Eine Paprika, Birne und Tomate liegen auf einer weißen Schale auf einem Holztisch, eine dünne transparente Verpackungsfolie liegt davor. Mit der hauchdünnen Cellulosefolie bleiben Lebensmittel länger frisch.

Mit der hauchdünnen Cellulosefolie bleiben Lebensmittel länger frisch. (Bild: Cell2green)

Plastiktüten schwimmen in den Meeren, sie gefährden Tiere, Menschen und die Natur. Das Mecklenburger Unternehmen Cell2green hat sich zum Ziel gesetzt, dies zu ändern und die Verpackungen künftig dorthin zu bringen, wo sie seiner Meinung nach hingehören – in die Biotonne oder zurück in die Recyclingabteilung ihrer Produktionsstätte. Wie kann die Verpackungsfolie der nächsten Generation aussehen, welche Eigenschaften sind relevant und wie ist die gesamte Wertschöpfungskette?  

Natürliches oder biobasiertes Polymer verwenden?

Kunststoff ist im Alltag fest verankert als Schutz vor Schmutz oder Wasser, aber auch als Einmal- oder Mehrwegverpackung. Die Langlebigkeit der nicht biobasierten und nicht biologisch abbaubaren Kunststoffabfälle ist zum Problem geworden. Dies wird von Verbrauchern und der Gesellschaft zunehmend erkannt, von Indus-trieherstellern aber verkannt und ignoriert. Es gibt zwischenzeitlich sehr gute Ansätze mit Bioplastik, basierend auf Polyhydroxybutyrate (PHB) oder Polysuccinimide (PSI), um fossilbasierte Kunststoffe zu ersetzen. Aufgrund der zunehmenden Regulierung müssen Alternativen implementiert werden.
Cellulosefolien bieten die Möglichkeit, Verpackungsfolien auf Ölbasis zu ersetzen. Als LDPE-Ersatz sind sie für das Verpacken von Obst und Gemüse oder anderen großen Produkten geeignet. Als natürliches, pflanzliches Produkt ist Cellulose biologisch abbaubar. Die gängigen Verfahren zum Herstellen von Cellulose arbeiten zum Teil mit giftigen Chemikalien. Eine marktrelevante Folie ist die Cellophan-Folie, welche aus Cellulose über das sehr teure und umweltproblematische Viskoseverfahren hergestellt wird. Momentan wird das Verfahren in China und Japan durchgeführt, wodurch sich eine gewisse Abhängigkeit bezüglich der Lieferung der Ausgangsstoffe ergibt. Zusätzlich sind diese Folien mit verschiedenen Additiven, bekannte und unbekannte, versetzt und können nicht recycelt werden. Genau hier setzt das Unternehmen aus Bad Doberan mit seinem Prozess an, der gleichzeitig als Recyclingverfahren genutzt werden kann. Er ermöglicht eine nahezu unendliche Wiederverwendung der Folien, da die Cellulosestruktur erhalten bleibt und es dadurch keinen kostspieligen Wiederaufbau bedarf. Weiterhin kann mit dem Verfahren die Ausgangscellulose aus Abfallstoffen wie Schilf oder Stroh gewonnen werden.

Kleine Tomaten in einer Plastikschale.Die Folie besitzt eine einstellbare Wasserdampfsperre, sodass die verpackten Lebensmittel immer gut erkennbar sind.
Die Folie besitzt eine einstellbare Wasserdampfsperre, sodass die verpackten Lebensmittel immer gut erkennbar sind. (Bild: Cell2green)

Weiterhin hilft der Einsatz der CO2-neutralen beziehungsweise auch CO2-negativen Cellulosefolie, einen positiven Beitrag für die Unternehmen zu leisten, denn die CO2-Emissionen werden reduziert. Die Folien sind Grundvoraussetzung für ein nachhaltiges Wirtschaften und damit ideal für die Kreislaufwirtschaft unter Anbetracht der Sustainable Development Goals (SDG 12): natürlich, abbaubar und recycelbar. Das Nutzen von Abfallstoffen wie Schilf, Stroh oder Reisstroh wie in den Entwicklungsländern ermöglicht eine breite Anwendung in allen Gebieten der Erde und damit einen Einfluss auf die Nachhaltigkeitsziele der UN (SDG Goal 8).

Verschiedene Verpackungsmaterialien im Vergleich nach einer Lagerung von zwei Wochen im Boden: LDPE, PLA, Cellophan, Cell2green, Papier (von links). Lediglich die neuartige Folie wurde abgebaut.
Verschiedene Verpackungsmaterialien im Vergleich nach einer Lagerung von zwei Wochen im Boden: LDPE, PLA, Cellophan, Cell2green, Papier (von links). Lediglich die neuartige Folie wurde abgebaut. (Bild: Cell2green)

So wird aus Cellulose eine Folie

Der Prozess umfasst ein neuartiges, kostengünstiges Direktlöseverfahren, welches 2018 entwickelt und patentiert wurde. Es ermöglicht das Herstellen von hochreinen Cellulosefolien über ein einfaches, unkompliziertes sowie nicht toxisches Verfahren. Als Rohstoff wird Cellulose aus verschiedensten Bioabfällen oder aus der Papierindustrie genutzt. Die hergestellten Folien bestehen aus einer besonders dünnen Schicht von Cellulose, welche eine schnelle biologische Abbaubarkeit von 10 bis 20 Tagen im Boden und 0,5 bis 2 Monate im Wasser begünstigt. Zusätzlich kann das Verfahren für das Recycling der eigenen, aber auch anderer Cellulosefolien genutzt werden.  

Die Cell2green-Biofolien werden spezifisch für den Verbraucher entwickelt und angepasst.
Diese Haupteigenschaften besitzt die Folie:
1)    Hohe Zugfestigkeit von 100 bis 1.000 MPa und mehr: Je nach Anwendung können die Stärken eingestellt werden. Dies ist insbesondere für die Transport- und Verpackungsindustrie relevant.
2)    Transparent und durchsichtig: Besonders interessant für die Lebensmittelindustrie, denn bei der optischen Einschätzung des verpackten Lebensmittels werden Verfärbungen oder Druckpunkte, Schimmel oder Verunreinigungen erkannt.
3)    Atmungsaktiv: Die Folien haben eine einstellbare Wasserdampfbarriere von hoch bis ganz gering. Um die Schimmelbildung zu reduzieren, müssen keine hormonellen Anti-Schimmelbildner und Gase zugesetzt werden.  
4)    Frei von (toxischen) Additiven: Die Cellulosefilme bestehen aus 100 % Cellulose. Für weitere Entwicklungen bezüglich der gewollten Eigenschaft werden nur biologische Biopolymere genutzt.
5)    Lediglich 4 bis 6 µm dick: Cell2thin-Folien sind       somit bis zu 5-fach dünner als herkömmliche Folien. Weitere Forschungen erhöhen sogar die Zugfestigkeit der Folien und verbreitern damit die Einsatzmöglichkeiten. Dies bedeutet, dass bis zu 5 bis 6-mal mehr mit der gleichen Folienmenge eingepackt werden kann. Dies   reduziert Abfall und die CO2-Menge an eingesetztem Material.

Drei Männer auf einem Podium. Dr. Dirk Hollmann (rechts) nimmt stellvertretend für das Team den Preis von Peter Putsch (links) und Dr. Martin Bussmann entgegen.
Dr. Dirk Hollmann (rechts) nimmt stellvertretend für das Team den Preis von Peter Putsch (links) und Dr. Martin Bussmann entgegen. (Bild: Redaktion)

Kreislaufwirtschaft nicht nur gedacht

Das mecklenburgische Start-up steht aber insgesamt für einen ganzheitlichen kreislaufwirtschaftlichen Ansatz für den Austausch von PE-Folie durch eine neue biobasierte, biologisch abbaubare, recycelbare und kunststofffreie Verpackungsfolie. Die Folien können in der Verpackung, in der Medizin oder in der Agrarwissenschaft eingesetzt werden. Erster Einsatzmarkt ist die reine Verpackung von Produkten, um den Transportschutz zu gewährleisten. Hier werden keine speziellen Zertifikate benötigt. Die momentane Produktion umfasst Kleinstmengen für erste Pilotanwendungen und Zertifizierungen. Mit einem Kooperationspartner wird gerade eine Pilotanlage geplant und aufgebaut. Um die Skalierung zu gewährleisten, erfolgt schon jetzt eine Evaluierung von verschiedenen Produktionsstandorten.

Quelle: Cell2green

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