Biopolymere: Eine menschliche Hand hält kunststoffgranulat.

Biobasierte Polymere sind ein wichtiger Bestandteil für eine funktionierende, nachhaltige Kreislaufwirtschaft. Bislang werden Sie jedoch noch zu selten in der Breite eingesetzt. (Bild: Dalle 3 / OpenAI)

Christian Badura, CTO bei Finke

Christian Badura, CTO bei Finke
Christian Badura, CTO bei Finke. (Bild: Finke)

Dazu möchte ich anmerken: Bio ist nicht gleich Bio. Mir widerstrebt es, im Bio-Bereich auf Quellen zurückzugreifen, die mit der Nahrungsmittelherstellung konkurrieren, denn in der Welt gibt es viele Menschen, die Hunger leiden. Daher passt es für mich nicht zusammen, wenn die Industrie zum Beispiel Rohstoffe aus dem Food-Bereich wie Mais, Zuckerrohr oder Raps für ihre Nachhaltigkeitsziele missbraucht. Rohstoffe auf Basis von biologischen Abfällen oder aus nachhaltigen Ressourcen, die nicht in die Lebensmittelherstellung eingebracht werden wie Frittierfett oder Stroh, sind besser geeignet. Ich vermute, dass viele Hersteller dies genauso sehen, daher reichen aktuell die Mengen am Markt nicht aus, um große Produktlinien nachhaltig bedienen zu können.

Michael Wittmann, Geschäftsführer der Wittmann Gruppe

Michael Wittmann, Geschäftsführer der Wittmann Gruppe.
Michael Wittmann, Geschäftsführer der Wittmann Gruppe. (Bild: Wittmann Group)

In absehbarer Zeit werden nachhaltig produzierte Biopolymere in Bezug auf die Kosten nicht konkurrenzfähig am Markt auftreten können. Solange die Endkunden nicht bereit sind, für biobasierte Produkte mehr zu bezahlen, werden die entsprechenden Polymere wohl in Versuchsreihen verharren. Die Möglichkeiten werden vor allem dadurch eingeschränkt, dass biobasierte Polymere nicht in Konkurrenz zur Erzeugung von Nahrungsmitteln treten sollten. Denkbar wäre, Abfallprodukte der Nahrungsmittelindustrie für die Polymerproduktion zu nutzen. Hierfür müssten aber erst effiziente Sammel- und Aufbereitungssysteme geschaffen werden.

Alles zum Thema Biokunststoffe

Eine Hand reißt einen Papierstreifen weg. Darunter steht das Wort "Biokunststoff"
Wissenswertes über Biokunststoffe finden Sie in unserem Übersichtsartikel. (Bild: thingamajiggs - stock.adobe.com)

Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Zukunft müssen verschiedenste Rädchen ineinander greifen. Doch wie schaffen wir es, die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft umzusetzen? Biokunststoffe sind ein wichtiger Hebel um diesem Ziel näher zu kommen. Doch was wird unter einem Biokunststoff eigentlich verstanden? Wo werden diese bereits eingesetzt? Und ist "Bio" wirklich gleich "Bio"? Wir geben die Antworten. Alles, was Sie zu dem Thema wissen sollten, erfahren Sie hier.

Prof. Dr.-Ing. Holger Ruckdäschel, Geschäftsführer bei Neue Materialien Bayreuth

Prof. Dr.-Ing. Holger Ruckdäschel, Geschäftsführer der Neue Materialien Bayreuth:
Prof. Dr.-Ing. Holger Ruckdäschel, Geschäftsführer der Neue Materialien Bayreuth. (Bild: Neue Materialien Bayreuth)

Verfügbarkeit, Preis, breite Einsatz- und Verarbeitbarkeit: Die Gesamtmenge biobasierter Kunststoffe ist global nach wie vor überschaubar. Zudem sind die Kosten nicht immer mit fossilbasierten Kunststoffen kompetitiv. Schließlich ist die Verarbeitung oftmals nicht einfach, die Nutzung biobasierter Polymere auf bestimmte Bauteile und Anwendungen beschränkt, die Rezyklierung komplex. Der Einsatz biobasierter Produkte sollte immer ökologisch, ökonomisch und sozial gegenüber Rezyklaten und Neuware bewertet werden.

Dr.-Ing. Matthias R. Jacob, Geschäftsführer Kunststoff-Zentrum Leipzig

Dr.-Ing. Matthias R. Jacob, Geschäftsführer Kunststoff-Zentrum Leipzig. (Bild: KUZ Leipzig)

Die größte Hürde beim Einsatz biobasierter Polymere in der Serienproduktion ist der Preis. Ein weiteres Problem stellt die Entsorgung über den gelben Sack dar, da biobasierte Polymere in Post-Consumer Recyclinganlagen unerwünscht sind. Ihre höhere Dichte führt dazu, dass sie im Schwimm-/Sinkverfahren mit technischen Kunststoffen sinken und letztlich verbrannt werden. Zudem fehlt es bisher an kosteneffizienten Recyclingmöglichkeiten. Auch der Ursprung der Rohstoffe spielt eine Rolle: Akzeptiert werden nur Polymere, deren Rohstoffe nicht aus Nahrungsmitteln stammen, sondern aus Abfallstoffen gewonnen werden. Diese Technologien sind jedoch noch nicht weit verbreitet. All das führt dazu, dass die Verfügbarkeit und Liefersicherheit biobasierter Polymere im Vergleich zu fossilen Kunststoffen geringer ist.

Jetzt für den Biopolymer Innovation Award bewerben

Biopolymer Innovation Award
(Bild: Redaktion)

Ihr Produkt aus Biopolymeren ist fertigt entwickelt und steht kurz vor der Markteinführung? Dann bewerben Sie sich bis April 2025 um den internationalen Biopolymer Innovation Award 2025.

Teilnahmeberechtigt sind Unternehmen, Forschungseinrichtungen und -verbünde, Projektgruppen oder Einzelpersonen aus aller Welt und Branchen mit ihren Produkten und Anwendungen beziehungsweise Technologien für das Herstellen, Verarbeiten und Verwerten von Biopolymeren.

Weitere Details zur Ausschreibung finden Sie beim Veranstalter Polykum.

Dr. Stefan Engleder, CEO der Engel Gruppe

Dr. Stefan Engleder, CEO der Engel Gruppe.
Dr. Stefan Engleder, CEO der Engel Gruppe. (Bild: Engel)

Die Hürden für den breiteren Einsatz von biobasierten Polymeren in der Serienproduktion liegen nicht im Spritzgießprozess selbst, da dieser für biobasierte Kunststoffe ähnlich robust und effizient ist wie für nicht-biobasierte Materialien. Vielmehr sind es die höheren Kosten für biobasierte Kunststoffe im Vergleich zu herkömmlichen Kunststoffen, die eine breitere Anwendung verhindern. Biokunststoffe bieten die Chance, Spritzguss mit nachhaltigen Rohstoffen zu verbinden.

Lars Schulze, Head of Color Development and Material Sciences bei Grafe

Lars Schulze, Head of Color Development and Material Sciences bei Grafe (Bild: Grafe)

Dies kann ich so nicht ganz stehen lassen. Sicherlich setzten sich Biopolymere nicht immer durch, häufig aufgrund von höheren Kosten, sehr engen Prozessfenstern und einer starken Eigenfarbe. Dennoch können wir bei Grafe sagen, dass Biopolymere einen signifikanten Anteil an unseren Entwicklungen und Produktionsumfängen haben. Vermutlich liegt dies daran, dass wir es geschafft haben, unseren Kunden maßgefertigte Lösungen anzubieten. Es geht schon damit los, dass sie bei einem Biopolymer Schwierigkeiten haben, klassische Universal-Masterbatche mit Standardträgern einzusetzen, da sie so Regelungen zur Kompostierung teilweise nicht mehr einhalten können oder Materialien sich nicht vertragen. Dies umgehen wir, da passgenaue Lösungen für unsere Kunden angeboten werden. Beispielsweise werden Trägermaterialien ausgewählt, welche mit dem Zielpolymer harmonisieren, ohne dass Zertifizierungen außer Kraft gesetzt werden. Selbiges gilt für die Zusatzstoffe wie Pigmente oder Additive, die wir zugeben. Des Weiteren versuchen wir, für jedes Polymer das richtige Prozessfenster zu finden und beharren nicht auf Standardparametern.

Alfred Schiffer, Geschäftsführender Gesellschafter von Dr. Boy

Alfred Schiffer, Geschäftsführender Gesellschafter Dr. Boy
Alfred Schiffer, Geschäftsführender Gesellschafter, Dr. Boy. (Bild: Dr. Boy)

Ein häufig angemerkter Punkt bei biobasierten Kunststoffen ist eine unzureichende Steigerung der Ökobilanz zu fossilbasierten Kunststoffen. Gleichzeitig sind aufgrund der oftmals höheren Produktionskosten die Endprodukte aus biobasierten Polymeren ebenfalls teurer, beziehungsweise die Marge wird reduziert, was ihre Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich zu traditionellen Kunststoffen verringert. Zudem steht die Flächennutzung zum Herstellen von biobasierten Kunststoffen zum Teil in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Die Verarbeitung selbst stellt für unsere Maschinen keine Herausforderung dar.

Rüdiger Dzuban, Leiter Marketing bei Oni-Wärmetrafo

Rüdiger Dzuban, Leiter Marketing bei Oni-Wärmetrafo
Rüdiger Dzuban, Leiter Marketing bei Oni-Wärmetrafo (Bild: Oni-Wärmetrafo)

Meiner Meinung nach bestehen verschiedene Hürden, die den Einsatz von Biopolymeren verhindern: Der Mensch ist ein „Gewohnheitstier“, Unsicherheiten und Probleme in der Verarbeitungsphase, der höhere Materialpreis, die mangelnde Verfügbarkeit in großen Mengen und auch die Frage nach der Lebensdauer. Anders sähe es aus, wenn mein Vorschlag der Besteuerung von Erdölprodukten wie Kunststoff zum Tragen kommt. Selbst eine Verteuerung von erdölbasierten Kunststoffen um den Faktor 2 oder 3 würde die Ausgangsbedingungen für biobasierte Kunststoffe schlagartig verbessern.

Sonderausgabe "Grüne Industrie"

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Horst Klink, CEO von Albis

Horst Klink, CEO von Albis
Horst Klink, CEO von Albis. (Bild: Albis)

Aktuell gibt es vor allem zwei Faktoren, die die Marktdurchdringung einbremsen. Zum einen ist das immer noch der Kostenfaktor. Zwar ist das Bewusstsein für Nachhaltigkeit gestiegen und mehr und mehr Unternehmen sind bereit, für nachweislich umweltschonende Alternativen einen höheren Preis zu bezahlen. Doch meist kann diese Kostensteigerung nicht an die Auftraggeber weitergegeben werden. Für den großen Durchbruch braucht es daher eine stärkere Skalierbarkeit. Momentan ist die Verfügbarkeit geeigneter Rohstoffe noch begrenzt und die Herstellungsprozesse sind weniger etabliert und damit teurer. Daneben reichen die rechtlichen Rahmenbedingungen immer noch nicht aus: Es fehlt eine klare und umfassende EU-Gesetzgebung, die sich mit biobasierten Kunststoffen befasst und regelt, welche Rolle biobasierte Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft und den Recycling-Konzepten spielen. Zwar gibt es Initiativen wie den Green Deal der Europäischen Kommission, rechtsverbindlich sind diese jedoch nicht. Daneben gilt es, eine Infrastruktur zur Sammlung und Verarbeitung von Biokunststoffen zu entwickeln. Solange keine Wertstoffströme etabliert sind, werden sie entweder falsch entsorgt oder nicht effizient recycelt. Auch das steht einer größeren Akzeptanz im Weg. Industrie und Politik müssen gemeinsam Anreize entwickeln, um eine Kreislauffähigkeit zu ermöglichen.

Jörg Stech, Leiter Bereich Spritzgießtechnik und Geschäftsführer der Krauss Maffei Technologies

Jörg Stech, Leiter Bereich Spritzgießtechnik und Geschäftsführer der Krauss Maffei Technologies (Bild: Krauss Maffei)

Insbesondere die derzeit noch hohen Kosten für biobasierte Polymere im Vergleich zu fossilen Polymeren mindern deren Wettbewerbsfähigkeit. Das gilt besonders für Drop-in-Biopolymere, die chemisch identisch mit erdölbasierten Kunststoffen sind. Zusätzlich sind viele Produktionsprozesse noch nicht skalierbar, und einige Polymere befinden sich noch in der Entwicklungs- oder Pilotphase. Bei den Kunststoffverarbeitern sehen wir zudem, dass viele bestehende Produktionsinfrastrukturen auf petrochemische Polymere ausgelegt sind, was die Integration biobasierter Alternativen erschwert. Die breite Anwendung biobasierter Polymere erfordert oft erhebliche Investitionen in neue Technologien und spezifisches Prozess-Know-how. Ein Beispiel sind spezielle Schneckengeometrien für das schonende Verarbeiten empfindlicher Werkstoffe und digitale Produkte, die auch ohne umfangreiches Know-how optimale Ergebnisse ermöglichen.

A.I.Plasticscon 2024 – KI in der Kunststoffverarbeitung

KI Bild
(Bild: Bing Image Creator)

Die Anwendungen von Künstlicher Intelligenz (KI) sind mit rasanter Geschwindigkeit ins alltägliche Leben eingezogen. Für produzierende Unternehmen stellt sich die Frage, wie KI effizient eingesetzt werden kann, um beispielsweise Prozesse zu optimieren und technische Lösungen eigenständig zu erarbeiten. Das Kunststoff-Institut Lüdenscheid lädt herzlich zur ersten Ausgabe der A.I.Plasticscon ein. Der Fokustag am 21. November 2024 widmet sich ganz der Schnittstelle von Künstlicher Intelligenz und der Kunststoffverarbeitung. Experten aus Wissenschaft und Industrie geben Einblicke in die neuesten Entwicklungen und präsentieren konkrete Anwendungsbeispiele. PLASTVERARBEITER begleitet die Veranstaltung als Medienpartner.

Zum Programm und der Möglichkeit zur Anmeldung gelangen Sie hier.

Dr. Stefan Eimeke, Geschäftsführer bei Ewikon

Dr. Stefan Eimeke, Geschäftsführer Ewikon
Dr. Stefan Eimeke, Geschäftsführer Ewikon (Bild: Ewikon)

Der Serieneinsatz von Biopolymeren wäre in vielen Bereichen ein wesentlicher Schritt zu mehr Nachhaltigkeit. Die Hauptbarrieren liegen aber vor allem noch in den höheren Kosten und teilweise in den Materialeigenschaften. Biobasierte Polymere sind in der Regel teurer in der Herstellung als konventionelle Kunststoffe, was ihre Wettbewerbsfähigkeit in vielen Märkten einschränkt, zum Beispiel bei klassischen Consumer-Produkten. Hier ist die Akzeptanz seitens der Verbraucher oftmals noch nicht gegeben. Darüber hinaus bieten sie teilweise nicht die gleichen mechanischen und thermischen Eigenschaften wie konventionelle Kunststoffe, was ihren Einsatz in bestimmten Anwendungen erschwert. Diese Faktoren machen es momentan noch schwierig, biobasierte Polymere in großem Maßstab in der Serienproduktion zu etablieren. Allerdings hat die Materialentwicklung bereits sehr gute Fortschritte gemacht, und auch der Verarbeitbarkeit in der Großserie steht technisch nichts im Wege.

Guido Frohnhaus, Geschäftsführer Technik bei Arburg

Guido Frohnhaus, Geschäftsführer Technik bei Arburg
Guido Frohnhaus, Geschäftsführer Technik bei Arburg (Bild: Arburg)

Die Verarbeitung biobasierter Polymere ist weniger das Problem, wie wir mit zahlreichen Messe-Anwendungen seit nunmehr schon Jahrzehnten erfolgreich aufzeigen. Eine Hürde für den Serieneinsatz sind neben Verfügbarkeit und Preis vor allem die individuellen Materialeigenschaften. So ist bei bestehenden Produkten eine Substitution nicht eins zu eins möglich, da das Werkzeug und der Prozess auf den bisher verwendeten Kunststoff ausgelegt sind und entsprechende Anpassungen erforderlich wären. Das muss sich auch rechnen. Für ein neues Produkt aus Biopolymer sind umfangreiche Versuche erforderlich, ebenso wenn es darum geht, einen neuen Biokunststoff für das Spritzgießen einsetzbar zu machen. Beispiel hierfür ist das Papierspritzgießen, das wir auf der Fakuma zeigen. Hier haben wir gemeinsam mit den Partnern Model und Biofibre das Material so weiterentwickelt, dass es sich problemlos verarbeiten lässt. Der nächste Schritt wäre jetzt, geeignete Serienprodukte zu finden.

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