Die Anforderungen, mit denen sich die Unternehmen der Messtechnik konfrontiert sehen, sind zu großen Teilen kongruent mit denen anderer Bereiche der Kunststoff-Industrie. Die Abnehmer wollen ihre immer komplexeren Produktions-Anlagen nicht mit externen System-Lösungen erweitern, sondern Mess- und Prüftechnik in die Prozesse integrieren. Dabei sollen die Messungen nicht nur schneller und präziser sein, sondern vor allem eine einfache Bedienung ermöglichen. Komfort heißt das Schlagwort, wenn es um die Steuerungsoberfläche der Geräte geht. Die Forderung der Industrie lautet hier: Generell soll jeder Mitarbeiter der Produktion in der Lage sein, die Anwendung zu beherrschen. Die Entwicklung neuer Werkstoffe stellt die Branche ebenfalls vor Herausforderungen. So benötigen Hochleistungs- und Hochtemperatur-Werkstoffe teilweise spezielle Messverfahren, bei-
spielsweise ölfreie HDT-/Vicat-Systeme, die für Temperaturen bis 500 °C geeignet sind. Weiterer Trend ist die so genannte Vielpunktsensorik, die Bauteile innerhalb eines Messvorgangs möglichst vollständig beschreibt. Die hohe Informationsdichte der Messdaten ermöglicht es, fehlerhafte Produkte frühzeitig zu erkennen und entsprechende Abhilfemaßnahmen umzusetzen. Relevant sind diese Sensoren laut Detlef Ferger, Vertriebsleitung Werth Messtechnik, beispielsweise in der Computertomografie, die Fotogrammetrie sowie Laserabstandssensoren mit Lichtschnitt-Technologie.
Doch auch schon bekannte Technik hat ihr Potential noch nicht vollends ausgeschöpft: Das manuelle Vermessen von Einzelmerkmalen mittels berührungsloser optischer Vermessung soll laut Branchenkennern wie Stefan Gluske, Metrology Manager bei Vision Engineering, seine Bedeutung nicht nur behalten, sondern zukünftig noch ausbauen.
Durch alle diese Neuerungen bekam auch ein weiterer Punkt mehr Gewichtung: Das Kalibrieren. Laut Thomas Krahl, von Krahl Messtechnik, ist das Feinabstimmen der Geräte in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. In der Regel lassen Abnehmer einmal im Jahr von Hersteller ein Prüfzertifikat erstellen.
Nachgehakt
Eine Verfahrensfrage
Plastverarbeiter: Ziel ist es effizientere Prozesse durch kürzere Anfahrzeiten und ein frühzeitiges Erkennen und Vermeiden von Ausschuss zu erreichen. Welche Messverfahren eignen sich hierfür?
Kai Uwe Fuchs, Geschäftsführer Fuchs Engineering: Messverfahren zur frühzeitigen Erkennung und letztendlich Vermeidung von Ausschuss.
Schnerr, Leiter der Business Unit Plastics bei Kistler Instrumente: Basis unserer Systeme zur In-Prozess-Qualitätsüberwachung ist die Messung des Werkzeuginnendrucks. Nur der Verlauf des Werkzeuginnendrucks über den Spritzgießzyklus gibt die Füllverhältnisse im Werkzeug eindeutig wieder. Er gilt nicht von ungefähr als der Fingerabdruck des Spritzgießvorgangs. Einrichter im Spritzgießbetrieb nutzen den Verlauf des Werkzeuginnendrucks zur Beschleunigung des Einrichtens und Anfahrens. Das Prozessüberwachungssystem CoMo Injection nutzt ihn zur Qualitätsbeurteilung und zur Entscheidung über Gut- oder Schlechtteil. Das System MultiFlow nutzt ihn zur automatischen Balancierung des Heißkanals und damit zur Stabilisierung der Füllverhältnisse in Vielfach-Werkzeugen. Und das Modul Stasa QC stützt sich bei der automatischen Vorhersage dimensioneller Qualitätsmerkmale an Spritzgussteilen auf den Verlauf des Werkzeuginnendrucks.
Thomas Krahl, Geschäftsleiter von Krahl Messtechnik: Um den Prozess der Granulattrocknung zu verbessern, ist eine schnelle und genaue Restfeuchte-Bestimmung unerlässlich. Mit unseren Feuchtemessgeräten erfolgt dies in wenigen Minuten. Die Messungen können auf kurzem Wege von jedem Produktionsmitarbeiter „at-line“ durchgeführt werden, da keine Chemikalien und kein Labor erforderlich sind.
Stefan Gluske, Metrology Manager bei Vision Engineering: Der Werker sollte bestmöglich in den Prozess integriert werden um die Reaktionszeiten zu verkürzen, er darf nicht aus dem Prozess ausgenommen werden. Daher sorgen durchschaubare Messstrategien mit direkter Bedienerrückkopplung wie die okularlosen Messmikroskope von für bestmögliche Transparenz und umfassenden Überblick über den Produktionsstatus.
Detlef Ferger, Vertriebsleitung Werth Messtechnik: Von großer Bedeutung sind speziell im Kunststoffbereich die Computertomografiesysteme. Hiermit lassen sich innere und äußere Merkmale eines Bauteils in kürzester Zeit und mit höchster Präzision bestimmen. Diese Systeme eignen sich zur schnellen Erstbemusterung oder auch zur Serienüberwachung. Durch ihre modulare Bauweise können die Geräte zudem leicht erweitert werden.
Ralf Benninger, Produktmanager bei Zeiss: Durch optische und computertomografische Prüf- und Messverfahren kann bereits während der Anlaufphase die Stabilität der Prozessparameter überprüft und optimiert werden. Die zeitaufwändige Erstellung von Schliffbildern entfällt und spart somit Zeit und Geld. Durch zeitnahe Auswertung von Spritzgussteilen lässt sich der Fertigungsprozeß in kürzester Zeit stabilisieren und reduziert somit die Anzahl von Ausschussteilen.
Plastverarbeiter: Wie ist die Akzeptanz von berührungslos arbeitenden Messtechniken in der Kunststoffverarbeitung?
Fuchs: Berührungsloses Prüfen von Kunststoffteilen gilt als zuverlässig und akzeptiert im Spritzgußprozess.
Schnerr: Der Spritzgießer will seinen Kunden 100 Prozent Qualität liefern und sucht einen möglichst wirtschaftlichen Weg, dieses Ziel zu erreichen. Somit ist die prozessintegrierte Qualitätssicherung heute die Methode erster Wahl. Ohne die Zykluszeit zu verlängern und ohne zusätzliche Arbeitsstationen ist die Werkzeuginnendruckmessung die wirtschaftlichste Möglichkeit zur sicheren Separation von Ausschuss. Die Druckmessung selbst ist zwar nicht berührungslos, kann aber die strukturelle und dimensionelle Qualität eines Spritzgussteils bestimmen, ohne Beeinträchtigungen am Formteil zu hinterlassen. Berührungslose Messverfahren erscheinen ergänzend zur Prüfung optischer Eigenschaften oder zur Kontrolle gefügter, montierter oder dekorierter Baugruppen sinnvoll.
Krahl: Eine berührungslose Messung der Restfeuchte wäre sicher für viele Betriebe interessant, scheitert aber an den physikalischen Grenzen der in Frage kommenden Messmethoden. Diese erreichen zum einen nicht die notwendige Genauigkeit kleiner 0,01 Prozent und müssen zum anderen sortenspezifisch kalibriert werden, was bei häufigem Produktwechsel einen enormen Personalaufwand, der in der Praxis kaum geleistet werden kann, erforderlich machen würde. Für eine schnelle und zuverlässige Messung ist daher eine diskrete Materialprobe unverzichtbar.
Dr. Dirk Neff, Vertriebsleiter Analytische Instrumente und Produktleiter Materials Characterization bei Mettler Toldedo: Hier besteht eine hohe Akzeptanz, da das Produkt nach Prüfung weiter verwendet werden kann. Eine Prüfmethode liefert allerdings nur einen Bruchteil der Information über das Material, die häufig notwendig ist um beispielsweise ein Schadensfall aufzuklären.
Werner Lautenschläger, Geschäftsführer bei MLS: Wir setzen bereits seit Jahren berührungslose Temperatur-Überwachungssysteme ein, die mittlerweile für bis zu 1.000 ° C geeignet sind.
Gluske: Das berührungslose Messen generell genießt eine sehr hohe Akzeptanz, hier muss jedoch weiter differenziert werden. Wir bieten eine breite Palette an berührungslosen Messsystemen, so dass optimal auf den jeweiligen Anwendungszweck eingegangen werden kann. Insbesondere die Stärken der manuellen Vermessung werden vielen Anfragern erst auf den zweiten Blick klar, hier können wir mit unserem reichen Erfahrungsschatz behilflich sein.
Ferger: Seit mehr als 60 Jahren werden berührungslose Technologien in der Kunststofffertigung eingesetzt. Hierzu zählten früher zum Beispiel Messmikroskope und Profilprojektoren. Seit Beginn der 80er Jahre sind auch Systeme mit Bildanalyse im Einsatz, welche sich auf breiter Front durchgesetzt haben.
Außerdem werden bestehende Sensoren ständig weiterentwickelt, insbesondere steigt hier auch die Nachfrage nach applikationsspezifischen Sensoren. Ein weiterer Quantensprung der optischen Sensorsysteme ist die Computertomografie. Unser Unternehmen hat 2005 hier als weltweit erster Anbieter ein Koordinaten-Messgerät mit Computertomografiesensorik vorgestellt, und zählt heute zu den Technologieführern in diesem Marktsegment.
Benninger: Durch die Anpassung und Übertragung der Annahme- und Bestätigungsprüfung für KMG mit Bildverarbeitungssensoren in die DIN EN ISO Norm 10360-7 und der neuen Richtlinie VDI/VDE 2630 für die Computertomografie wurden einheitliche Standards geschaffen. Für unsere Kunden wird der Vergleich von Geräten vereinfacht und transparenter, hierdurch stieg das Vertrauen und damit die Akzeptanz der Anwender in die neuen Technologien.