Erhöhte Anforderungen der Medizinproduktebranche treibt Produktentwicklung voran

Die mass-ABS-Werkstoffe sind für eine große Bandbreite an medizintechnischen Anwendungen geeignet, etwa für Gehäuse von Inhalatoren, Insulinpens und tragbare Messgeräte. (Bild: Trinseo)

Die für medizintechnische Produkte benötigten Materialien müssen hinsichtlich ihrer Funktion, ihrer technischen Eigenschaften und ihrer Haptik besondere Anforderungen erfüllen. Aus diesem Grund hat das Team von Trinseo (ehemals Styron) die Magnum-ABS-Werkstoffe verbessert. Die ABS-Werkstoffe wurden ursprünglich für die Automobilindustrie entwickelt und eignen sich sowohl für das Extrusionsverfahren als auch für den Spritzguss. Geeignete Werkstoffe werden nun in der Medizintechnik vorgestellt. Zahlreiche von Trinseo durchgeführte Tests haben gezeigt, dass diese Werkstoffe auch für eine große Bandbreite an medizintechnischen Anwendungen geeignet sind, etwa für Gehäuse von Inhalatoren (Asthmasprays), Insulinpens und tragbare Messgeräte. Aus diesem Grund hat der Hersteller die Biokompatibilität nach ISO 10993 prüfen und zertifizieren lassen. Bei dem getesteten Werkstoff handelt es sich um eine leichtfließende ABS-Type für eine Vielzahl von Spritzgussanwendungen.

Herstellung im Masse-polymerisationsverfahren

Die Werkstoffe werden nach dem kontinuierlichen Massepolymerisationsverfahren hergestellt. Bei der Massepolymerisation werden in einem kontinuierlichen Prozess zu Beginn Monomere und Kautschukpartikel gemein-
sam beigegeben. In kaskadisch angeordneten Reaktoren findet die Polymerisation unter steigendem Temperaturprofil zum Terpolymer ABS statt. Am Reaktoraustritt werden Oligomerbestandteile entfernt – und übrig bleibt hochreines ABS.
Dagegen handelt es sich beim Emulsionsverfahren um Batchprozesse, wobei zunächst ein Kautschukkonzentrat erstellt wird. Dazu sind Emulgatoren (Tenside) erforderlich, um die Suspension des Konzentrats zu erzielen. Diese wird nämlich koaguliert – es entsteht ein hochgefülltes Kautschukpartikel (GRC, grafted rubber concentrate). Für diese Koagulation sind verschiedene Hilfsstoffe wie Salze erforderlich. Im anschließenden Fertigungsschritt wird dieses GRC dann zu SAN beigefügt, Emulsions-ABS ist folglich ein compoundiertes Produkt. Durch dieses Verfahren ist es nicht möglich, sämtliche Verunreinigungen durch Tensid- und Koagulationsmittelrückstände im Compound zu verhindern, die dann für einen früh einsetzenden thermischen Abbau des ABS-Polymers führen. Dies spiegelt sich bereits in der deutlich gelblicheren Eigenfarbe des Granulats wider.  Um die Marktfähigkeit von Magnum 8391 Med für Anwendungen in der Medizintechnik zu überprüfen, hat der Hersteller verschiedene Tests durchgeführt. Zum Vergleich mit wurde ein für die Medizinanwendung zugelassenen Emulsions-ABS-Werkstoff herangezogen.

Vergleich der Grundfarben

Emulsions-ABS-Werkstoffe sind aufgrund der größeren Menge an für die Polymerisation nötigen Hilfsstoffen gelblicher. Das mithilfe des kontinuierlichen Verfahrens hergestellte ABS hingegen ist von einer einheitlichen weißen Grundfarbe und lässt sich leichter einfärben. Das ist besonders für die bei Medizinprodukten häufig verwendeten weißen Farbtöne von Vorteil. Es zeichnet sich durch ein „saubereres“ und optisch ansprechendes Erscheinungsbild aus. Neben der bereits mit dem visuellen Auge wahrnehmbaren Farbunterschied wurden außerdem Farbmessungen basierend auf dem CIE L*a*b*-Farbsystem durchgeführt, bei dem Farben in einem dreidimensionalen Koordinatensystem definiert werden. Hierbei wird jede Farbe als ein Punkt in einem aus drei Achsen (L*, a* und b*) bestehenden Koordinatenraum definiert.
Es wurden Farbvergleiche bei drei Beleuchtungsszenarien vorgenommen, um die jeweils unterschiedliche Farbwahrnehmung abzubilden:

  • Tageslicht (D65)
  • Abenddämmerung mit einem höheren Gelb- und Rotanteil (A10)
  • Künstliches Licht (Einkaufsumgebung) (F11)

Da der zu testende Werkstoff weißer ist als Emulsions-ABS-Werkstoffe, wurde ein Farbgranulat auf TiO2-Basis (Pigmentierung ca. 50 Prozent) hinzugefügt, um die für viele Medizinanwendung relevante Farbe Weiß genauer zu untersuchen.
Die Messergebnisse sind aufgeschlüsselt nach den L-, a- und b-Werten für „mäßig gefärbtes“ ABS mit einem Farbgranulatzusatz von 3 Prozent tabellarisch dargestellt. Beide Proben zeigen eine ausreichende Farbsättigung, was die geringe Abweichung bei den L-Werten erklärt. Auch die a-Werte (rot/grün) liegen nah beieinander. Der Hauptunterschied ist bei den b-Werten zu erkennen. Dieser gibt die Abweichung in der Dimension gelb/blau an. Das Emulsions-ABS hat einen höheren b-Wert und wirkt dadurch gelber. Diese Abweichung hat den größten Einfluss auf die sich ergebende Gesamt-Farbabweichung ∆E. Dieser Farbeindruck bleibt sogar erhalten, wenn man ein Emulsions-ABS mit 6,25 Prozent Farbbatch einfärbt und es mit neuen Werkstoffmit 3 Prozent Farbgranulat vergleicht. Denn selbst hier bleibt ein höherer ∆b-Wert für das Emulsions-ABS messbar. Dies bedeutet, dass das Emulsions-ABS selbst mit einer doppelt so hohen Farbpigmentierung nicht dieselbe Reinheit wie Magnum 8391 Med erreicht. Damit lassen sich aufgrund eines geringeren Bedarfs an Farbbatchzugabe Kosten sparen.

Thermische und UV-Stabilität getestet

Der Kunststoff-Anbieter hat auch die unterschiedliche Verfärbung beider ABS-Typen bei Spritzgusstemperaturen von 220 °C beziehungsweise 300 °C gemessen und miteinander verglichen. Es zeigt sich eine durchschnittliche Farbabweichung ∆E von 0,98 für das Massepolymerisations-ABS (mass-ABS), während der Wert bei Emulsions-ABS ca. 1,25 betrug. Somit sind robustere und stabilere Verarbeitungsverfahren mit einem großen Verarbeitungsfenster für mass-ABS-Werkstoffe ersichtlich. Emulsions-ABS zeigte eine höhere Verfärbung von mehr als 25 Prozent. Da die meisten Medizinprodukte für den Einsatz in Krankenhäusern oder in der häuslichen Versorgung hinter Fensterglas eingesetzt werden, wurde das Material auf seine UV-Beständigkeit geprüft. QUV-A ist eine industrietypische Messmethode, um akkumulierte UV-Bestrahlung in Innenanwendungen zu simulieren und wurde daher für diesen Zweck gewählt. Das mass-ABS und ein herkömmliches Emulsions-ABS wurden im UV-2000-Testgerät gemäß ASTM G154 getestet:

  • QUV-A, 340-nm-Lampen
  • 8 h UV-Bestrahlung bei 60 °C Rückwandtemperatur
  • 4 h Kondensation bei 50 °C Rückwandtemperatur
  • E = 0,77 W/m²

Um die Ausgangsbedingungen für die unterschiedlich gefärbten Emulsions- und Massepolymerisations-ABS-Werkstoffe anzugleichen, wurde für die Prüfung der UV-Beständigkeit 3  Prozent Farbgranulat weiß (circa 50  Prozent TiO2-Pigmentierung) verwendet. Die Farbwerte wurden jeweils nach 24, 48, 72 und 100 Stunden bestimmt. Aufgrund der höheren Reinheit des Endprodukts zeigt das geteste mass-ABS eine höhere Farbechtheit.

Flüchtige Bestandteile

Viele Anbieter von Medizinprodukten möchten das Austreten von flüchtigen Bestandteilen aus ihren Produkten minimieren. Dies vereinfacht Bauteiluntersuchungen in Hinblick auf „Leachables and Extractables“. Für Thermoplaste liegt das Hauptaugenmerk auf Rückstände von Mono-, Di- und Trimeren (Oligomere), diese neigen zuallererst zur Migration. Der Gehalt von flüchtigen Bestandteilen wurde per Gaschromatografie (GC) und Hochleistungs-Flüssigkeitschromatografie (HPLC) bestimmt.  Durch das Massepolymerisationsverfahren ist der Anteil an flüchtigen Bestandteilen bei Magnum 8391 Med deutlich geringer als bei vergleichbaren Emulsions-ABS-Werkstoffen.

Weniger Logistikkosten und mehr Flexibilität

Die vom Hersteller durchgeführten Tests haben die Vorteile der Massepolymerisations-ABS-Technologie gezeigt. Aufgrund seines geringeren Gehalts an flüchtigen Bestandteilen und seiner reineren Grundfarbe ist der Werkstoff für die Verwendung in Medizinprodukten gut geeignet. Das mass-ABS zeigt eine bessere UV-Beständigkeit, die fertigen Teile halten länger und verfärben sich langsamer. Die Farbstudien zeigen erhebliche Einsparpotenziale von über ca. 50 Prozent Farbbatch bei hellen, weißen Farbtönen. Das Konzept der Selbsteinfärbung über Farbbatche kann eine attraktive Lösung sein und bietet OEMs ebenso wie Spritzgussbetrieben Vorteile. So können Hersteller zum Beispiel ABS-Polymere kaufen und das Farbgranulat erst beim Spritzgießen hinzufügen, anstatt unterschiedlich voreingefärbte Compounds kaufen zu müssen. Dies spart Logistikkosten und sorgt für ausreichend Flexibilität an der Maschine. Alternativ bietet der Hersteller auch vorgefärbte Materialien an.

Ben Porter ist TS&D Engineer bei Trinseo im niederländischen Terneuzen. Als Mitglied des technischen Accountmanagement-Teams im Bereich Technical Service & Development betreut er Kunden aus den Branchen Medizin, Elektroindustrie und der Lichttechnik.  

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