Foto eines startenden Flugzeugs. Was lange unvorstellbar war, ist heute Realität: Partikelschäume, die bislang bei Verpackungen und Wärmedämmung zu Hause sind, werden im Flugzeug eingesetzt. Über die Jahre wurden Polymerschäume entlang der Werkstoffpyramide bis hin zu den Hochleistungskunststoffen entwickelt. Erfahren Sie mehr über Partikelschäume dieser Polymerklasse. Seit ihrer Erfindung in den 1950er-Jahren gehören Partikelschäume mit Dichten unter 100 kg/m³ zu den leichtesten Polymerschäumen. Dennoch hat es über 60 Jahre gedauert, bis sie in der Luftfahrt eingesetzt wurden, obwohl ihre Vorzüge auf der Hand liegen: Die nahezu perfekt homogene Dichteverteilung über den Querschnitt des Bauteils durch die Verbindung einer Vielzahl einzelner Schaumperlen sowie die Möglichkeit, komplexe Geometrien werkzeugfallend in hohen Stückzahlen wirtschaftlich herzustellen und diese bei Bedarf auch noch direkt im Formschäumprozess durch Inserts beispielsweise zur Krafteinleitung zu funktionalisieren.  Somit stellt sich die Frage: Warum wurde diese Materialklasse nicht schon früher in der Luftfahrt eingesetzt? Die Materialanforderungen sind in der Luftfahrt aufgrund der zu gewährleistenden Sicherheit extrem anspruchsvoll. Zudem erfordern werkzeugfallende Bauteile eine gewisse Mindeststückzahl, um trotz der Kosten für die benötigten Werkzeuge wirtschaftlich produziert werden zu können.

Die Entwicklung von Partikelschäumen für die Luftfahrt war ein herausfordernder Prozess. (Bild: Evonik/Fotolia)

Seit ihrer Erfindung in den 1950er-Jahren gehören Partikelschäume mit Dichten unter 100 kg/m³ zu den leichtesten Polymerschäumen. Dennoch hat es über 60 Jahre gedauert, bis sie in der Luftfahrt eingesetzt wurden, obwohl ihre Vorzüge auf der Hand liegen: Die nahezu perfekt homogene Dichteverteilung über den Querschnitt des Bauteils durch die Verbindung einer Vielzahl einzelner Schaumperlen sowie die Möglichkeit, komplexe Geometrien werkzeugfallend in hohen Stückzahlen wirtschaftlich herzustellen und diese bei Bedarf auch noch direkt im Formschäumprozess durch Inserts beispielsweise zur Krafteinleitung zu funktionalisieren.

Somit stellt sich die Frage: Warum wurde diese Materialklasse nicht schon früher in der Luftfahrt eingesetzt? Die Materialanforderungen sind in der Luftfahrt aufgrund der zu gewährleistenden Sicherheit extrem anspruchsvoll. Zudem erfordern werkzeugfallende Bauteile eine gewisse Mindeststückzahl, um trotz der Kosten für die benötigten Werkzeuge wirtschaftlich produziert werden zu können.

Welche Anforderungen an den Werkstoff gestellt werden

Bei Anwendungen in der Luftfahrt wird im Wesentlichen zwischen dem Einsatz im Interieur und Exterieur unterschieden. Im Interieur sprechen wir von Bauteilen, die dem Passagier zugewandt sind und an welche vor allem extreme Brandanforderungen gestellt werden. Im Exterieur dagegen liegt der Fokus auf thermomechanischen Beanspruchungen aufgrund der hohen Temperaturunterschiede zwischen Start, Reiseflughöhe und Landung.

Das können schnell mehr als 80 °C sein, beispielsweise wenn die Maschine bei über 30 °C in der Karibik startet und beim Erreichen ihrer durchschnittlichen Flughöhe von knapp 11.000 m mit -55 °C zu rechnen ist. Dazu kommt noch, dass Strukturbauteile im Exterieur großen Impact-Lasten widerstehen müssen, welche durch den Zusammenprall zum Beispiel mit Vögeln oder Hagelkörnern entstehen.

Interieur erfordert einen Kunststoff, der nicht brennt

Polymere für den Einsatz im Flugzeuginterieur sind dann besonders gut geeignet, wenn sie sehr gute Brandschutzeigenschaften aufweisen. Hierfür schreibt die Far 25.853 Appendix F zahlreiche Brandtests vor, die zu erfüllen sind. Zwei wichtige Beispiele hierfür sind der vertikale Brandtest und der Wärmefreisetzungstest (OSU-Test), bei dem die freigesetzte Energie im Brandfall einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten darf. Wie wurde beim Entwickeln des weltweit ersten Partikelschaums vorgegangen, der speziell für das Luftfahrt-Interieur ausgelegt wurde? Die Produkt- und Prozessentwicklung gingen Hand in Hand und standen stetig im engen Austausch mit dem Anwender.

Die Zielvorgabe für das Polymer war die Kombination aus inhärentem Flammschutz, strukturellen mechanischen Eigenschaften und die Verarbeitbarkeit zu Sandwich-Bauteilen mit allen gängigen Verfahren zum Herstellen von Faserkunststoffverbunden. Damit ein Thermoplast ausreichenden inhärenten Flammschutz aufweist, muss dieser ohne das Verwenden zusätzlicher Additive selbstverlöschend sein und eine negative Energiefreisetzungsrate besitzen. Das ist dann der Fall, wenn zum Brennen mehr als die in der umgebenden Luft vorhandenen 21 % Sauerstoff notwendig sind. Damit der von Evonik entwickelte Partikelschaum Rohaform brennt, muss eine Sauerstoffkonzentration von fast 50 % vorliegen. Die Verarbeitbarkeit mit den üblichen Composite-Prozessen ist dadurch gegeben, dass der Schaum bei einer Dichte von 75 kg/m³ einer Temperatur von 130 °C und einem Druck von 0,4 MPa standhalten kann. Maximal sind sogar Prozesstemperaturen von bis zu 180 °C möglich.

Foto eines Demonstrators. Der Demonstrator verdeutlicht, dass auch in Partikelschaumformteile Einlegeteile, Durchbrüche und Wanddickensprünge eingebracht werden können.
Der Demonstrator verdeutlicht, dass auch in Partikelschaumformteile Einlegeteile, Durchbrüche und Wanddickensprünge eingebracht werden können. (Bild: Evonik)

Diese hohen thermomechanischen Eigenschaften ermöglichen zwar einerseits anspruchsvolle Folgeprozesse, sind jedoch für den Vor- und Formschäumschritt herausfordernd. Denn das Herstellen der Formteile soll trotzdem wirtschaftlich möglich und auf Standardmaschinen mit üblichen Partikelschaumwerkzeugen erfolgen können. Und das, obwohl der Werkstoff eine Glasübergangstemperatur von weit über 200 °C aufweist. Wie kann unter diesen Voraussetzungen dennoch eine wirtschaftliche Verarbeitung gelingen? Der Materialentwickler setzt auf die Kombination aus moderner, kontinuierlicher und dampfloser Vorschäum- und altbewährter dampfbasierter Formschäumtechnik in verdüsten Aluminiumwerkzeugen. Der Grund dafür ist, dass Rohaform sowohl beim Vor- als auch beim Formschäumen einen schnellen und homogenen Energieeintrag benötigt.

Exterieur benötigt Strukturbauteile mit hoher Impact-Toleranz

Was im Interieur die Brandeigenschaften sind, ist im Exterieur das Impact-Verhalten sowie die thermomechanische Performance. Strukturbauteile im Exterieur von Flugzeugen werden extremen Temperaturschwankungen ausgesetzt. Dieses Aufheizen und Abkühlen erfolgt über die durchschnittliche Lebensdauer eines Passagierflugzeugs von 25 bis 30 Jahren mehrere tausend Mal: Langstreckenflugzeuge absolvieren circa 20.000 Starts, auf der Kurzstrecke sind sogar bis zu 75.000 üblich. Polymerschäume im Exterieur müssen diese Last- und Temperaturwechsel ohne nennenswerte Materialermüdung aushalten.

Hierauf wurden die Produkteigenschaften von Rohacell Triple F ausgelegt. Dieser Partikelschaum auf Basis von Polymethacrylimid (PMI) ist bis etwa 180 °C und einem Druck von bis zu 0,7 MPa hoch wärmeformbeständig, sowie kriechbeständig, dauerschwingfest und besitzt eine hohe Steifigkeit sowie eine sehr homogene Zellmorphologie. Je nach Dichte liegen Druck- und Zugmodul im Bereich von 60 bis 260 MPa sowie Druck- und Zugspannungen zwischen 1,0 und 4,7 MPa.

Dieses im Bereich der Thermoplastschäume einzigartige Eigenschaftsprofil ist die Grundlage dafür, dass Faserverbundstrukturen auf Basis von Rohacell Triple F in der Lage sind, den sogenannten Bird Strike-Test nach Jar 25.631 zu bestehen.

Wohin geht die Reise von Partikelschäumen in der Luftfahrt?

Klar erkennbare Trends sind das nachhaltige Nutzen von Ressourcen und die Mobilität im urbanen Luftraum. Im Umfeld Nachhaltigkeit spielen vor allem die Aspekte des Recyclings und des konsequenten Leichtbaus zum Schonen von Ressourcen eine entscheidende Rolle. Thermoplastische Partikelschaumlösungen ermöglichen beides. Formteile aus Partikelschaum werden werkzeugfallend hergestellt, und eine Nachbearbeitung ist oft nicht mehr notwendig. Somit entstehen nahezu keine Schnitt- und Fräsabfälle bei der Bauteilherstellung, und durch den thermoplastischen Charakter ist zudem fast immer ein mechanisches Rezyklieren problemlos möglich. Bei Rohaform konnte beispielsweise gezeigt werden, dass sich die mechanischen Eigenschaften eines Formteils auf Basis von 100 % Rezyklat weiterhin auf den im Datenblatt aufgeführten Werten bewegen.

Perspektivisch sind sortenreine Sandwichbauteile mit Partikelschaumkern und Decklagen aus dem gleichen Basispolymer vorstellbar, wodurch ein Auftrennen der Bauteile beim Recyclingprozess entfällt. Die Relevanz dieser Eigenschaften steigt proportional mit dem Marktvolumen, so der Materialentwickler. Während beim Herstellen von Einzelteilen das Vermeiden von Schnittabfall nicht im Verhältnis zu den Kosten steht, die für eine Partikelschaumform anfallen, sieht diese Rechnung bei hochvolumigen Bauteilen ganz anders aus. Schon bei Stückzahlen von mehreren Hundert können sich die Kosten für die Form bereits amortisieren.

Foto von Fluggeräten. Die Mobilität für den urbanen Luftraum bietet Potenzial für die Hochleistungs-Partikelschäume.
Die Mobilität für den urbanen Luftraum bietet Potenzial für die Hochleistungs-Partikelschäume. (Bild: Evonik)

Diese attraktiven Stückzahlen werden im Bereich der Urban Air Mobility prognostiziert, wo selbst vorsichtige Expertenschätzungen von einem jährlichen Wachstum von mindestens 20 % ausgehen und gelegentlich auch Prognosen von bis zu 80 % in der Literatur zu finden sind. Rohacell Triple F könnte als Schaumkern für Rotorblätter eingesetzt werden. Diese rund 1,5 bis 2 m langen und relativ flachen Bauteile lassen sich mit einem hohen Automatisierungsgrad in kurzen Zykluszeiten herstellen, die in einem für Faserkunststoffverbundbauteile üblichen Rahmen liegen. Hierfür werden wechseltemperierte Werkzeuge mit möglichst konturnahen Temperierkanälen eingesetzt, mit denen Heiz- und Kühlzeiten von wenigen Minuten realisierbar sind.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass moderne Hochleistungspartikelschäume bereit sind für die vielfältigen Herausforderungen in der Luftfahrt. Was bisher aufgrund von fehlendem Flammschutz und zu geringer thermomechanischer Eigenschaften unvorstellbar war, ist Realität geworden: Partikelschäume sind flugtauglich!

Quelle: Evonik

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