CPS2 Anwendung Buerstenduese

Saugextraktion einer Leiterplatte. (Bild: Clean Controlling)

Porträt Volker Burger

Volker Burger ist Gründer und Geschäftsführer des Labors für Technische Sauberkeit. Bild: Clean Controlling)

Die Nassextraktion ist seit Jahren etabliert und in der VDA 19 Technische Sauberkeit spezifiziert. Herr Burger, wofür braucht es die Saugextraktion?

Volker Burger: In der VDA 19 gibt es seit 2015 neue Extraktionsmethoden. Die manuelle Luftextraktion beispielsweise, bei der Bauteile in einer geschlossenen Spülkammer abgeblasen werden und somit auch trocken beprobt werden können. Genau darin liegt der Vorteil einer Luftextraktion. Bauteile kommen nicht mit einem flüssigen Medium in Kontakt, was für einige Bauteile vorteilhaft ist. Zum Beispiel sind das Bauteile wie Luftfilter, die sich mit Flüssigkeit vollsaugen und dadurch zerstört würden. Die Saugextraktion ist eine Variante der manuellen Luftextraktion, bei der die Oberfläche nicht abgeblasen, sondern abgesaugt wird. Dies geschieht mit speziellen Düsen, die durch Unterdruck Partikel ansaugen, die im Saugstrom durch einen Zyklon abgetrennt werden.

Welche Partikel nimmt der Sauger bezüglich Größe und Form auf?

CPS2 Anwendung Buerstenduese

Saugextraktion einer Leiterplatte. (Bild: Clean Controlling)

Burger: Die Saugextraktion beschränkt sich durch den Mechanismus des Absaugens auf die größeren Partikel. Partikel größer 15 µm werden vom Zyklon getrennt. Wir geben die Eignung des Saugers für Partikel ab einer Größe von 25 µm an.

Können sowohl Flusen, Fasern und Späne als auch Staub aufgenommen werden?

Burger: Wenn die Partikel größer als 25 µm sind, können diese unabhängig von ihrer Beschaffenheit aufgenommen werden. Dazu gehören auch „flusige“ Partikel. Staubpartikel besitzen eine Größe von lediglich 5 µm, sodass sie nicht zuverlässig aufgesaugt werden.

Wie ist das Wirkungsprinzip des Saugers? Sie sprachen von einer Zyklonabscheidung. Wie kann man sich diesen Vorgang vorstellen?

CPS2 Filtereinheit mit Filter und Rahmen

Die Partikel können auch auf einen 5 µm-Filter abgeschieden werden. Bild: CleanControlling)

Burger: Der Unterdruck, der von einem Industriesauger erzeugt wird, wird in das System eingeleitet. Dieses System hat dann unterschiedliche Möglichkeiten, die Partikel aus diesem Saugextraktionssystem herauszuholen. Die Abgabestelle ist vor dem Sauger angeordnet. Zunächst nimmt die Saugdüse die Partikel von der Bauteiloberfläche auf. Die Oberfläche des Bauteils bestimmt, ob mit der Standarddüse oder mit einer spezifischen Saugdüsengeometrie oder bestimmten Bürsten gearbeitet wird. Anschließend bewegen sich die aufgenommenen Partikel durch einen circa 2 m langen Schlauch in den Zyklon. Der trennt die Partikel vom Absaugstrom in ein Laborgläschen ab, von dem aus sie extrahiert und weiteranalysiert werden können. Wahlweise kann der Saugschlauch auch an einen Filterhalter angeschlossen werden. Auf dem vorhandenen Filter lagern sich die Partikel an. Hierfür werden handelsübliche 5 µm-Filter eingesetzt, die in den Größen wie in der VDA 19 beschrieben, verfügbar sind. Die Partikel werden so direkt auf den Filter abgeschieden. Sollten diese dort nicht gleichmäßig verteilt sein, gibt es noch die Möglichkeit, die Partikel wässrig aufzuschwemmen.

Besteht auf dem Weg durch den rund 2 m langen Schlauch nicht die Gefahr, dass Partikel verloren gehen?

Burger: Der Schlauch ist innen sehr glatt und die Anschlussstellen extrem optimiert. Dahinter steckt ein von uns patentiertes Stecksystem, bei dem der Schlauch in den Zyklon und die Düsen eingesteckt wird. Dort sind keine oder nur minimale Spalte vorhanden, ebenso keine Hinterschnitte, in denen sich Partikel festsetzen könnten. Dass dies gut funktioniert, sehen wir auch immer wieder im Bereich der Blindwertmessungen, die zwischen den Analysen notwendig sind. Wie bei der Nassextraktion ist auch hier ein Nachspül- oder Nachsaugprozess notwendig, um wirklich alle Partikel in das Gläschen oder auf den Filter zu bringen. Auch die nach VDA 19 empfohlenen Partikel-Wiederfindungstests zeigen die Eignung des Systems.

Was wird beim Nachsaugprozess von der Düse eingesaugt?

Burger: Umgebungsluft, da sie gleichzeitig auch die Prüfumgebung darstellt. Wahlweise gibt es noch die Möglichkeit, auf die Düse einen Filter aufzusetzen, damit nicht versehentlich Partikel beim Nachsaugen erfasst werden. Grundsätzlich ist es so, dass die Umgebungsluft der Prüfstelle geeignet ist, denn mit ihr wurde auch der Blindwert bestimmt.

Was passiert mit den Partikeln, die im Gläschen oder auf dem Filter gesammelt wurden?

CPS2 Zykloneinheit mit Laborflasche

Bei der Aufnahme von großen Partikelmengen ist es sinnvoll, diese in eine Laborflasche abzuscheiden. Bild: Clean Controlling)

Burger: Wenn die Partikel in das Gläschen aufgesaugt wurden, geht dieses ins Labor. Dort werden sie aus dem Gläschen durch Nassextraktion herausextrahiert und anschließend auf einen 5 µm Filter nach VDA 19 abgelegt und sind bereit für die Analyse. Hier ist zu sagen, dass dieses Gläschen eher für große Partikelmengen gedacht ist. Wenn also eine Batteriewanne oder ähnlich große Bauteile analysiert werden sollen, fällt in der Regel eine große Anzahl an Partikeln an, die einen Filter mit 47 mm Durchmesser überlagern würden. Es gibt nun die Möglichkeit, diese Partikel in einem Prozess auf einen größeren Filter mit einem Durchmesser von 90 mm oder auf mehrere kleine zu verteilen, damit die komplette Partikelfracht aussagekräftig analysiert werden kann. Dies geschieht dann entweder mit einem Lichtmikroskop oder gravimetrisch, also durch Betrachten der Partikelmasse. Wenn eine große Menge an Partikeln vorliegt, so kann deren Masse bestimmt und ein aussagekräftiges Ergebnis erwartet werden.

Sind die in der VDA 19 gängigen Abklingmessungen und Qualifizierungsuntersuchungen auch mit der Saugextraktion durchführbar?

Burger: Eindeutig ja. Die Abklingmessung und die 2-fach-Messungen, sowie sie in der VDA 19 gängig sind, gelten auch bei der Saugextraktion.

Das Handling der abgesaugten Partikel klingt komplex. Ließe sich dies auch einfacher gestalten?

Burger: Ja, zum einen die zuvor genannte Möglichkeit, die Partikel direkt auf den Filter zu saugen, damit sie mikroskopisch untersucht werden können. Das ist auf jeden Fall deutlich einfacher, als diese zu extrahieren. Zum anderen ist es möglich, das Gläschen unter dem Zyklon durch einen Adapter zu ersetzten, unter dem eine Partikelfalle installiert wird. Diese besitzt ein Klebepad, an dem die Partikel anhaften und kann ohne weitere Vorbereitung unter das Mikroskop gelegt werden. Das ist vor allem bei Analysen im Produktionsprozess sinnvoll, da das Saugextraktionssystem mobil einsetzbar ist und zu großen Bauteilen vor Ort kommt, um die Partikel aufzunehmen. Die Partikelfalle kann einfach und schnell getauscht, beschriftet, mit dem Deckel verschlossen und anschließend im Labor ausgewertet werden.

Die Auszählung der Partikelansammlungen erfolgt im internen oder einem externen Labor. Herr Burger, wäre eine App vorstellbar, mit der die aufgenommenen Partikel vor Ort erfasst und ausgewertet werden können?

Burger: Ja, das wäre natürlich eine super Vorstellung, direkt vor Ort in der Produktion das Ergebnis zu erhalten. Wird eine Partikelfalle verwendet, dann könnten mit relativ einfachen Mitteln, wie einer Lupe, einem Maßstab oder ähnlichem, die Partikel zumindest in einer Größenordnung erfasst werden. Dadurch wäre eine Einschätzung zur Kontamination des Bauteiles möglich. Es wäre natürlich immer schöner, ein verkürztes Analyseverfahren zu haben, so wie es in der VDA 19 auch beschrieben ist. Es gibt Verfahren, die ohne Filtration auskommen. Diese bestimmen die Partikel dann direkt in der Flüssigkeit oder Luft. Sie sind in der VDA19 beschrieben, werden aber in der Automobilindustrie nicht wirklich eingesetzt. Das liegt möglicherweise darin begründet, dass meist nicht alle Partikel eines Bauteils untersucht werden können, sondern nur eine kleine Menge der Flüssigkeit oder des Luftstroms beprobt wird und somit nicht alle Partikel integral vom Bauteil in die Analyse kommen. Die zweite Problematik besteht darin, dass der Partikel nicht in der wahren Länge analysiert wird, sondern sein assoziierter Durchmesser. Dabei wird über die Abschattung seine Fläche ermittelt und das System errechnet dann die Fläche des Partikels als einen Kreis mit Durchmesser. Dieser steht für die Länge des Partikels, die natürlich auch deutlich von der wahren Länge des Partikels abweichen kann. Bei diesen verkürzten Analysen kommt es also zu Fehlern, die mit den mikroskopischen Analysen nach VDA 19 nicht mehr verglichen werden können. Dennoch wäre es wünschenswert, ein verkürztes Verfahren via App zu haben. Die Partikelfalle mit dem Handy abzufotografieren, die größten Partikel zu bestimmen oder vielleicht sogar alle, was derzeit noch ein Zukunftswunsch ist, wäre natürlich super.

Wo werden die Saugsysteme bereits eingesetzt?

CPS2-Absaugung-KLT

Die Partikelfracht in einem KLT lässt sich ebenfalls mit dem Saugextraktionssystem ermitteln. Bild: Clean Controlling)

Burger: Partikelsaugsysteme werden, wie zuvor bereits erwähnt, hauptsächlich bei Bauteilen eingesetzt, die nicht mit Flüssigkeiten in Kontakt kommen sollen. Die Entwickler fragen sich hier natürlich, warum ein System nass beprobt werden sollte, wenn es später im Applikationsfall niemals mit Feuchtigkeit in Berührung kommen wird. Die Schärfe des Prüfverfahrens wäre zu hart und die Vergleichbarkeit würde gänzlich wegfallen. Somit ist es absolut sinnvoll, diesen Vorgang mit einer Luft- oder Saugextraktion durchzuführen. Der zweite Grund warum das System gern verwendet wird liegt darin, dass Bauteile weiterverwendet werden können. Im Zeitalter der Elektromobilität mit relativ geringen Anlaufstückzahlen ist dies unumgänglich. Wir verfügen derzeit nicht über die Bauteilanzahl, um sagen zu können, dass ein gewisser Prüfumfang an Teilen, die anschließend verworfen werden müssen, vorhanden ist. Eine Saugextraktion, bei der das Bauteil trocken bleibt und das Werkstück selbst nicht ins Labor muss, sondern vor Ort analysiert werden kann, ist ein absoluter Vorteil.

Was sind das konkret für Teile? Sie sprachen vorhin über die Batteriewanne?

Burger: Genau, hauptsächlich Batteriewannen oder E-Compartments, also die Elektroniksysteme eines Elektrofahrzeuges, die in der Nähe von Batteriewannen installiert werden und über die komplette Fahrzeugbreite reichen können. Daraus ergeben sich Einzelteilprüfungen, beispielsweise von Leiterplatten, elektronischen Elementen oder Kabelbäumen. Ein weiterer Anwendungsfall ist die Inline-Prozess-Kontrolle von Prozessstufen. Hierbei verhält es sich so, dass in den Prozessen oft unvermeidlich Partikel entstehen, zum Beispiel beim Schraubprozess. Hier stellt sich die Frage, ob die Partikelfracht noch innerhalb der Bauteilspezifikation liegt. Dort wird es sehr oft grenzwertig, wenn der größte zulässige metallische Partikel nicht größer als 400 oder 600 µm sein darf. Man kann sich den Vorgang so vorstellen, dass unterhalb des Schraubprozesses die Absaugung startet, mehrere Schraubprozesse durchgeführt und anschließend die größten Partikel ermittelt werden. Sind diese kleiner als die Spezifikation vorgibt, so können die Prozesse qualitativ freigegeben werden. So wird Step-by-Step durch den Prozess gegangen und vor Ort die Analysen durchgeführt. Dieser Prozess ist natürlich auch in einer Kunststofffertigung denkbar. Ziel ist es, Partikel, die durch Schieber oder Einlegeteile im Werkzeug zurückbleiben, zu erkennen oder zu lokalisieren.

Sie sprachen nun mehrfach von der Luftextraktion. Wie unterscheidet sich diese von der Saugextraktion?

CPS2 Komplettsystem

CPS2 Komplettsystem Bild: Clean Controlling)

Burger: Die Luftextraktion, also das manuelle Abblasen nach VDA 19, wird unterteilt in „Durchströmen“ und „Manuelles Abblasen“. Beide Methoden kommen dem Abspülen sehr nahe, denn mit einem Druckluftstrahl werden die Bauteile manuell in einem Spülkabinett abgeblasen. Die Partikel lagern sich hierbei an den angefeuchteten Wänden des Kabinetts an, werden anschließend durch Flüssigextraktion von der Wand abgespült und auf den Filter übertragen. Das Bauteil kann natürlich trocken aus der Extraktion entnommen werden. Die Saugextraktion ist dadurch gekennzeichnet, dass die Bauteile nicht abgeblasen, sondern abgesaugt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Saugdüse sehr nahe an der Bauteiloberfläche geführt wird, damit die Partikel tatsächlich aufgenommen werden. Das wird meist dadurch unterstützt, dass eine Bürste an der Düse angebracht ist, die mechanisch beim Ablösen unterstützt.

Herr Burger, was gab den Ausschlag für Sie, das Saugextraktionssystem zu entwickeln?

Burger: Ausschlaggebend waren extrem große Turbolader, die natürlich nur schwierig bis gar nicht in ein Labor zu verbringen und nass zu beproben sind. Für diese großen Bauteile wurde eine Extraktionsmethode gesucht, um die Bauteilsauberkeit, ähnlich der VDA 19 zu bestimmen. Aufgrund dessen begannen wir 2016 mit den Entwicklungen. Ein weiterer Aspekt war das schichtweise Monitoring in Montageprozessen zu vereinfachen. Denn hier ist nicht die Anzahl, sondern der größte zulässige Partikel entscheidend. Dieser lässt sich auf der Partikelfalle einfach erkennen und sofort in die Qualitätsregelkarte eintragen.

Das manuelle Führen des Saugers hängt stark vom Werker ab, da der Abstand von der Oberfläche und die Verfahrgeschwindigkeit konstant sein sollen. Wäre es denkbar, das Verfahren zu automatisieren?

Clean Controlling CPS2robotics Teaching

Die Saugextraktion kann auch automatisiert durchgeführt werden. Bild: Clean Controlling)

Burger: Auch bei der Nassextraktion ist der Abspülvorgang manuell geführt und somit auch hier ein gewisser Prüfereinfluss vorhanden, der sicherlich auch nicht unerheblich ist. Beim Saugextraktionsverfahren gibt es den Vorteil, dass es trocken durchgeführt wird und das Absaugen auch partiell stattfinden kann. Dieser Schritt könnte mit Robotern automatisiert werden. Eine solche Möglichkeit haben wir auf der Messe parts2clean 2019 vorgestellt. Das Partikelsaugextraktionssystem ist mit einem relativ einfachen Roboter gekoppelt, der den Vorteil bietet, dass die textliche Programmierung nahezu gänzlich entfällt. Der Roboter wird mit der Saugdüse händisch über das Bauteil verfahren, dabei wird mit einer Art Recordingfunktion das Programm mitgeschrieben und später abgespielt. Gerade im Rahmen der Abklingmessung, bei der die Analyse sechsmal an einem Bauteil stattfinden muss, wäre dieser Lernprozess sinnvoll. Aus unserer Sicht ist die Automatisierung der Saugextraktion deutlich einfacher als bei der Nassextraktion und somit auch schneller realisierbar. Das könnte uns zu einem System führen, welches vollautomatisch ablaufen kann.

Diese automatisierte Prüfung würden Sie dann stichprobenartig empfehlen?

Burger: Ja, einmal pro Schicht oder gar dynamisch. Ziel wäre es zu verstehen, wie der Partikelentstehungsprozess funktioniert. Anschließend kann die Prüffrequenz sukzessiv heruntergefahren werden, wenn Partikelquellen und -größen bekannt sind.

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