Der Einsatz biogener Epoxide im Baustoffbereich benötigt sehr große Materialmengen. Teilweise können die Grundchemikalien in Bioreaktoren hergestellt werden. Diese müssen mit landwirtschaftlich erzeugten Produkten wie Zuckermais oder Zuckerrüben betrieben werden [1]. Andere Grundchemikalien werden direkt vom Acker gewonnen und nur geringen Modifikationen unterzogen. Der Anbau von Öllein benötigt beispielsweise je nach Region einen Flächenverbrauch von 0,5 ha/t bis 1,6 ha/t [2]. Dies führt zu einem sehr großen Flächenbedarf bei der Nutzung nachwachsender Rohstoffe in der Baustoffchemie. Die Folge sind Monokulturen und die Verdrängung anderer Nutzpflanzen [3]. Weiterhin wird seit Jahren eine Diskussion zur „Flächenkonkurrenz“ beziehungsweise die „Teller-Tank-Debatte“ geführt [4-9]. Durch den Ersatz von Leinöl durch Orangenöl als Ausgangsmaterial für Epoxide beziehungsweise dessen Hauptbestandteil Limonen ist kein zusätzlicher Flächenverbrauch nötig. Der globale Zitrusöl-Markt betrug 2020 etwa USD 7,2 Mrd. mit einer prognostizierten Wachstumsrate > 6,8 % (2021-2027) [10]. Die weltweite Orangenproduktion betrug 2021 75,5 Mio. Tonnen/Jahr mit Brasilien als Hauptproduzenten [11]. Durch die Nutzung von Orangenöl in Biokunststoffen kann eine höhere Wertschöpfung erzielt werden.
So entsteht das biogene Epoxidharz
Orangenöl hat eine sehr komplexe Zusammensetzung mit unterschiedlichen Gehalten der einzelnen Komponenten. Der Hauptbestandteil ist das Terpen Limonen. Dieses kann mit unterschiedlichen Verfahren epoxidiert werden. Kaltgepresstes, gereinigtes Orangenöl (90 % Limonen-Anteil) wurde vom Projektpartner Tubitak aus der Türkei bereitgestellt. Als epoxidierte Limonen-Variante wurde zunächst (+)-Limonen-1,2-epoxid verwendet. Epoxidharze sind viskose Flüssigkeiten, die in jedem Mischungsverhältnis formuliert werden können. Die Endeigenschaften des Produktes hängen sowohl von der Art des Härters sowie von den Produktionsbedingungen ab. Als Härter wurden verschiedene Mischungen aus Maleinsäureanhydrid sowie dem multifunktionellen Zi-tronensäure-Monohydrat und Oxalsäure-Dihydrat getestet. Die Auswahl der verwendeten biogenen Komponenten erfolgte nach Kriterien der gesundheitlichen Unbedenklichkeit. Deionisiertes Wasser wurde einerseits als Verdünner und Lösungsmittel der organischen Säuren sowie als Reaktivkomponente eingesetzt. Für die Versuche wurden verschiedene Härtermischungen ausgewählt. Im Rahmen der Materialentwicklung wurde als Harzbasiskomponente epoxidiertes Leinöl Epol-L (Traditem) verwendet. Das gereinigte Orangenöl sowie (+)-Limonen-1,2-epoxid wurde in Anteilen von 5 bis 25 Gew.-% als Ersatz für das Leinölepoxid zugesetzt. Dies entspricht Orangenöl-/ Limonenepoxid-Anteilen von 4 bis 20 Gew.-% in der Gesamtmasse. Gemörsertes Maleinsäureanhydrid wurde in epoxidiertem Leinöl bei 40 bis 50 °C aufgelöst und auf Raumtemperatur abgekühlt. Gereinigtes Orangenöl beziehungsweise Limonenepoxid wurde hinzugefügt. Anschließend wurde sehr fein gemörserte Zitronensäure, Oxalsäure und Wasser hinzugegeben, um die Reaktion zu starten. Die Harzmischung wurde bis zum beginnenden Eindicken bei 26 °C regelmäßig gerührt. Dabei wurde die Temperaturentwicklung gemessen und die optische Veränderung dokumentiert. Das weitere Aushärten fand in einer Klimakammer bei 23 °C für sieben Tage statt. Danach wurden die Proben entformt und für ein weiteres Aushärten in der Klimakammer bei 23 °C ohne Feuchteregelung gelagert. Shore A-Härtemessungen erfolgten in definierten Zeitintervallen an 6 Punkten der Proben, wobei das Erreichen der Endhärte der Systeme nach einer Woche angestrebt wurde.
Orangenöl beeinflusst Materialverhalten
Es wurden grundlegende Materialeigenschaften wie die Härtungsgeschwindigkeit, die erreichbaren Materialhärten und die Löslichkeit des Härters bestimmt. Weiterhin wurde das Materialverhalten während der Aushärtung beobachtet. Es wurde beobachtet, dass gereinigtes Orangenöl sich nur teilweise in die Reaktivharze einbindet. Das ungebundene Öl diffundierte an die Oberfläche und verdunstete. Die Proben wiesen eine deutliche Gelbfärbung und einen starken Geruch nach Orangenöl auf. Das wasserklare Limonenepoxid bewirkte wiederum keine Farbänderung. Der geringe Geruch nach Limonenepoxid und die trockenen Probenoberflächen lassen eine sehr gute Einbindung in das Leinölepoxid vermuten. Steigende Anteile des Orangenöls beziehungsweise Limonenepoxids bewirkten eine deutliche Senkung der Viskosität und somit eine Verringerung der Schaumbildung beim System mit dem Härter 99110 (Bild 1). Die verwendeten Leinölepoxidsysteme härten bereits bei Raumtemperatur und sind selbsterwärmend. Der Einfluss von Orangenöl und Limonenepoxid auf die Reaktionsgeschwindigkeit und Temperaturentwicklung wurde beobachtet (Bild 2).
Gereinigtes Orangenöl wies nur einen geringen Einfluss auf die Reaktionsparameter auf. Steigende Anteile Limonenepoxid führten zu einer deutlich beschleunigten Temperaturentwicklung und somit zu kürzeren Topfzeiten. Die weitere Beurteilung der erzeugten Systeme erfolgte über eine physikalisch-mechanische Charakterisierung. Es wurden die erreichbaren Shore-Härten A ausgewertet (Bild 3). Das Ziel ist ein Shore A > 80 nach einer Woche Härtung bei Raumtemperatur mit geringer Nachhärtung im Verlauf von weiteren sechs Wochen. Die Aushärtung der Reaktionsharzmischungen wurde durch den Zusatz von gereinigtem Orangenöl und Limonenepoxid im Vergleich zum ursprünglichen Harzsystem verlangsamt. Die erreichbaren Shore-Härten A der verschiedenen Systeme sanken bei Zugabe von gereinigtem Orangenöl und Limonenepoxid bei 5 bis 25 % Zusatz annähernd linear ab. Mit den Härtervarianten 99110 und 99310 wurde ohne weitere Zusätze nach zwei Wochen keine signifikante Erhöhung der Härte erreicht, ebenso bei Zusatz von gereinigtem Orangenöl. Mit Limonenepoxid war eine Nachhärtung noch nach sechs Wochen nachweisbar. Mit der Härtervariante 99410 war die Aushärtung des nicht modifizierten Leinölepoxids etwas langsamer, eine Nachhärtung war sowohl bei Zusatz von gereinigtem Orangenöl als auch von Limonenepoxid nach sechs Wochen nachweisbar.
Fazit
Die Eignung von gereinigtem Orangenöl als Ersatz für das epoxidierte Leinöl in raumtemperaturhärtenden biobasierten Epoxidharzen konnte nicht nachgewiesen werden. Das gereinigte Orangenöl vernetzte nicht in ausreichendem Maß mit dem restlichen Epoxidsystem, hieraus resultierte eine verlangsamte Härtung und geringere erreichbare Endhärten. Die Epoxidierung von Orangenöl zu (+)-Limonen-1,2-epoxid erhöhte die Reaktivität. Die drei getesteten Härtersysteme erwärmten sich mit Zusatz des Limonenepoxids deutlich schneller, die Topfzeit wurde zwischen 20 und 60 % verkürzt. Auch hier sanken die erreichbaren Shore-Härten A linear mit steigendem Zusatz des Limonenepoxids ab. Ein Ersatz von 5 % des epoxidierten Leinöls war dabei ohne signifikante Verluste an Materialhärte möglich. Eine weitere Reaktivitätssteigerung durch Anpassung des aus dem Orangenöl gewonnenen Limonens soll die Einsatzfähigkeit im weiteren Projektverlauf verbessern.
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Dank
Das IGF-Vorhaben Nr. 299 EBG wurde im Programm Cornet vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (ehemals BMWi) über die AiF gefördert. Beiden Institutionen gilt der ausdrückliche Dank der Autoren. Weiterer Dank gilt dem Projektpartner Tubitak Marmara Research Center, welches am Projekt durch Bereitstellung verschiedener Orangenöle beteiligt war.
Quelle: Fraunhofer IMWS
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