Mit Schweißzeiten meist unter 1,0 s wird das Ultraschallschweißen (US) als sehr schnelles Fügeverfahren in vielen Branchen bei hohen Stückzahlen eingesetzt. Beim Ultraschallschweißen entsteht Wärme durch Dissipation (innere molekulare Reibung) infolge von Deformationen und Grenzflächenreibung aufgrund von Relativbewegungen der Fügeflächen. Das Prinzip beruht darauf, Energie in Form einer mechanischen Schwingung in das zu schweißende Bauteil einzuleiten und den Kunststoff in der vorgesehenen Schweißnahtgeometrie aufzuschmelzen. Im theoretischen Idealfall wird die gesamte Energie ohne Verluste in die Fügezone eingebracht, um den Kunststoff dort zielgerichtet aufzuschmelzen. Ultraschallschweißmaschinen arbeiten meist sehr genau und zuverlässig. Ein Monitoring des Schweißprozesses erfolgt aktuell jedoch stets nur maschinenseitig. Die Überwachungskenngrößen ermöglichen dabei keine Aussage, wie sich die eingebrachten Schwingungen in Form von Energie in einem Bauteil ausbreiten und dort absorbiert werden und welchen Einfluss Prozessfehler haben können. [1–5] Einen neuartigen Ansatz bietet die Thermografie, die durch Bewerten der Oberflächenerwärmung diesbezüglich eine Aussage treffen kann.
Experimentelles
Für das Projekt am SKZ, Würzburg, wurden exemplarisch zwei im Automotivbereich relevante Materialien Polyamid 6.6 ohne Glasfaser (PA6.6) und Polyamid 6.6 mit 30 % Glasfasern (PA6.6GF30) verwendet. Für die grundlegenden Versuchsreihen wurde ein nach DVS-Richtlinie 2216-1 Beiblatt 1 (DVS: Deutscher Verband für Schweißen und verwandte Verfahren) definierter Prüfkörper sowie ein industriell relevanter Demonstrator (Deckel/Gehäuse-Verbindung) genutzt.
Für die Untersuchungen wurde eine Schweißmaschine des Typs MS Sonitop Genesis, mit einer Arbeitsfrequenz von 20 kHz von MS Ultraschall, Spaichingen, zur Verfügung gestellt. Diese Schweißmaschine verfügt über einen elektrischen Servomotor, mit dem ein kraft- und geschwindigkeitsgeregelter Schweißprozess umgesetzt werden kann. Unter Variation der maßgeblichen Schweißparameter-Amplitude sowie Kraft und Geschwindigkeit wurde gefügt. Die Schweißnahtqualität wurde anhand von Zugversuchen mit konstanter axialer Geschwindigkeit von 10 mm/s bis zum Versagen am DVS-Prüfkörper bewertet. Am Demonstrator erfolgten Dichtheitsprüfungen (Überdruck 600 mbar mit Luft) sowie die Ermittlung des maximalen Berstdruckes (Druckanstieg 1,0 bar/s, Prüfmedium Wasser bei 23 °C). Nach allen mechanischen Prüfungen wurde die Bruchfläche betrachtet und der Bruchmechanismus visuell (spröde oder duktil) bewertet.
Auswertung von Thermografieaufnahmen
Nach Prozessende sollte möglichst zeitnah eine thermografische Auswertung der Oberflächentemperatur erfolgen. Der früheste Auswertungszeitpunkt ist dabei abhängig von der Haltezeit und dem Zeitpunkt, zu welchem die gesamte zu betrachtende Bauteiloberfläche von der Sonotrode freigegeben wird. Im Projekt wurde der Auswertezeitpunkt circa 0,8 s nach der Haltezeit definiert. Eine Triggerung erfolgte dabei reproduzierbar durch ein Ausgangssignal der Maschinensteuerung. Die Kontaktzeit der Sonotrode mit der Bauteiloberfläche (Haltezeit) sowie die Temperatur der Sonotrode und der Umgebung zeigten einen Einfluss auf die gemessene Temperatur der Bauteiloberfläche. Dies ist bei einer Gegenüberstellung von verschiedenen Thermogrammen stets zu berücksichtigen.
Um effizient eine Vielzahl an Schweißungen auswerten zu können, wurde eine Auswertungssoftware des SKZ für die Bewertung von Thermogrammen weiterentwickelt. [6] Diese Software ermöglicht neben der klassischen Temperaturmessung und -aufzeichnung zudem die Erstellung rechnerischer und visueller Mittelwerte (Referenzen) aus mehreren Schweißungen sowie die Erzeugung von sogenannten Differenzbildern (Bild 1). Anhand von Temperaturunterschieden einzelner Pixel können somit visuelle Unterschiede nachvollziehbar dargestellt und messtechnisch erfasst werden.
Bei Untersuchungen von DVS-Prüfkörpern wiesen einzelne Schweißungen meist eine inhomogene Temperaturverteilung an der Oberfläche auf. Wurden diese jedoch zu einem arithmetischen Mittelwert zusammengefasst, konnte eine gleichmäßige Temperaturverteilung festgestellt werden. Durch eine statistische Temperaturverteilung kann eine repräsentative mittlere Oberflächentemperatur für einen Schweißprozess bei gleichbleibenden Schweißbedingungen angenommen werden.
Einfluss von Schweißparametern
Bei Variation der Schweißparameter (Amplitude und Schweißkraft und -geschwindigkeit) konnten für PA6.6 und PA6.6GF30 tendenziell bei niedrigeren mittleren Oberflächentemperaturen höhere Schweißnahtfestigkeiten bei einem kraftgeregelten Schweißprozess gemessen werden. Es scheint jedoch keine optimale Oberflächentemperatur zu geben, bei der eindeutig hohe Festigkeiten erzielt werden können. Vielmehr konnte aufgezeigt werden, dass bei mittleren Oberflächentemperaturen unter circa 55 °C höhere Festigkeiten zu erwarten waren. Über 55 °C hingegen resultierten niedrigere Festigkeiten und höhere Streuungen der Temperatur. Die Abhängigkeit von Schweißnahtfestigkeit und Oberflächentemperatur folgte mit einem mäßigen Bestimmtheitsmaß (R2 = rund 0,73) einem linearen Verlauf. Beim geschwindigkeitsgeregelten Schweißprozess konnten keine eindeutigen Zusammenhänge der Zugfestigkeit von der mittleren Oberflächentemperatur gefunden werden.
Einfluss von Spritzgussparametern
Die Spritzgussbedingungen der zu schweißenden Bauteile können unter anderem einen Einfluss auf die molekularen Kettenlängen oder die Kristallinität der Materialien haben und dadurch den Ultraschallschweißprozess beeinflussen. [7, 8] Ausgehend von Standardspritzgussparametern wurden die Massetemperatur sowie die Werkzeugtemperatur an der oberen und unteren Grenze gemäß Herstellerempfehlungen der Materialdatenblätter variiert. Geänderte Werkzeugtemperaturen sowie eine fehlende Vortrocknung zeigten keinen eindeutigen Einfluss auf die Oberflächentemperatur nach dem Schweißen oder die resultierenden mechanischen Eigenschaften. Bei geänderter Massetemperatur konnte jedoch ein Reduzieren der Oberflächentemperaturen nach dem Schweißen sowie der resultierenden mechanischen Eigenschaften im Vergleich zu den Standardspritzgussparametern für PA6.6 gemessen werden. Die Temperatur- und Festigkeitsunterschiede wurden mit steigender Schweißkraft geringer.
Bei einer Analyse der Materialeigenschaften konnten Abweichungen in der Viskosität, beispielsweise verursacht durch Unterschiede der Kettenlängen und der Kristallinität, nachgewiesen werden. Diese Unterschiede können den Schweißprozess beeinflussen und somit Ursache für das festgestellte Verhalten sein. PA6.6GF30 zeigte durch den Glasfaseranteil und damit erhöhte Schallleitung keinen messbaren Einfluss der Spritzgussparameter auf die mittlere Oberflächentemperatur und die resultierende Schweißnahtfestigkeit. [7, 8]
Erkennen fehlerhafter Schweißungen
Die maßgeblichen Vorteile der Thermografie liegen in der bildhaften Darstellung und der Vielzahl an unterschiedlichen Auswertungsmöglichkeiten. Dadurch können Prozesseinflüsse visuell bewertet und Unregelmäßigkeiten am Bauteil lokal zugeordnet sowie schnell industriell umgesetzt werden.
Bei einer Bewertung der Thermogramme konnten deutliche Auffälligkeiten für Winkelabweichungen und beschädigte Energierichtungsgeber (ERG) erkannt und mit dem Berstdruck der Demonstratoren in Zusammenhang gebracht werden. Bei einer Winkelabweichung war ein geringes Erwärmen im Bereich mit weniger Kontakt zur Sonotrode feststellbar. Der dabei ermittelte Berstdruck lag deutlich unterhalb den Werten ohne Winkelabweichung. Bei einem beschädigten ERG waren trotz relativ hoher Berstdrücke alle Schweißungen undicht. Die undichten Stellen konnten teilweise anhand der Thermografie lokal am Demonstrator zugeordnet werden (Bild 4).
Übertragbarkeit auf industrielle Bauteile
Die Thermografie kann prinzipiell als Qualitätskontrolle beim Ultraschallschweißen eingesetzt werden. Die Ergebnisse waren auf verschiedene industriellen Bauteile und Materialien wie PA6 GF30, PP, ABS übertragbar. Bei den dargestellten Ergebnissen handelt es sich lediglich um einen kleinen Auszug von sehr umfassenden Ergebnissen. Im Rahmen des zweijährigen Projektes konnten viele Abhängigkeiten und Einflüsse des Ultraschallschweißprozesses auf die thermografische Erfassung festgestellt werden. Mit den erlangten Erkenntnissen steht bereits jetzt eine weitere Möglichkeit zur Fehleranalyse des Ultraschallschweißprozesses zur Verfügung und ermöglicht neue Ansätze für die Forschung sowie industrielle Anwendungen. Die Qualitätssicherung mittels Thermografie wurde bereits in eine vollautomatisierte Ultraschallschweißanlage mit vier Thermokameras implementiert, die im Sekundentakt jede Schweißung aufnehmen, inline bewerten und n. i. O.-Schweißungen anschließend automatisch ausschleusen. [9]
Danksagung
Das Vorhaben 19563 N der Forschungsvereinigung Kunststoff-Zentrum wurde über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Aktuell läuft ein weiteres IGF-Projekt zur Qualitätssicherung für manuelle und teilautomatisierte Schweißungen von Behältern und Bahnen mittels Thermografie (IGF-Nr. 20774 N, bis 31.10.2021). Interessierte Firmen sind jederzeit eingeladen, als Mitglieder im projektbegleitenden Ausschuss mitzuwirken und die Forschungsarbeiten in dem Projekt mitzugestalten sowie über die aktuellen Ergebnisse kostenfrei informiert zu werden.
Literatur
[1] Menges, G.; Potente, Helmut: „Schallfelder und Energieumsetzung beim Ultraschallschweißen von Kunststoffen”, München, Kunststoffe, vol. 59, no. 6, 1969. S. 369-374.
[2] Potente, Helmut: „Zur Frage der Energieumwandung beim Ultraschallschweißen von Thermoplasten”, PV, vol. 22, no.8, 1971. S. 653-658.
[3] Hopmann, Christian; Van Aaken, Anika, „Ultraschallschweißen zur sicheren Prozessgestaltung beim Ultraschallschweißen hygroskopischer Thermoplaste am Beispiel von
Polyamiden”, Joining Plastics, no.3, 2012 2012, S. 208-213.
[4] Haberstroh, Edmund; Kuhlmann, Kai: „Prozessführung beim Ultraschallschweißen”, Kunststoffe, no. 7, 2004, S. 35-38.
[5] Menges, Georg; Barbari Nabil Ibrahim El Dessouki: „Parameteroptimierung beim Ultraschallschweißen: Niedriger Druck und hohe Amplitude”, Plastverarbeiter, vol. 38,
no. 3, 1987, S. 65-72.
[6] Horlemann, Sebastian; Baudrit, Benjamin: „Passive Thermographie als zerstörungsfreies Prüfverfahren beim Schweißen von Kunststoffen”, Joining Plastics, no. 9, 2015,
S. 106-113.
[7] DVS Media GmbH: „DVS 2216-Ultraschallschweißen von Kunststoffserienschweißteilen – Prozessbezeichnung, Maschinen und Geräte, Einflussgrößen, Konstruktion,
Qualitätssicherung”, Taschenbuch DVS-Merkblätter und -Richtlinien: Fügen von Kunststoffen, DVS Media GmbH, Düsseldorf, 2020, S. 759-800.
[8] Potente, Helmut; „Untersuchung der Schweißbarkeit thermoplastischer Kunststoffe mit Ultraschall”, 1971.
[9] Eichhorn, Franziska; Pommer, Christopher: „Vier Kameras ermöglichen 100-Prozent-Kontrolle: Thermografie zur Inline-Prozesskontrolle beim Kunststoff-
Serienschweißen”, QZ Qualität und Zuverlässigkeit, vol. 64, no. 10, 2019, S. 68-70.
Technik im Detail
Thermografie
Unter Thermografie wird im Allgemeinen das bildhafte Darstellen der Strahlungsverteilung auf einer Oberfläche verstanden. Als neuartiger wissenschaftlicher Ansatz wird die oberflächennahe Absorption der Schallenergie durch das Dämpfungsverhalten der Kunststoffe sowie evtl. auftretender Prozessschwankungen thermografisch erfasst. Die Temperaturverteilung gibt dabei Hinweise auf die Energieeinbringung in das Bauteil. Hierbei ist weniger das Bestimmen der Absoluttemperatur relevant, sondern vielmehr das Ändern der Bauteiltemperatur verglichen mit einer Referenzschweißung. Das Erwärmen der Schweißnaht selbst oder das Ausbreiten der Wärme von der Schweißnaht bis an die Oberfläche werden dabei nicht betrachtet.
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Unternehmen
SKZ KFE gGmbH Kunststoff Forschung und Entwicklung
Friedrich-Bergius-Ring 22
97082 Würzburg
Germany