
Die Welt braucht Kunststoffe. Aber andere: ungiftige, vollständig recycelbare und wo immer möglich auch bioabbaubare Kunststoffe! (Bild: Africa – Stock.adobe.com)

Die Diskussion um Kunststoffe ist in eine Sackgasse geraten. Immer mehr werden Kunststoffe für alle Probleme der Welt verantwortlich gemacht, und die Kunststoffindustrie ist auch ein dank-bares Opfer. Anstatt kurzlebige Kunststoffprodukte so zu gestalten, dass sie biologisch abbaubar sind, werden problematische Kunststoffe wie zum Beispiel PVC, beispielsweise in Beschichtungen und Dichtungsmaterialien verwendet, obwohl sie hier nicht zurückgewonnen werden können.
Die Industrie hat sich keinen Millimeter von selbst bewegt, sondern musste praktisch immer zu Veränderungen genötigt werden. Dass diese von der Regierung herbeigeführten Veränderungen vielfach zu fachfremden Lösungen geführt haben – man nehme das Beispiel Strohhalmverbot – ist die Folge. Die Qualifikation der Branche ist doch hier weit besser als die der Behörden und der politischen Entscheidungsträger.
Kunststoffe werden so verteufelt, das Image ist so katastrophal, dass nur wenige junge Leute dazu zu motivieren sind, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Gleichzeitig werden das Mikroplastikproblem und das Problem von Plastik in der Umwelt, vor allem auch in den Weltmeeren, immer dringender. Es gibt gute Gründe für Plastik. Ich selbst musste den Tod eines fünfjährigen Mädchens im Haus von Freunden in Braunschweig erleben. Sie stürzte mit einer Glasflasche, schnitt sich beim Sturz an einer Scherbe in den Hals und verblutete. Mit einer Wasserflasche aus PET wäre dies nicht passiert, und sie wäre noch am Leben. Jedes Jahr verletzen sich in Hamburg mindestens 200 Kinder schwer durch Glasscherben. Die Unzerbrechlichkeit ist ein guter Grund, Flaschen aus Kunststoff einzusetzen, das deutlich geringere Gewicht ein weiterer.
Umdenken bitte!
Um eine Imageänderung herbeizuführen, müsste die Branche aber völlig um- und neu denken. Verschleißprodukte wie Schuhsohlen, Bremsbeläge, Autoreifen und Beschichtungen sollten so gestaltet werden, dass sie bedenkenlos in die Biosphäre gelangen können. Als Biopolymer könnten sie dort sogar noch als nützliches Plankton anderen Lebewesen wie Bakterien als Nahrung dienen.
Langlebige Produkte wie Wasserrohre, Fußbodenbeläge oder Fensterrahmen sollten digital erfasst und zu „technischen Nährstoffen“ werden. Die Kunststoffindustrie muss weg vom Begriff Abfall kommen. Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das Abfall produziert. Es reicht nicht, weniger Abfall zu machen, denn dann erreichen wir sogar das Gegenteil, da es sich nicht mehr lohnt, die Abfälle zurückzugewinnen. Beispiel: In Ägypten kostet das Waschen von Verpackungsabfällen dreimal mehr, als das Plastik wert ist. Dies haben unsere Untersuchungen gezeigt. Deshalb wird der Plastikabfall meterhoch aufgeschichtet und bleibt liegen.
Wird die Verpackung noch etwas leichter gemacht, so ändert sich nichts am Problem. Warum ist das so? Weil immer noch etwa 5 % PVC in den Verpackungen vorhanden sind und der Plastikmüll deshalb nur eingeschränkt bis gar nicht weiterverwendet werden kann. Ohne den PVC-Anteil könnte daraus durch Pyrolyse Öl gewonnen werden, aus dem neue Produkte entstehen.
Deshalb sind Biopolymere wichtig
Wie im Text kurz beschrieben, können auch der Einsatz und die Entwicklung biobasierter Polymere maßgeblich zum beschriebenen Ziel – weg vom Abfall – beitragen. Wie der aktuelle Stand der Forschung, Entwicklung, aber auch der Anwendungen auf diesem Gebiet ist, können Sie auf dem Biopolymer Kongress am 17. Juni 2025 in Halle/Saale erfahren.
Bereits am Vorabend des Kongresses werden die Biopolymer Innovation Awards für biobasierte und biologisch abbaubare Produkte und Technologien, für deren Herstellung, Verarbeitung und Verwertung, verliehen. Die Einreichung der Entwicklungen ist bis zum 11. April 2025 online unter biopolymer-congress.polykum.de möglich.
Seien Sie dabei, denn nur gemeinsam können wir eine Veränderung für die Umwelt und nachfolgende Generationen erreichen.
Intaktgarantie statt Reparaturrecht
Die Digitalisierung ermöglicht uns, den Begriff Abfall abzuschaffen. Denn durch die exakte Zusammensetzung der Werkstoffe wissen wir immer, wie das Material zusammengesetzt ist und wohin das Produkt nach Gebrauchsende gelangt. Technische Nährstoffe, wie zum Beispiel Teppichböden sollten eine definierte Nutzungszeit haben, sodass immer Material zur Verfügung steht. Es wird also kein Teppichboden mehr verkauft, sondern eine zehn Jahre Fußboden-Beständigkeits-Versicherung. Das Interesse besteht dann nicht mehr darin, dass der Bodenbelag unansehnlich wird und ersetzt werden muss. Sondern der Hersteller ist dann daran interessiert, dass das Produkt zehn Jahre intakt bleibt. Dieses Recht auf Intaktheit wäre sinnvoller als das von der EU beschlossene Recht auf Reparatur. Um dies zu garantieren, könnten langlebige Materialien verwendet werden. Der Nutzer würde zu einer Rohmaterial-Bank.
Gleiches gilt für Fenster. Es wird kein Fenster mehr verkauft, sondern die Garantie, 30 Jahre durchschauen zu können und die zugehörige Wärmedämmung. Somit kann auch hier das schönste und beste Material verwendet werden, und der Kunde weiß, es bleibt 30 Jahre intakt. Eine solche Rohstoffbank funktioniert nur durch Digitalisierung.
Zum Einsatz kommt ein Geschäftsmodell, bei dem lediglich das Nutzungsrecht verkauft wird. Durch das Vermeiden des Begriffs Abfall bekommt der Werkstoff eine Wertigkeit und eine weit höhere Wertschöpfung ist möglich.
Jetzt für den Biopolymer Innovation Award bewerben

Ihr Produkt aus Biopolymeren ist fertigt entwickelt und steht kurz vor der Markteinführung? Dann bewerben Sie sich bis April 2025 um den internationalen Biopolymer Innovation Award 2025.
Teilnahmeberechtigt sind Unternehmen, Forschungseinrichtungen und -verbünde, Projektgruppen oder Einzelpersonen aus aller Welt und Branchen mit ihren Produkten und Anwendungen beziehungsweise Technologien für das Herstellen, Verarbeiten und Verwerten von Biopolymeren.
Weitere Details zur Ausschreibung finden Sie beim Veranstalter Polykum.
Farbe bekennen
Die Kunststoffindustrie müsste sich allerdings dann zu einer Positivliste für Additive wie Antioxidantien, UV-Stabilisatoren, Flammschutzmittel und weitere durchringen. Allein in Polypropylen werden zurzeit etwa 300 verschiedene Additive verwendet, um gezielt Eigenschaften zu generieren. PVC müsste, wie zuvor beschrieben, aus den Verpackungen verschwinden.
Der meiner Meinung nach ideale Verpackungswerkstoff wäre PET (Polyethylenterephthalat) und in der Folge PEF (Polyethylenfuranoat). Daraus könnten alle Verpackungen hergestellt werden. Wird das Pfandsystem umgedreht – die Verbraucher erhalten eine Pfandkarte mit Guthaben, von dem die Pfandgebühr von 0,25 Euro beim Kauf eines Produktes abgezogen wird – bleibt der eigene Geldbeutel unbelastet.
Eine PET-Flasche kann bis zu achtmal für denselben Zweck wiederverwendet werden. Der Wertstoff wird derzeit bereits im Kreislauf gehalten. Hier würde es sich also anbieten, aus dem PET-Recycling-Strom zum Beispiel 15 % abzuzweigen und daraus Textilien herzustellen. Werden diesem Anteil lineare Polyester zugegeben, so wird das Polymergefüge des PET weitmaschiger und kann von Bakterien abgebaut werden. Dies ist vor dem Hintergrund, dass etwa ein Drittel des in den Weltmeeren befindlichen Mikroplastiks von beim Waschen entstehendem Textilabrieb stammt, ein wichtiger Aspekt. Aus einer PET-Flasche können immer Textilien werden, jedoch aus einem Textil keine Flasche.
Wie wäre es mit der Vision, dass beispielsweise in zehn Jahren nur noch Kunststoffe, die aus dem CO2 der Atmosphäre gewonnen wurden, zu verwenden? Für solche nachhaltigen Projekte hätte ich sofort 150 junge Leute, die sich um das Plastikproblem kümmern würden. Die derzeit wenigen, meist zu einseitig ausgebildeten jungen Fachleute werden das Plastikproblem nicht lösen, und der Wertstoff wird immer stärker verhasst sein.
Das Blatt wenden
Mit der Digitalisierung könnten definierte Nutzungszeiten langlebiger Produkte eine echte Kreislaufführung für die Technosphäre ermöglichen und den Verbleib in der Biosphäre für biologisch abbaubare Materialien gesteuert werden. Noch ist es nicht zu spät – Digitalisierung und Umdenken bieten neue Chancen.
Quelle: Braungart Epea
Alles zum Thema Biokunststoffe

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.