Bereich des partiellen Expansionshubs am Demonstratorbauteil.

Bereich des partiellen Expansionshubs am Demonstratorbauteil. (Bild: KUZ)

Motivation für das Projekt sind europäische Richtlinien, die eine deutliche Steigerung des Einsatzes von Recyclingmaterial fordern.  Im Folgenden werden Flaschenabfälle aus Sammlungen der Dualen Systeme betrachtet, die nicht in den geschlossenen Pfandflaschenkreislauf einfließen. Das Material ist ein Polyethylenterephthalat Rezyklat (rPET) und liegt als Mahlgut (Flakes) aus der großtechnischen Aufbereitung bei Multipet, Bernburg, vor.

Die Detailaufnahmen des Demonstratorbauteiles Wanne zeigen die Bauteiloberfläche und den Konturverlauf im Übergang zum expandierten Bereich bei einem partiellen Expansionshub von 4 mm
Die Detailaufnahmen des Demonstratorbauteiles Wanne zeigen die Bauteiloberfläche und den Konturverlauf im Übergang zum expandierten Bereich
bei einem partiellen Expansionshub von 4 mm. (Bild: KUZ)

Das KUZ stellt die Leichtbauteile aus rPET durch thermoplastisches Schaumspritzgießen (TSG) her. Die Bauteildichte kann so im Mittel von 1,30 g/cm³ auf 0,80 g/cm³ für das Gesamtbauteil reduziert werden. Darüber hinaus ermöglicht ein werkzeugseitiger partieller Expansionshub, das Leichtbaupotenzial weiter auszuschöpfen. Mit dieser Prozessführung sind Leichtbauteile mit einer partiell noch höheren Dichtereduktion von > 50 % herstellbar [1], [2]. Das klassische TSG arbeitet mit einer Teilfüllung der Kavität, die während der Schaumexpansion vollständig ausgefüllt wird. Der hierfür erforderliche Werkzeuginnendruck ist im Vergleich zum kompakten Standardspritzguss sehr niedrig. Deshalb wird hier auch vom Niederdruckverfahren gesprochen.

Die Detailaufnahmen des Demonstratorbauteiles Wanne zeigen die Bauteiloberfläche und den Konturverlauf im Übergang zum expandierten Bereich bei einem partiellen Expansionshub von 4 mm.
Die Detailaufnahmen des Demonstratorbauteiles Wanne zeigen die Bauteiloberfläche und den Konturverlauf im Übergang zum expandierten Bereich
bei einem partiellen Expansionshub von 4 mm. (Bild: KUZ)

Im Gegensatz hierzu wird beim Expansionshub das Hochdruckverfahren angewandt. Zunächst wird die Kavität volumenmäßig vollständig gefüllt. Anschließend erfolgt eine Kavitätsvergrößerung durch eine Öffnungsbewegung der Schließeinheit, den Expansionshub. Meist werden hierfür Tauchkantenwerkzeuge eingesetzt, um einen Schmelzeaustritt in die Werkzeugtrennebene zu verhindern.

Die Detailaufnahmen des Demonstratorbauteiles Wanne zeigen die Bauteiloberfläche und den Konturverlauf im Übergang zum expandierten Bereich bei einem partiellen Expansionshub von 4 mm.
Die Detailaufnahmen des Demonstratorbauteiles Wanne zeigen die Bauteiloberfläche und den Konturverlauf im Übergang zum expandierten Bereich
bei einem partiellen Expansionshub von 4 mm. (Bild: KUZ)

Wie der Expansionshub die Dichte reduziert

Das KUZ untersucht die Herstellung von Leichtbauteilen aus rPET durch TSG anhand eines wannenförmigen Demonstrator-Bauteils sowohl mit und ohne partiellem Expansionshub. Beim Herstellen kann die Dichte durch partiellen Expansionshub von 4 mm und 8 mm im Bereich der schrägen Flanken und des Bodens weiter reduziert werden. Der umlaufende Rand expandiert jedoch nicht und bleibt somit maßlich unverändert (Bild 1). Der Expansionshub wird sowohl durch hydraulisches Ansteuern über Kernzug als auch durch Präzisionsöffnen erzeugt. Ein Vergleich beider Verfahren zeigt erhebliche Unterschiede in der Maßhaltigkeit.

Spezialadditive für thermoplastisches Schaumspritzgießen

Upcycling von rPET

Zunächst werden die Flakes aufbereitet, denn problematisch sind selbst kleinste Verschmutzungen, die auch bei sorgfältigem großtechnischem Aufbereiten nicht zu vermeiden sind. Ziel der Aufbereitung ist das Steigern der Schmelzefestigkeit als Voraussetzung für eine homogene Schaumstruktur und das Erhöhen der Schlagzähigkeit auf das Niveau von Neuware.

Um die leichten Flakes ohne Probleme in die Spritzgießmaschine einziehen zu können, ist ohnehin eine Regranulierung erforderlich. Bei diesem Aufbereitungsschritt werden Additive zum Verbessern der Bauteil-oberfläche und Schlagzähigkeit zudosiert. Diese werden mit einem gleichläufigen Zweischneckenextruder (ZE) ZE25Ax47D-UTXi-UG (Schneckendurchmesser: 25 mm, L/D: 47, L: 1175 mm) von Krauss Maffei Berstorff compoundiert. Das schwarze Farbbatch auf PET-Träger dient dem verbesserten Charakterisieren der Blasengrößen. Ohne Additive zeigt die im Vergleich bräunliche Verfärbung eine leichte Restverschmutzung durch feinste Partikel. Dieses Material lässt sich jedoch wegen unzureichender Schmelzefestigkeit und in Folge dessen nur mit einer inhomogeneren Schaumqualität verarbeiten

Warum der Zwischenschritt Prüfkörper wichtig ist

Zur Rezepturoptimierung hinsichtlich Schlagzähigkeit und Schaumstruktur dient ein spezieller Prüfkörper, eine sogenannte Schaumrippe. Beim geschäumten rPET im Ausgangszustand ohne Additive sind einzelne, sehr große Hohlräume, eine unebene Bauteiloberfläche und eine deutliche Gelbverfärbung in Folge von Degradationsmechanismen erkennbar [3]. Der geschäumte Prüfkörper aus dem additivierten Compound besteht aus sehr feinzelligem Schaum wie in der Ausschnittsvergrößerung einer REM-Aufnahme (Bild 2) dargestellt. Die Blasengröße liegt im Bereich von rund 100 µm. Die Oberfläche ist glatt, der visuelle Eindruck stark verbessert und es kommt zu keiner Gelbverfärbung.

REM-Detailaufnahme des Schaumrippenquerschnitts des additivierten Compounds.
REM-Detailaufnahme des Schaumrippenquerschnitts des additivierten Compounds. (Bild: KUZ)

Welchen Einfluss das präzise Öffnen hat

Die Detailaufnahmen zeigen den Unterschied zwischen hydraulischem Expansionshub und dem Präzisionsöffnen. Beim hydraulischen Expansionshub entsteht durch ungesteuerte Öffnung über Kernzug am Übergang zum feststehenden Rand eine abgerundete Kontur. Das Präzisionsöffnen ermöglicht die Einstellung von Geschwindigkeitsrampen und ergibt somit eine genauere Abformung der Kontur und geringere Wanddickentoleranzen. Das kompakte Bauteil ohne Expansionshub zeigt eine saubere schlierenfreie Oberfläche. Dagegen weisen die physikalisch geschäumten Bauteile typische Schaumschlieren an der Bauteiloberfläche auf.

Anhand verschiedener Radien und Steigungen untersucht das KUZ das Verhalten unterschiedlicher Rezepturen und Expansionsgrade. Der flache Bereich des Bodens erlaubt das Ausfräsen von Universalprüfkörpern für mechanische Untersuchungen.

Präzisionsöffnen

Im Leichtbau wird häufig eine partielle Wanddickenvergrößerung zur Erhöhung der lokalen Steifigkeit benötigt. Eine Möglichkeit zum Erzeugen belastungsgerechter Strukturen ist das gezielte Platzieren von Schaum durch partiellen Expansionshub. Dieser kann entweder werkzeugseitig durch hydraulische Ansteuerung über Kernzug erzeugt werden oder durch Präzisionsöffnen, wie es bei der integrierten Steuerung der Wittmann Battenfeld Spritzgießmaschinen realisiert wird. Das Präzisionsöffnen erfolgt nach vollständiger Formfüllung. Anschließend wird das Werkzeug parametergesteuert auseinandergefahren. Durch den Druckabfall kommt es in der noch plastischen Seele des Bauteils zur Ausgasung des chemischen oder physikalischen Treibmittels. Der Vorteil des Expansionshubs durch Präzisionsöffnen liegt in der genauen Steuerbarkeit dieses Prozesses. Es ist beispielsweise möglich, das Anfahren von Geschwindigkeitsrampen zu variieren und somit Einfluss auf die Ausbildung kompakter Randschichten zu nehmen. Vorteilhaft ist weiterhin eine wesentlich präzisere Einhaltung des Wanddickenmaßes im Vergleich zur hydraulischen Ansteuerung durch Kernzug.

Wie die Oberfläche durch Sandwichspritzgießen schlierenfrei wird

Beim thermoplastischen Schaumspritzgießen kommt es prozessbedingt durch Aufreißen der Blasen an der Werkzeugwand und abhängig vom Schäumgrad zu sogenannten Schaumschlieren und zu Oberflächenrauigkeiten, die die Bauteile optisch beeinträchtigen. Geschäumte Bauteile werden daher überwiegend im Nicht-sichtbereich eingesetzt. Um dieses Problem zu lösen, existieren am Markt verschiedene technologische Ansätze [4]. Eine Möglichkeit ist das 2K-Sandwich-Spritzgießen. Zukünftige Abmusterungen industrieller Bauteile bei externen Partnern sollen die Möglichkeit eröffnen, geschäumtes rPET in der Kernschicht durch eine optisch einwandfreie Hautschicht zu kapseln. Hier ist das Verhalten der Hautschicht beim Expansionshub in Kombination mit 2K noch unbekannt.

Dabei gilt es, geeignete Rezepturen und Prozessparameter zu ermitteln. Kompakt gespritzt entstehen Bau-teile mit einer Hautschicht aus optisch ansprechendem rPET. Die Hautschicht kann dabei je nach Anwendungsfall mit oder ohne Füll- und Verstärkungsstoffe ausgerüstet sein. Den Kern bildet ein modifiziertes geschäumtes rPET, das den Leichtbaueffekt bewirkt. Der Schaum kann dabei sowohl durch ein chemisches Treibmittel als auch durch physikalische Direktbegasung (N2) erzeugt werden. In Zukunft kann dieses Verfahren Leichtbau, Nachhaltigkeit und eine gute Oberflächenanmutung vereinen.

Literatur

[1 ] V. Altstädt, A. Mantey: Thermoplast-Schaumspritzgießen, Carl Hanser Verlag, München, 2011, ISBN 978-3-446-41251-4, S. 202
[2  ]S. Jarka, Universität Kassel, Institut für Werkstofftechnik: TTN- Jahrestagung (TechnologieTransferNetzwerk Hessen) „Materialeffizienz: Leichtbau mit thermoplastischem Schaum“,
09.11.2005, Kassel, Vortragsskript, S. 16
[3 ]N. Rudolph, R. Kiesek, C. Aumnate: Einführung Kunststoffrecycling, Carl Hanser Verlag, München, 2020, ISBN 978-446-45880-2, S. 33
[4 ]V. Altstädt, A. Mantey: Thermoplast-Schaumspritzgießen, Carl Hanser Verlag, München, 2011, ISBN 978-3-446-41251-4, S. 207-213

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