemahlenen Angüssen in den Spritzgießbetrieben.

Sortenreines und sauberes Trennen von Anfahrmaterialien und „Butzen“, eine schonende Aufarbeitung und die bestmögliche Definition der Rezyklate (wie aktuell in der DIN SPEC 91446 bearbeitet) bis hin zu Listungen und Fließsimulationsdaten sind Stand der Technik. Auch staatliche Zuschüsse für die Rezyklatverwendung und digitale Matchingtools für Sekundärrohstoffe und Anwendungen (wie beispielsweise im Projekt DIPLAST, gefördert durch Interreg North-West Europe) sollen den Materialkreislauf immer weiter schließen.

 

Aufbereitung  und Sortenreinheit sidn maßgeblich für die Kreislaufwirtschaft
Aufbereitung und Sortenreinheit sind maßgeblich für die Kreislaufwirtschaft. (Bild: Erema)

Ganz wichtig: Neuware darf nicht zu Rezyklat erklärt oder extra dazu „umgearbeitet“ werden – allen Forderungen von Politik und Verbrauchern, die Rezyklate für nachhaltige Produkte einsetzen zum Trotz. Das wäre ökologisch gesehen katastrophal.

Bei den hochpreisigen technischen Kunststoffen ist der Abgleich zwischen Marktverfügbarkeit und potenziellen Anwendungen anspruchsvoll, aber werkstofflich noch überschaubar. Anders ist es bei den Mischfraktionen – etwa von Verpackungen. Zahlreiche Projekte weisen in eine ganz bestimmte Richtung: nämlich einer festen Zuordnung der Produkt- und Verwertungsverantwortung beim ursprünglichen Inverkehrbringer. Kunststoffrohstoffe und die daraus entstehenden Produkte können durch Marker codiert werden. Dann sind Material und Produkt nicht nur fälschungssicher und einzigartig, sondern können im Sinne der Datenkette (block chain) auch eindeutig bezüglich Herkunft und Verwertung zugeordnet werden.

Am SKZ laufen derzeit zwei Projekte dazu: BIANKA mit Hahn-Schickard und PICtor mit dem IPF Dresden und dem Fraunhofer IFAM – beide gefördert im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die kommerzielle Software Circularise nimmt auch diesen Aspekt in den Blick. Bleibt die Produktverantwortung also bestehen, könnten auch die Kosten für das Verwerten von Produktmaterialien und Bauteilen irgendwann beim Hersteller landen. Wer dann schon von Anfang an recyclinggerecht kon­struiert hat, ist klar im Vorteil.

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Unternehmen

SKZ – Das Kunststoff-Zentrum

Friedrich-Bergius-Ring 22
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Germany