Das vom IKV entwickelte Messsystem zur Belagserkennung

Das vom IKV entwickelte Messsystem zur Belagserkennung (Bild: IKV)

Hervorragende optische Folieneigenschaften, hohe Produktionsgeschwindigkeiten und ein flexibler Anlagenbetrieb: Die Flachfolienextrusion ist neben der Blasfolienextrusion das wichtigste Herstellungsverfahren für Kunststofffolien [1]. Um die Effizienz der Anlagen zu maximieren, muss die Temperaturdifferenz zwischen Folie und Kühlwalze minimiert werden, wozu meist öl- oder wassertemperierte Kühlwalzen zum Einsatz kommen. Aufgrund der komplexen adhäsiven Wechselwirkungen zwischen der Kunststoffschmelze und der metallischen Walzenoberfläche bildet sich beim Verarbeiten häufig ein Belag im Kontaktbereich aus. Mit zunehmender Laufzeit kann dieser Belag lokal wachsen und dadurch zu einer ungleichmäßigen, fleckigen oder streifigen Folie führen und die Produktqualität beeinträchtigen [2, 3]. Hinzu kommt, dass durch die Belagsbildung der lokale Wärmeübergang zwischen der Kühlwalze und der Folie reduziert wird. Da die maximal erreichbare Kühlleistung durchsatzbestimmend ist, sinkt daraufhin ebenfalls die Effizienz der Anlage. Trotz ihrer wirtschaftlich-technischen Relevanz sind die Ursachen der Belagsbildung an metallischen Walzenoberflächen und ihre Wechselwirkung mit den mechanischen und optischen Folieneigenschaften bislang nicht vollständig geklärt. Ein Grund dafür ist, dass die Bildung eines für Produkt und Prozess kritischen Belags auf der Kühlwalzenoberfläche noch nicht zuverlässig erfasst und interpretiert werden kann. Das Ziel ist deshalb die Entwicklung eines robusten Messsystems zur Belagserkennung. Es wird nachgewiesen, dass sich Kamerasysteme zur Walzeninspektion eignen und dargestellt, wie eine Versuchsumgebung zur Validierung des Messsystems aufgebaut sein kann.

Warum sich Kamerasysteme sich zur Erfassung von Walzenbelägen eignen

Erste Untersuchungen an einer rotierenden, metallischen Kühlwalze einer Extrusionsanlage zeigen, dass die Ablagerungen auf metallischen Oberflächen mit einem preisgünstigen kamerabasierten Bildverarbeitungssystem qualitativ erkannt werden können. In Grafik 1 werden zwei Bereiche auf einer hochglänzenden Kühlwalze dargestellt, die unterschiedliche Reflexionseigenschaften aufgrund einer unterschiedlichen Ablagerungsausprägung aufweist. Der Messbereich (grün) wurde mit Aceton behandelt und ist daher belagsfrei, wohingegen sich auf dem daneben befindlichen Walzenbereich (schwarz) ein Belag befindet, welcher sich produktionsbedingt nach einiger Zeit einstellt.

 

Grafik 1: Messaufbau der Grauwertmessung an der Walzenoberfläche.
Grafik 1: Messaufbau der Grauwertmessung an der Walzenoberfläche. (Bild: IKV)

Die zeitlichen Verläufe der durchschnittlichen Grauwerte in dem festgelegten Messbereich wurden mithilfe des Kamerasystems für 10 s aufgezeichnet. Das Diagramm in Grafik 2 zeigt den resultierenden Grauwertverlauf auf der verschmutzten und gereinigten Walzenoberfläche.

Grafik 2: Zeitlicher Grauwertverlauf gereinigter und belagsbehafteter Walzenoberflächen.
Grafik 2: Zeitlicher Grauwertverlauf gereinigter und belagsbehafteter Walzenoberflächen. (Bild: IKV)

Ersichtlich ist, dass die Grauwerte im gereinigten Walzenzustand über den Walzenumfang nahezu konstant sind. Abweichungen im Grauwertbereich von 0,5 bis 1 können auf eine unregelmäßige Walzenoberfläche beispielsweise Fertigungstoleranzen oder instationäre Lichtverhältnisse hindeuten. Wird der gleiche Walzenbereich mit einem Belag betrachtet, ist ersichtlich, dass der Grauwert allgemein niedriger als der Referenzgrauwert im gereinigten Zustand ausfällt. Dies ist auf einen offensichtlich geringeren Reflexionsgrad der Ablagerungen im Vergleich zur Walzenoberfläche zurückzuführen. Weiterhin ist festzustellen, dass sich pro Walzen­umdrehung eine Grauwertvariation von rund 8,5 pro Umdrehung einstellt, was auf eine gute Erfassbarkeit unterschiedlicher Belagszustände hindeutet. Ein kamerabasiertes Erfassen von Grauwertvariationen durch Walzenbeläge ist folglich ohne spezielle Beleuchtungstechnik möglich.

Um direkte Rückschlüsse auf die quantitative Belagsmenge ziehen zu können, müssen die Beleuchtungsbedingungen konstant gehalten werden, da wechselnde Lichtbedingungen die Reflexionseigenschaften der Walzenoberfläche stark beeinflussen können. Um den Belagszustand auch bei sich ändernden Lichtverhältnissen zum Beispiel Tag und Nacht charakterisieren zu können, ist ein kalibriertes, zuverlässiges und gegenüber den Störgrößen unempfindliches Messsystem erforderlich [4, 5].

Zum Einstellen des Abstandes zwischen Kamera beziehungsweise Beleuchtung und der zu inspizierenden Walze kommt ein System aus Kugelumlaufstangen mit dazu passendem Führungswagen zum Einsatz. Der dadurch exakt einstellbare Abstand ist über eine Skala ablesbar und kann über Schubstangenspanner sicher arretiert werden. Zum vertikalen Positionieren der Komponenten werden diese mit genuteten Montageplatten verschraubt, welche in einem Führungsstangensystem durch Kunststoffgleitlager axial verschiebbar sind. Auch hier erfolgt die Positionierung über eine Messskala. Die Arretierung wird mittels leicht lösbarer Flügelschrauben erreicht. Nach dem physikalischen Reflexionsgesetz gilt, dass der Einfallswinkel des auf die Walzenoberfläche einfallenden Lichtes genauso groß ist wie der Reflexionswinkel zur Kamera [6]. Zu beachten ist jedoch, dass es mit steigender Belagsmenge ebenfalls zu zunehmend diffusem Streuen des Lichtes kommt. Damit das von der Walze reflektierte Licht optimal in die Optik der Kamera einfällt und empirisch die geeignetste Positionierung der Komponenten zu ermitteln, ist eine freie Einstellbarkeit der Winkel von Belichtung und Kamera zur Walzenoberfläche notwendig. Erreicht wird dies durch frei rotierbare Konstruktionselemente, welche Kamera beziehungsweise Beleuchtung mit den Montageplatten verbinden. Der Winkel kann abgelesen und arretiert werden. Um die Leistung des Systems mit und ohne Fremdlichteinflüsse zu quantifizieren, ist eine demontierbare Abschirmung in Form von abnehmbaren Blechen vorgesehen. Eine Herausforderung stellt hier unter anderem das Abführen von entstehenden Dämpfen dar, welche die Erfassung beeinflussen können.

Zum Einstellen des Abstandes zwischen Kamera und Walze kommt ein System aus Kugelumlaufstangen mit dazu passendem Führungswagen zum Einsatz.
Zum Einstellen des Abstandes zwischen Kamera und Walze kommt ein System aus Kugelumlaufstangen mit dazu passendem Führungswagen zum Einsatz. (Bild: IKV)

Wie eine robuste Versuchsumgebung aufgebaut sein sollte

Für eine lückenlose Detektion der Walzenoberfläche eignen sich in besonderem Maße Zeilenkameras, welche mit einem Drehgeber gekoppelt werden können. Vorteil des Hardwaretriggers ist die reproduzierbare Winkelposition, an welcher die Kamera auslöst. Zum Validieren des Messsystems kommt ein Drehgeber mit 4.096 Impulsen pro Umdrehung zum Einsatz, sodass nach einer Umdrehung eine „Belagskarte“ der Walze mit der entsprechenden Anzahl an Bildpunkten entlang der abgewickelten Walze erzeugt werden kann. Im zeitlichen Verlauf können so die Grauwerte den jeweiligen Winkelpositionen zugeordnet und die Belagsbildung ohne räumliche Überschneidungen quantifiziert werden. Ein weiterer Vorteil dieser Aufnahmestrategie liegt in der Flexibilität der Extrusionsgeschwindigkeit, da Drehgeber nicht zeitlich, sondern ortsgebunden, entsprechend der vorliegenden Winkelposition triggern. Neben den bereits beschriebenen Maßnahmen zur Elemination von Fremdlichteinflüssen ist im weiteren Verlauf ein Auswertungsalgorithmus vorgesehen, welcher sich ändernde Lichtbedingungen in der Form berücksichtigt, dass im Sichtfeld der Kamera eine Kalibrierplatte mit bekannten Glanzeigenschaften angebracht wird und Glanzveränderungen auf diese relativiert.

Warum Zeilenkameras die Walzenoberflächen lückenlos erfassen

Bislang konnte die Eignung einer kamerabasierten Messtechnik zum Erfassen von Walzenbelägen aufgezeigt werden. Für ein robustes und von Umgebungslicht unabhängiges System eignen sich mit einem Drehgeber gekoppelte Zeilenkameras, welche zu einer zusätzlichen Belichtung flexibel ausrichtbar sein sollten. In weiteren Arbeitsschritten erfolgt die Validierung des Messsystems sowie das systematische Ermitteln von Prozess- und Materialparametern auf die zeitliche Ausbildung von Walzenbelägen.

Dank

Das IGF-Forschungsvorhaben 21297 N der Forschungsvereinigung Kunststoffverarbeitung wird über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der industriellen Gemeinschaftsforschung und -entwicklung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Allen Institutionen gilt unser Dank.

Literatur

[Nen06] NENTWIG, J.: Kunststofffolien: Herstellung, Eigenschaften, Anwendung. München, Wien: Carl Hanser Verlag, 2006

[GWM05] GILES, H. F.; WAGNER, J. R.; MOUNT, E. M: Extrusion: The Definitive Processing Guide and Handbook. Norwich: William Andrew, Inc., 2005

[Lok16] LOKENSGARD, E.: Industrial Plastics: Theory and Applications. Independence: Cengage Learning. New York: Delmar Cengage Learning, 2016

[HMS17] HERING, E.; MARTIN, E.; STOHRER, M.: Physik für Ingenieure. Heidelberg: Springer Verlag, 2017

[BLF16] BEYERER, J.; LEON F. P.; FRESE, C.: Machine vision: Automated visual inspection: Theory, practice and applications. Heidelberg: Springer Verlag, 2016

[Jäh12] JÄHNE, B.: Digitale Bildverarbeitung und Bildgewinnung. Heidelberg: Springer Verlag, 2012

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Institut für Kunststoffverarbeitung (IKV) in Industrie und Handwerk an der RWTH Aachen (Hauptsitz)

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