Seit einiger Zeit drängen vermehrt so genannte „Biopolymere“ auf den Markt der Kunststoffe. Diese bestehen aus biobasierten Rohstoffen und/ oder verfügen über eine biologische Abbaubarkeit. Es gibt petrochemisch basierte abbaubare Biopolymere. Umgekehrt gibt es aber auch nicht abbaubare Biopolymere für langlebige Anwendungen. Die Automobil- oder Elektroindustrie interessiert sich jedoch nicht für abbaubare, sondern biobasierte und langzeitbeständige Polymere als Substitut für die petrochemischen Kunststoffe. Die derzeitigen Einsatzgebiete für Biopolymerfolien umfassen dagegen unter anderem Tragetaschen, Beutel aller Art und Agrarfolien. Da der Markt sich aber noch in der Aufbauphase befindet, war es bislang für potenzielle Anwender sehr schwer, sich über die vorhandenen Ansätze zu informieren. So hatten Verarbeiter häufiger mit für sie unzureichenden Materialkennwerten von Biopolymeren zu kämpfen.
Das hat sich seit kurzem geändert, denn nunmehr gibt es mit der weltweit ersten Datenbank für Biopolymere im Internet (www.materialdatacenter.com) eine Adresse, die es ermöglicht, sich einen guten Überblick über die vorhandenen Polymere zu verschaffen. „Aktuell hält unsere Biopolymerdatenbank Informationen über rund 500 verschiedene Biopolymertypen bereit“, berichtet die wissenschaftliche Mitarbeiterin Maren Bengs von der Fachhochschule Hannover stolz. Sie ist neben Andrea Siebert-Raths, die schon seit Entstehung der Idee am Datenbank-Projekt beteiligt ist, Mitglied der Arbeitsgruppe von Prof. Hans-Josef Endres. Das Team beschäftigt sich im Rahmen eines vom BMELV über die Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) geförderten Forschungsprojekts zusammen mit dem Industriepartner M-Base Engineering + Software, Aachen, seit rund vier Jahren mit dem Aufbau der Datenbank.
Pedant zur Campus-Datenbank
„Das Ganze ist angelehnt an die bekannte Datenbank Campus für Kunststoffe. Unsere Zielsetzung war es, eine Verbindung zwischen allen Beteiligten wie den Herstellern, Verarbeitern und Anwendern zu schaffen. Zu Beginn unserer Arbeit war der Biopolymermarkt sehr überschaubar und entsprechend wenig Materialdaten vorhanden.“, so Maren Bengs. Hinzu kam das weitere Problem, dass die Daten zumeist auch nicht vergleichbar waren. „Sie basierten zum Beispiel auf unterschiedlichen Normen und auch unterschiedlichen Varianten in den Normen.“ Daher begann die Arbeit im Forschungsprojekt mit eigenen Tests der Materialien durch die Fachhochschule. „Wir haben uns dazu sämtliche auf dem Markt vorhandene Biopolymergranulate zusenden lassen und diese spritzgießtechnisch verarbeitet.“ Danach erfolgte unter anderem die Bestimmung mechanischer und thermischer Eigenschaften nach den entsprechenden Normen.
Die so ermittelten Daten wurden zusammen mit den Daten der Hersteller wie Geruch, Verpackungsgrößen, Lagerung oder Inhaltsstoffe der Materialien in die Datenbank eingepflegt. So entstand eine Übersicht über alle im Markt vorhandenen Biopolymerwerkstoffe. Verschiedene Suchoptionen erlauben dabei den genauen Vergleich einzelner Materialtypen hinsichtlich beispielsweise ihrer mechanischen Kennwerte, der Erhältlichkeit, biologischer Abbaubarkeit oder vorhandenen Zertifizierungen miteinander. Ein für die Anwender wichtiges Spannungs-Dehnungs-Diagramm ergänzt die Datensätze. Eine Druckoption ermöglicht zudem den Ausdruck von Datenblättern aller Materialtypen.
Für die Folienhersteller, -verarbeiter und auch die Additivhersteller steht ein Upgrade an. Doch die Einpflege aller Werkstofftypen in das System war für die Forscher und ihre Partner nur der Anfang auf dem Weg zu einer umfassenden Datenbank der Biopolymere. „Da immer mehr Materialtypen wie zum Beispiel vollständig oder teilweise biobasierte Polyamide, Polyester oder Polyurethane auf den Markt kommen, die noch mehr Anforderungen erfüllen können, wird der Ausbau kontinuierlich weitergehen“, erläutert Maren Bengs.
Im Fokus stehen dann neben neuen Granulaten so genannte Halbzeuge wie Folien, die im Verpackungsbereich, unter anderem bei Food- und Non-Food-Verpackungen, schon einen prominenten Status erreicht haben. „Unser Ziel für die kommenden zweieinhalb Jahre ist die Aufnahme sämtlicher Folienhersteller mit den entsprechenden Folien, sowie der Folienverarbeiter und der Distributoren in die Datenbank.“ Dabei sollen die Biopolymerfolien entsprechend den Normen für Folien geprüft werden. Die neuen Daten werden dann analog zu den Granulatwerten in das System eingepflegt. „Die von uns ermittelten Daten pflegen wir selbst ein. Alle anderen Daten, die von den Herstellern geliefert werden, werden von M-Base eingepflegt.“ Der Partner ist zudem für die Administration verantwortlich. Wenn neue Optionen oder Funktionen benötigt werden, übernimmt das Aachener Unternehmen die notwendigen Programmierungsarbeiten und Aktualisierungen der Software.
Der Einbeziehung des Folienbereichs ist aber nur einer von mehreren ehrgeizigen Plänen der Arbeitsgruppe. Der zweite richtet sich auf die Additivhersteller und die entsprechenden Produkte. Auch diese Gruppe soll mittelfristig in der Datenbank verfügbar sein. Ein anderer Punkt sind die Ökobilanzen und die Entsorgungsmöglichkeiten der Materialtypen. „Der Trend geht weg von dem Fokus auf die biologische Abbaubarkeit hin zu technischen Biopolymeren. Daher werden die verschiedenen Entsorgungsoptionen sicher an Bedeutung gewinnen.“ Last but not Least ist auch die Einfügung von Anwendungsbeispielen vorgesehen. „Wir denken dabei vor allem an neue Produkte oder beispielhafte Bauteile. So könnten wir Interessenten einen Einblick geben, welche Möglichkeiten mit Biopolymeren realisiert werden können“, betont die Expertin. Eine Zielgruppe, bei der diese Idee durchaus auf Anklang stoßen wird, dürften Produktdesigner sein.
Eine noch offene Frage ist die langfristige Finanzierung der Datenbank nach Ablauf des Projekts. „Aktuell ist für alle Interessierten ein kostenloser Zugang in deutscher und englischer Sprache über die Webseite im Internet möglich. Wir wollen allerdings erreichen, dass sich das System irgendwann selbst trägt.“ Daher sind für die Zukunft verschiedene Modelle – von einem kostenpflichtigen Zugang über den Einsatz von Werbebannern, die Zusammenarbeit mit Verbänden oder auch ein Sponsoring – in der Diskussion. „Das ist aber noch Zukunftsmusik.“
Branchen reagieren positiv
Die bisherige Resonanz aus den relevanten Branchen wie Automobil-, Verpackungs- oder generell der Kunststoffindustrie ist bis dato sehr positiv, wie Maren Bengs anmerkt. „Das Projekt stößt keinesfalls auf Ablehnung. Der Anfang war etwas schwierig, da Daten offengelegt werden sollten. Aber wir haben von Anfang klargestellt, dass wir nur helfen wollen und eine Plattform als Verbindung aller Beteiligten schaffen wollen.“
Parallel dazu wurde im letzten Jahr das Fachwissen über Biopolymerwerkstoffe in dem Fachbuch „Technische Biopolymere“ beim Hanser Verlag veröffentlicht.
Trends und Marktchancen
Schritt in die richtige Richtung
Die Kooperation mit der Industrie wird durch einen neuen Fragebogen dokumentiert, der entwickelt wurde, um die Unternehmen noch besser einbinden zu können. Dieser wird bald an die Betriebe versendet. Dann können diese ihre Wünsche und Anregungen direkt an die Verantwortlichen für die Biopolymerdatenbank weiter geben.